[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 09.11.1989

Vom Backhaus zum "Potthuus"
Das fertige Schwarzbrot duftete wunderbar im Haus

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Vom Backhaus zum "Potthuus"
Das fertige Schwarzbrot duftete wunderbar im Haus

Vor zwei Jahren überlegten sich Heinz Janssen und Manfred Bleeker, wie sie den Westoverledinger Heimat- und Verkehrsverein möglichst auffällig darstellen könnten. Sie kamen auf die Idee, ein ostfriesisches Backhaus nachzubauen. Dieses Gebilde aus Spanplatte und Preßpappe wurde auf dem jährlichen Bottermarkt in Ihrhove ausgestellt und zog eine Menge bewundernder Blicke auf sich.

Ein richtiger Backofen, so etwas gibt es noch in der Steenfelder Dorfstraße, Ecke Fliederweg
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Ein richtiger Backofen, so etwas gibt es noch in der Steenfelder Dorfstraße, Ecke Fliederweg

Nach dem Abbau stand das Modell eine ganze Zeitlang in einem Schuppen. Das war unbefriedigend, und so machten sich eines Tages die beiden Heimatfreunde aus Flachsmeer und Ihrhove daran, noch vorhandene Backhäuser in der Großgemeinde Westoverledingen zu suchen und zu fotografieren. Die Ergebnisse dieser ,,heimatkundlichen Safari" konnte jedermann im März dieses Jahres im Rathaus Irhove besichtigen (siehe FK vom 2. März).

Ein "nejmodischer Swienpott" in Ihren am Patersweg-Nord
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Ein "nejmodischer Swienpott" in Ihren am Patersweg-Nord

"Dat word noch ,n heeten Dag, sä de Hex, do sull se in de Backovend verbrannt worden." Richtig, unsere Leser erinnern sich an Hänsel und Gretel, die beiden alleingelassenen Kinder vor dem Pfefferkuchenhaus. Den Inhalt dieser ,,story" kennte jeder, doch nicht jedes Märchen geht mit einem ,,Happy-End" aus. Die eine oder andere Mutter könnte sogar von einem ,,grausamen" Märchen sprechen und die ganze Geschichte aus ethischen Gründen ablehnen, denn die Hexe wird in den heißen Backofen gestoßen.

Das Feuer im Backhaus war gefährlich, konnte es doch bei Sturm leicht außer Kontrolle geraten. Aus diesem Grunde wurden die ersten Backöfen weitab von Haus und Hof errichtet. Es waren zuerst primitive Bauten, denn Steine waren in Ostfriesland teuer. Wichtig war der glatte Untergrund aus gestampftem Lehm und ein möglichst luftdicht abschließendes ,,Gaap". Ein neuer Backofen wurde mit einem hellflammenden Feuer aus Stroh und Reisig ausgebrannt, um alle Feuchtigkeit daraus zu entfernen. Dafür gibt es im ostfriesischen Platt ein eigenes Wort: ,,`n nejen Backovend elgern".

So sah es einstmals in Ostrhauderfehn in der Hauptstraße aus! Bäcker Olof Olson geht zum Kanal (1. Ostwieke), um den Feudel für den Backofen auszuwaschen. "Dar mutt he sük an wennen, harr de Backer seggt, do harr he mit de Katt de hete Backovend utfeggt."
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So sah es einstmals in Ostrhauderfehn in der Hauptstraße aus! Bäcker Olof Olson geht zum Kanal (1. Ostwieke), um den Feudel für den Backofen auszuwaschen. "Dar mutt he sük an wennen, harr de Backer seggt, do harr he mit de Katt de hete Backovend utfeggt."

Als es den Leuten etwas besser ging, bauten sie eine Art Ofen, dann kam die Giebelwand mit dem Schornstein, und innen konnte noch ein ,,Pott" mit angeschlossen werden. Hier wurde Wäsche gekocht oder der ,,Swienpott" gegart. Dann wurde es den Menschen zu mühselig, bei Wind und Wetter den Backofen von außen zu bedienen. Jetzt wurde er in das ,,Backhaus" verlegt.

