[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 06.07.1989

Zur Geschichte der Brunsemaschen Schmiede
Als der Meister seinen ersten Spaten schmiedete

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Zur Geschichte der Brunsemaschen Schmiede
Als der Meister seinen ersten Spaten schmiedete

Das Fehn- und Schiffahrtsmuseum Rhauderfehn bemüht sich, die Brunsemasche Schmiede zu neuem Leben zu erwecken. Sie wurde 1983 von Johann Groen, Westoverledingen, und Karlheinz Groeneveld, Ostrhauderfehn, unter Leitung von Wilhelm Theermann aus Bingum im Untenende abgebrochen und 1984 hinter dem Museum originalgetreu wiederaufgebaut. Da der Schmiedeberuf heute fast ausgestorben ist, weiß die Jugend kaum noch, was das ist, ein Grob- oder Hufschmied. Am Beispiel der Familiengeschichte Brunsema läßt sich der fast ausgestorbene Beruf noch recht anschaulich erklären.

Die Schmiede etwa um 1952, in der Johann Brunsema immer noch arbeitete. Auf den Wegen ist kein Spier Unkraut. Links an der Schmiede der Hühnerstall. Rechts ist der große Käscher zu erkennen, mit dem er als Sielachtaufseher, der täglich die Wasserstände ablesen mußte, den Unrat an den Schleusentoren wegfischte. Er benutzte ihn aber auch zum Aalfang. Das einzig erhaltene Foto ist arg ramponiert. Es wurde von Dieter Kleemann fotografiert, der damals mit seinen Eltern bei Brunsema wohnte.
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Die Schmiede etwa um 1952, in der Johann Brunsema immer noch arbeitete. Auf den Wegen ist kein Spier Unkraut. Links an der Schmiede der Hühnerstall. Rechts ist der große Käscher zu erkennen, mit dem er als Sielachtaufseher, der täglich die Wasserstände ablesen mußte, den Unrat an den Schleusentoren wegfischte. Er benutzte ihn aber auch zum Aalfang. Das einzig erhaltene Foto ist arg ramponiert. Es wurde von Dieter Kleemann fotografiert, der damals mit seinen Eltern bei Brunsema wohnte.

Die Brunsemas kommen aus Siebestock. Das liegt bei Hesel, dort, wo das Wasserwerk HasseIt liegt. Bei Hesel gab es vormaIs das Kloster Barthe. Es war eines der größten und bedeutendsten Klöster Ostfrieslands, das 1204 von den Prämonstratensern gegründet worden war. Die Flugsandgegend war öd und leer. Die fremden Mönche zeigten, wie das unfruchtbare Land beackert werden mußte. Wer nicht pflügen und eggen wollte, konnte die klostereigenen Schafherden hüten. Solch ein Hirte war vielleicht der Urahn David Johansen, genannt "der Alte", der 1698 im Alter von 90 Jahren verstarb.

Das siebte Kind dieses Urahns hieß Dirk Davids, und der Vorname Dirk taucht später in der Familiengeschichte immer wieder auf. Denn der Viehhirte Dirk Willms hatte einen Sohn Jann Dirks, der bei Heirat mit Rixte Heyen um 1822 den Familiennamen "Brunsema" seines älteren Bruders Schweer weiterführte. Dieser Jann Dirks Brunsema hatte zwei Söhne, Dirk und Heye. Heye heiratete 1852 Harmke Christopher Ludwig aus Wester-Rhauderfehn. Die erste Verbindung zum Oberledingerland ist hergestellt!

Bruder Dirk wurde 1848 in Siebestock "bei einem Gelage in seinem Hause" ermordet. Jetzt wird diese Geschichte auch noch schön blutrünstig, nicht wahr? Nun, die Witwe Bauke Brunsema zog mit ihren beiden Kindern Johann und Claas fort von diesem grausigen Ort. Johann erlernte das Schmiedehandwerk beim Schmidtbaas Ostendörp in Logabirum. Anschließend begab er sich auf Wanderschaft. Leider ist sein Wanderbuch nicht erhalten geblieben, sonst hätten wir gewußt, wie und wo er die Welt kennengelernt hat.

