[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 26.11.1987

Wer bietet mehr für Rhauderfehner Brief?

Rätselauflösung

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Wer bietet mehr für Rhauderfehner Brief?

Rhauderfehn (H). - Am 5. Dezember d. J. wird in Bremen ein Brief versteigert, der heimatgeschichtlich hochinteressant ist. Es ist eine Ganzsache aus Oldenburg. Als ,Ganzsachen' bezeichnet man Karten und Umschläge, bei denen die Marke schon eingedrückt ist. Früher konnte man auf jedem oldenburgischen Postamt solch einen Umschlag mit Briefmarke kaufen.

1700 DM, so hoch ist der Ausruf für diesen Brief mit dem Westrhauderfehn-Stempel in blauer Farbe. Mehr Einzelheiten dazu lesen Sie im Innern unserer heutigen Ausgabe.

Wo die beiden Schiffer diesen Umschlag kauften, läßt sich heute nicht mehr sagen. Es kann auf einer Reise nach Barßel gewesen sein, denn das lag ja schon im Olden-burgischen. Er kann aber auch in Hoeksiel oder Burhave oder Brake gekauft worden sein. Unsere Schiffer kamen überall hin.

Das eigentlich Besondere an diesem Umschlag aus dem Oldenburger Land ist, daß er im damals hannoverschen Westrhauderfehn aufgegeben wurde, und der damalige Postvorsteher kein Nachporto erhob. Er kannte wohl seine Schiffer, die immer in Not waren, wenn sie ihre Post an Land loswerden wollten. Da hat er dann wohl beide Beamtenaugen zugedrückt und den Brief gleich der Oldenburger Post übergeben.

Noch eine Besonderheit müssen wir erwähnen: Der blaue Westrhauderfehn-Stempel aus der Hannoverzeit ist der einzige, der links herum läuft! Alle andern Zweikreisortsstempel der damaligen Zeit wie Leer, Stickhausen oder Weener laufen rechts herum.

Man sieht, dieser Umschlag ist in der Tat eine kleine Kuriosität. Soweit bekannt, gibt es keinen zweiten dieser Art.

Noch ein Wort zur Adresse:
Viele Leser haben sicherlich "Bremen" anstelle von "Wremen" gelesen. Wremen im Land Wursten liegt zwischen Bremerhaven und Cuxhaven an der Wesermündung. Der rückseitig angebrachte Ankunftsstempel "Dorum" beweist es, denn dieser Ort hatte das nächstgelegene Postamt (in Wremen gab es nur eine Posthalterei).

Wichtig für den Heimatgeschichtler bei diesem Los 305 der Internationalen Briefmarkenauktion ist die Tatsache, daß der Brief "mit Inhalt" angeboten wird. Hierzu eine kleine Erklärung: Alle Auktionshäuser schicken von ihren Losen Kopien gegen Kostenersatz. Die Leser des Fehntjer Kuriers sind also schon heute in der Lage, den Inhalt dieses Briefes zu kennen, obgleich er noch gar nicht versteigert ist.

Ende Juli 1862 diktiert ein Schumacher (oder Schoemaker?) diesen Brief. Der Schreiber macht erbärmlich viele Fehler, denn der Schiffer spricht viel zu schnell. Wenn er dann einen Satz auf platt wiederholt, benutzt er andere Wörter, und der Schreiber kommt völlig durcheinander.
Interessant, wie früh die Schiffer den Torf verkaufen wollten. Der konnte ja noch gar nicht trocken sein. Aber bei so weiten Reisen (den Küstenkanal gab es noch nicht!) über Leer, Emden, am Möwensteert vorbei, die Inseln südlich hinter sich lassend, und dann bei widrigen Winden in die Wesermündung - da mußte man früh anfangen, eine Ladung zu bekommen.