Reste eines Backhauses in der Wallstraße, Ihren
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Reste eines Backhauses in der Wallstraße, Ihren

All diese verschiedenen Formen von Backöfen sind selten erhalten geblieben. Im Fehnmuseum Elisabethfehn können wir noch solch einen ,,ollerwelschen" Backofen sehen, der ab und zu sogar benutzt wird. Heinz Janssen und Manfred Bleeker haben im Westoverledinger Gemeindegebiet einige wenige ,,Backhuusen" gefunden und fotografiert. In Ostoverledingen (Gemeinden Rhauderfehn und Ostrhauderfehn) sind sie fast alle verschwunden. Am Ziegeleiring erkennt der genaue Beobachter noch die Rundform des Backofens an einer Wand, und auch in Langholt bei Pieper ist der Rundbogen hinterm ,,Potthuus" sichtbar ausgebildet.

Der frühere Lehrer Ojemann, Ostrhauderfehn, interessierte sich stark für alte ostfriesische Sitten und Gebräuche. Er fragte die Leute, was die für ihn unbekannten Wörter bedeuteten und ließ sich fast vergessene Gegenstände genau erklären. So fertigte ihm der Bauunternehmer Elso Pfeiffer eine exakte Zeichnung von einem Backhaus an. Tochter Agathe Schön hat den Aufriß vom Backhaus ihrer Oma Maria Tinnemeyer, welches ihr Vater gebaut hatte, noch im Keller liegen.

Das zugemauerte Ofenloch bei Pieper in Langholt
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Das zugemauerte Ofenloch bei Pieper in Langholt

In einem ,,Rakeldoob" bewahrten die Fehntjer das Feuer über Nacht auf. Wenn Backtag war, kamen die Glutreste unter neuen Torf, der auf der steinernen Feuerstelle vor dem Backofen aufgehäuft worden war. Wenn der brennende Torfhaufen nicht mehr qualmte, wurde die Glut in den Backofen geschoben (siehe FK vom 1. Dezember 1988 über das Dobeln). Der Backvorgang war erst nach mehreren Stunden beendet. Wenn dann das Schwarzbrot fertig gebacken auf dem Küchentisch zum Abkühlen lag, zog ein wunderbarer Duft durch das Haus! (Wer mehr darüber wissen will, sollte sich die Pumpernickel-Ausstellung im Cloppenburger Museumsdorf ansehen.)

Ein gemauerter "Svienpottovend" bei Hündling/Ley an der B 70 in Steenfelderfehn.
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Ein gemauerter "Svienpottovend" bei Hündling/Ley an der B 70 in Steenfelderfehn.

Die Neubauten der letzten dreißig Jahre ließen kein Backhaus mehr zu. Die Garage war wichtiger. Als Abstellraum diente nun ein hölzernes Gartenhaus. Unsere Urgroßeltern hätten gesagt: ,,All in de Welt, blot kien holten Backhuus un kien Nachtmütz mit Mauen!" Sie möchten gern die Erinnerung wachhalten an ,,ihr" Backhaus, wo die Äpfel lagerten, und Mutter die Kräuter zum Trocknen an die Balken hing.

Eine zugemauerte Ofenwand in der Süderstraße, Völlenerkönigsfehn
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Eine zugemauerte Ofenwand in der Süderstraße, Völlenerkönigsfehn

Das Backhaus hatte auch eine übertragene Bedeutung: ,,Se hett hör Süster up't Backhuus sett, dor kann se sük warmhollen." Das sagten die Leute, wenn eine jüngere Schwester sich vor der älteren verlobt hatte. Im Backhuus oder im Winter am warmen ,,Swienpott" ließ sich gut ,,frejen". ,,He will na de Bruut hen, sük de Ogen verklaren un `n söten Mund haien." Im ,,Tweedunkel" (Zwielicht) gab es dann eine ,,Duutje" oder ,,een Söten":

"`t word nich kokt und `t word nich eeten un `t smeckt doch allemann goot!"

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