Mutter Antje Brunsema jun. war bekannt als Vermieterin. Etwa im Jahr 1935 waren ein Schulrat Schäfer, von dem wohl die Aufnahme stammt, und der Realschullehrer Friedrich Börschel, beide aus Wuppertal-Elberfeld, auf dem Fehn zu Besuch. Sie wollten das Moor und die Heide malen. Hier allerdings wagt es Friedrich Börschel, das glühende Eisen mit der Zange auf dem Amboß zu halten. Schmiedemeister Johann Brunsema gibt den Takt an, mit dem Lehrling Heinrich Kramer als Aufschläger einen Spaten ausschlagen mußte. Dieses ,,Spa utschlaan" war gar nicht so leicht, denn der Lehrling durfte nie auf die gleiche Stelle hauen, sonst entstanden Risse. Auch der Rücken des Torfspatens mußte gleichmäßig ausgeschmiedet werden. Im Hintergrund die Schiefertafel, auf der stand, was angefertigt werden sollte.
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Mutter Antje Brunsema jun. war bekannt als Vermieterin. Etwa im Jahr 1935 waren ein Schulrat Schäfer, von dem wohl die Aufnahme stammt, und der Realschullehrer Friedrich Börschel, beide aus Wuppertal-Elberfeld, auf dem Fehn zu Besuch. Sie wollten das Moor und die Heide malen. Hier allerdings wagt es Friedrich Börschel, das glühende Eisen mit der Zange auf dem Amboß zu halten. Schmiedemeister Johann Brunsema gibt den Takt an, mit dem Lehrling Heinrich Kramer als Aufschläger einen Spaten ausschlagen mußte. Dieses "Spa utschlaan" war gar nicht so leicht, denn der Lehrling durfte nie auf die gleiche Stelle hauen, sonst entstanden Risse. Auch der Rücken des Torfspatens mußte gleichmäßig ausgeschmiedet werden. Im Hintergrund die Schiefertafel, auf der stand, was angefertigt werden sollte.

Von der WaIz zurück, suchte er vermutlich seine Mutter in Nortmoor auf. Von hier aus guckte er sich um, wo er wohl eine Arbeit finden könnte. Das aufblühende Westrhauderfehn schien die richtige Ausgangsbasis für seine Zukunft zu sein. Er verdingte sich beim Schmiedemeister Dirk Janssen Lüken, der eine Schmiede am Deich in Rhaudermoor hatte. Dieser Lüken aus Burlage hatte Gesche Janssen Krämer aus Breinermoor geheiratet, womit die Verbindung zu den "Breinermoerkers" (geschmiedete Schlittschuhe) hergestellt ist. Lüken starb mit 46 Jahren und hinterließ Frau und zwei schöne Töchter. Geselle Johann war erst 26 Jahre alt, und so heiratete er nicht die Frau Meisterin, sondern eine der Töchter. Sie starb im Kindbett, und so heiratete er nach dem Trauerjahr die zweite Tochter Antje. Mit ihr hatte er neun Kinder, von denen Tochter Antine heute noch lebt (90 Jahre alt).

Das ,,Sseiz haorn" ist eine Kunst, die nicht jeder beherrschte. Vor allem benötigte man ein gutes Auge. Wer wirklich gut dengeln lernen wollte, mußte mit Bentgras beginnen. Hier zeigte es sich, ob der Dengelhammer auf den Millimeter genau traf. Wer dann seine Sense selbst dengeln wollte, setzte sich platt auf den Boden, einen alten Sack unterm Allerwertesten, den Haorspitt zwischen den Beinen. Dieses ,,Haortüg" hatten die Lohnmäher des Overledingerlandes immer bei sich. Der Schmiedemeister Johann Brunsema ließ sich mit einem Strohsack auf seinem Amboß nieder, setzte sich seine Brille auf, und schon erscholl das ,,ping, ping, ping". Die Hosenklammer steckte noch, so drock hatte man es in der Sommerzeit. Deswegen blieb die Pfeife aber doch im Mund. Sie ging eigentlich nie aus. Im Hintergrund die Blasebälge, wie wir sie heute noch in der Museumsschmiede sehen können. Aufnahme etwa um 1952 von Dieter Kleemann.
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Das "Sseiz haorn" ist eine Kunst, die nicht jeder beherrschte. Vor allem benötigte man ein gutes Auge. Wer wirklich gut dengeln lernen wollte, mußte mit Bentgras beginnen. Hier zeigte es sich, ob der Dengelhammer auf den Millimeter genau traf. Wer dann seine Sense selbst dengeln wollte, setzte sich platt auf den Boden, einen alten Sack unterm Allerwertesten, den Haorspitt zwischen den Beinen. Dieses "Haortüg" hatten die Lohnmäher des Overledingerlandes immer bei sich. Der Schmiedemeister Johann Brunsema ließ sich mit einem Strohsack auf seinem Amboß nieder, setzte sich seine Brille auf, und schon erscholl das "ping, ping, ping". Die Hosenklammer steckte noch, so drock hatte man es in der Sommerzeit. Deswegen blieb die Pfeife aber doch im Mund. Sie ging eigentlich nie aus. Im Hintergrund die Blasebälge, wie wir sie heute noch in der Museumsschmiede sehen können. Aufnahme etwa um 1952 von Dieter Kleemann.