Heute fragen wir uns verwundert, ob solch eine weite und gefährliche Reise mit der Seetjalk denn wirklich so viel einbrachte, daß eine vielköpfige Familie davon leben konnte. Und wer seine Heimatkarte Ostfriesland mit dem angrenzenden Jeverland genau studiert hat, der fragt sich zudem, warum die Fehntjer Schiffer den Torf in eine Butjadinger Ecke lieferten, in der das Teufelsmoor oder das Ahlener Moor doch eigentlich vor der Haustür lagen.
Wir hoffen, daß wir unseren Lesern mit dieser Veröffentlichung ein kleines Adventsgeschenk ins Haus schicken konnten. Gern veröffentlichen wir Ihre Meinung zu diesem historischen Brief.

Rhauderwest Fehn d. 31. July 1862

Wertester Freund A. Hey Wremen
unser verabredung Gemäß Teile ihnen mit, daß jetzt die Torf Fertig ist um zu Laden ich hätte vieleicht etwas eher kommen kont aber diejenige Torf die ich Lade, war mir bis soweit nicht anständig, die Torf ist guth wie sie Selbst sehen werden,
nun Möcht ich Sie freundlich Bitten um diejenigen Die Mein Torf bekommen in kent-niß zu bringen und Ebenfals Grüsing auch jetzt Ladet nach Wremen Bis soweit hat er auch kein Gute Torf gehabt mächtig geworden könt
werden Eilen um hinzukommen hoffentlich mit Groze Stage hängt an wie das Wetter ab.
es Grüßet Freundschaftlich

E. H. Schumacher u. Grüsing

Übersetzung:
Westrhauderfehn, den 31. Juli 1862 An Herrn A. Hey in Wremen
Wertester Freund!
Verabredungsgemäß teile ich Ihnen mit, daß der Torf verladefertig bereitsteht. Ich hätte vielleicht eher kommen können, aber der vorgesehene Torf war noch nicht trocken genug. Jetzt ist er aber gut, wie Sie selbst sehen werden. Nun möchte ich Sie freundlich bitten, all denjenigen, die meinen Torf be-kommen, davon in Kenntnis zu setzen. Auch Grüsing hat jetzt schon Torf nach Wremen geladen. Vor-her hatte er auch keinen guten Torf gehabt. Wir werden uns beeilen, um bald hinzukommen. Hoffent-lich mit großer Takelage (vollen Segeln), aber das hängt vom Wetter ab.
Es grüßen freundschaftlich E. H. Schumacher und Grüsing

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Rätselauflösung

Rhauderfehn (H). Sicherlich haben viele unserer Leser mit großem Interesse die spannende Rätselauflösung bei dem alten Foto "Welche Wieke?" in unserer Ausgabe vom 12. November verfolgt. Falls nun noch ein Rest von Skepsis geblieben sein sollte, so möchte der Fehntjer Kurier diese Zweifel mit unserem heutigen Foto beseitigen. Auf die Rückseite hat Heiko Athen nämlich folgendes vermerkt: "Reproduktion einer Aufnahme der 1. Südwieke. - Ich nehme an, daß die Aufnahme etwa 1890 entstanden ist." Da müssen wir ihm Recht geben. Wir erkennen die hohen Eichen rechts vor dem Hagius'schen Zaun, und auch die Baumreihe hinter dem Haus links gleicht dem alten Bild von 1885. (In diesem Haus wohnte lange Zeit der Tierarzt Freesmann, der später nach Collinghorst verzog.) Typisch auch für ältere Fehntjer der Heuhaufen von Plümers Ecke: Der stand da "immer". Der Dreihpost auf unserem alten Foto von der Baustelle 1885 ist jetzt entfernt, er war ja überflüssig geworden durch die neue Ziehbrücke am (heutigen) Kreisel. Die beiden Herren rechts sind bis auf den heutigen Tag unbekannt geblieben, was beweist, das sie nur Staffage bei dieser "Composition" waren.



Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie, wenn Sie diesem Link folgen:
http://www.archiv-heinze.de/colonien/westrhfehn/postWF/postwf.html


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