Der Schmiedegeselle Johann Dirks Brunsema machte seinen "Meister", und schon bald ergab sich die Gelegenheit, vom etwas versteckten Rhaudermoor direkt zum Untenende zu kommen: Das Griepenburgsche Gebäude stand zum Verkauf. Das war die Gelegenheit! Meister Brunsema überlegte nicht lange, lieh sich Geld vom Müller und erwarb das recht große Fehnhaus von der Witwe Griepenburg Erben. Dieses Gebäude war deshalb so weitläufig gebaut, weil es als Konkurrenz zum Verlaatshaus gedacht war. Aber die Geschichte dieses Hauses soll an dieser Stelle nicht behandelt werden.

Meister Brunsema ließ 1897 neben dem Hinterhaus eine recht geräumige Schmiede bauen, die genauso aussah wie die, welche jetzt beim Museum steht. Hier stand er schon morgens um sechs an der Esse, glühte das Eisen und schmiedete seinen ersten Spaten. Dann gab es Tee und Frühstück. Jetzt konnte der Arbeitstag dieses fleißigen Mannes richtig beginnen. Die Fehnbevölkerung benötigte Torfgrabegeräte wie Sticker, Jager und Settforken. Schmidtbaas Brunsema, sein Lehrling und sein Geselle ließen die Hämmer auf dem Amboß niedersausen, und der Klang der fleißigen Handwerker verbreitete sich über die Hauptwieke bis ins Hinterland.

Sonntagsidylle im Garten: Er darf sitzen, sie muß stehen. Ihr Ehering war später hauchdünn von der vielen Arbeit. Er in seinem Hemd ohne Kragen mit einer Pfeife aus Holland, die ihm sein ehemaliger Lehrling Drewes Riemeyer einmal von dort mitgebracht hatte. Auffällig die Schuhgröße 47, eine Sonderanfertigung! Foto etwa 1937.
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Sonntagsidylle im Garten: Er darf sitzen, sie muß stehen. Ihr Ehering war später hauchdünn von der vielen Arbeit. Er in seinem Hemd ohne Kragen mit einer Pfeife aus Holland, die ihm sein ehemaliger Lehrling Drewes Riemeyer einmal von dort mitgebracht hatte. Auffällig die Schuhgröße 47, eine Sonderanfertigung! Foto etwa 1937.

Alles hätte sich so gut weiterentwickeln können, wäre da nicht der erste Weltkrieg gekommen. Die drei Söhne Dirk, Johann und Klaas, die alle drei den Schmiedeberuf erlernt hatten, leisteten schon vorher ihren Militärdienst ab. Johann, der als Sanitäter die ganze Grausamkeit des Krieges kennenlernte, war der einzige, der die vier Jahre körperlich unbeschadet überstand. Seine ganze Hoffnung lag bei den Zwillingen Johann und Agate, die 1917 fast auf der gleichen Stelle geboren worden waren, wo vor dreihundert Jahren zum ersten Mal Zwillinge auf dem Rhauder-Wester-Fehn im Kirchenbuch eingetragen werden konnten.

Der Senior, Schmiedemeister Johann Dirks Brunsema, im Gehrock mit seinem wunderschön gewellten Handstock. Der Enkel Johann hatte von der Realschule einen Fotoapparat geschenkt bekommen als Auszeichnung für besondere Leistungen. Deshalb machte sich Opa so schick. Vater Johann - sie hießen alle Johann! - hielt das nicht für nötig, schließlich mußte er arbeiten. Auffällig sein schräg geknöpfter Arbeitsjumper. So konnten die Knöpfe bei der Arbeit nicht abreißen. Solch eine Arbeitsjacke mußte bei Textil-Aden extra bestellt werden. Foto um 1933.
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Der Senior, Schmiedemeister Johann Dirks Brunsema, im Gehrock mit seinem wunderschön gewellten Handstock. Der Enkel Johann hatte von der Realschule einen Fotoapparat geschenkt bekommen als Auszeichnung für besondere Leistungen. Deshalb machte sich Opa so schick. Vater Johann - sie hießen alle Johann! - hielt das nicht für nötig, schließlich mußte er arbeiten. Auffällig sein schräg geknöpfter Arbeitsjumper. So konnten die Knöpfe bei der Arbeit nicht abreißen. Solch eine Arbeitsjacke mußte bei Textil-Aden extra bestellt werden. Foto um 1933.

Allerdings war der Senior ein harter und knorriger Schmidtbaas geworden. Als sein Sohn Johann 1918 aus der Reichswehr entlassen wurde, waren harte Zeiten angebrochen. Zwar hatten zwei Töchter schon das Haus verlassen, aber vier Töchter warteten noch auf die Aussteuer. Wie sollte die Schmiede also jetzt zwei Familien ernähren können? Sohn Johann, der Sanitäter, mußte sich nach etwas anderem umsehen. Allerdings merkte "der Alte" schon bald, daß er allein die Schmiede auch nicht weiterführen konnte. Und so rauften sich die beiden dann doch endlich zusammen. Ab 1925 führte der Junior Johann Brunsema die Schmiede weiter. Seine Frau Antje, geb. Tebbens, führte die Bücher und den Haushalt.

Das Dritte Reich kam. Von Parteien und Krieg hatte J. Brunsema die Nase voll. Baas Kniptang blieb für sich. Nach dem Zusammenbruch war er eine kurze Zeit stellvertretender Bürgermeister und Standesbeamter. Die neue Zeit aber ging an ihm vorbei. Von einer Trecker- oder Autowerkstatt hielt er nichts. Die Kinder hatten andere Berufe erlernt. Und so blieb es eines Tages stumm in der Schmiedewerkstatt. Das Feuer in der Esse war ausgegangen.

Ein Foto aus der ,,guten" alten Zeit, noch vor Kriegsbeginn 1914 angefertigt von Lambertus Deepen. Links im Hintergrund steht wahrscheinlich der alte Färbermeister Deepen selbst. Daneben lehnt sich Lehrling Asjen Ulpts selbstbewußt an das kaputte Fahrrad. Das Fahrradgeschäft hatten die Söhne Dirk und Claas Brunsema aufgebaut. Im Hintergrund Hinrich Houtjes in voller Größe, dahinter Neffe Johann Lüken, der als zweiter Lehrling bei Brunsema das Schmiedehandwerk erlernte. Der halbe Frauenkopf im Hintergrund ist nicht mehr zu identifizieren. Dann also der Schmidtbaas selber mit der Hundeleine von ,,Bootsmann". Der Name des Jungen in der Mitte ist nicht bekannt. Ähnlich groß wie ihr Mann ist die Frau Meisterin Antje, geb. Lüken. Im Hintergrund die frisch angetraute Schwiegertochter Antje, geb. Tebbens, aus Ostrhauderfehn, vom Sohn Johann, der nicht mit auf dem Bild ist. Am rechten Bildrand die beiden Töchter Gesche und Baukeline.
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Ein Foto aus der "guten" alten Zeit, noch vor Kriegsbeginn 1914 angefertigt von Lambertus Deepen. Links im Hintergrund steht wahrscheinlich der alte Färbermeister Deepen selbst. Daneben lehnt sich Lehrling Asjen Ulpts selbstbewußt an das kaputte Fahrrad. Das Fahrradgeschäft hatten die Söhne Dirk und Claas Brunsema aufgebaut. Im Hintergrund Hinrich Houtjes in voller Größe, dahinter Neffe Johann Lüken, der als zweiter Lehrling bei Brunsema das Schmiedehandwerk erlernte. Der halbe Frauenkopf im Hintergrund ist nicht mehr zu identifizieren. Dann also der Schmidtbaas selber mit der Hundeleine von "Bootsmann". Der Name des Jungen in der Mitte ist nicht bekannt. Ähnlich groß wie ihr Mann ist die Frau Meisterin Antje, geb. Lüken. Im Hintergrund die frisch angetraute Schwiegertochter Antje, geb. Tebbens, aus Ostrhauderfehn, vom Sohn Johann, der nicht mit auf dem Bild ist. Am rechten Bildrand die beiden Töchter Gesche und Baukeline.

Fotos zur Verfügung gestellt von Agate Helling.

 

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