Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
Da liegt sie nun, die zerstückelte Sau, auf dem Tisch des Hauses von Tischler Poelker in Langholt. Im Winter 1943/44 benötigte man eine Schlachtgenehmigung, was oft sehr viel Umstände machte. Wegen Schwarzschlachtens konnte man sechs Monate ins Gefängnis kommen, und solch ein Urteil ist mehr als einmal von "unabhängigen" Richtern ausgesprochen worden. Links Theo Poelker, in der Mitte Käti Tuitjer, geb. Poelker, dann der auf Urlaub aus Rußland gekommene Peter Poelker und rechts Hans Kalkhoff. |
Der Langholter Schützenverein schlachtete traditionsgemäß zum Winterfest ein Schwein (der Fehntjer Kurier berichtete am 17.Oktober darüber). Das aushängende Tier wurde gut bewacht von Wilke Knipper, der sogar sein Gewehr dabeihatte, wenn auch im Futteral. Die Janssen-Mädchen waren aber nicht auf den Kopf gefallen. Von innen ”öffneten sie leise das Fenster des Clubzimmers und schnitten den Steert ab, den Hildegard (hinter Marianne versteckt, rechts Hanne) stolz vorzeigt. Das war ein Spaß, daß der Wilke rein gaaar nix gemerkt hatte...! |
In der 3. Südwieke schneidet Schlachter Peter Platte das an der Leiter hängende Schwein auf. Links Sohn Hero Schöning, der Urlaub von der Front hatte, und rechts die Eltern Marie und Hinrich Schöning. Davor die 1939 geborene Mariechen Schöning, die zum ersten Mal mit wachsamen Augen an solch einem Schlachtfest teilnimmt. |
"Mensch, hast du Schwein gehabt", sagte mein Freund, als der Vorderreifen meines Wagens platzte und ich das Auto trotzdem ruhig, aber etwas schlingernd am Straßenrand abstellte. Mein Freund meinte natürlich, daß ich viel Glück gehabt habe. Und ich fragte mich nachdenklich: woher kommt denn das eigentlich, das Glücksschwein aus Marzipan mit dem vierblättrigen Kleeblatt im Maul? Da mußte ich erst nachlesen und habe herausgefunden, daß es früher beim Preisschießen guter Brauch gewesen sei, dem schlechtesten Schützen eine Sau als Trostpreis zu übergeben.
Damit sind wir bei einem eher unappetitlichen Thema. Wer beim Militär von einem "Saufraß" sprach, konnte leicht selbst zu einem "Saukerl" werden, der sich "saudumm" eine solche "Schweinerei" geleistet hatte. Im Französischen ist "cochon" sogar ein gemeines Schimpfwort für die Deutschen im allgemeinen! Nun wollen wir diese "säuische Sauerei" aber möglichst schnell wieder verlassen und uns erneut der menschlichen Rasse zuwenden.
Eigentlich ist der Mensch trotz seiner markanten Eckzähne kein echtes Raubtier. Wir sind mehr Pflanzenfresser und keine reinen Fleischfresser wie Löwe, Tiger oder Steinmarder mit ihren Reißzähnen. Der Mensch ist, wenn man sein Gebiß als Ausgangspunkt der Nahrungskette nimmt, mit seinen vielen Backenzähnen eher ein Vegetarier. Die Schneidezähne beißen ab und die Mahlzähne zermalmen die pflanzliche Nahrung. Sinnigerweise unterscheidet der Ostfriese ja auch zwischen Kusen und Tannen. Hier im hohen Norden hat man keine Zahnschmerzen, sondern "Kuuskellen".
Damit sind wir nun glücklich beim "Hauer" angekommen, dem waidmännischen Keiler mit seinen gefährlichen Eckzähnen, der die Bache und die vielen Frischlinge wachen Auges beschützt. Dieses Wildschwein mit seiner borstigen Schwarte gilt seit altersher als "schnell reizbar, rachsüchtig und grimmig". Im Ostfriesischen: "He schuumbeckde as'n Hauer, as he up mi daalkweem." Das Wildschwein stürzt sich furchtlos auf seinen Gegner, und so mancher mittelalterliche Jagdherr hat trotz der gewaltigen eisernen "Saufeder" (eine Art Spieß oder Speer) sein Leben lassen müssen durch solch ein wütendes Ungetüm.
Von diesem "Schwarzkittel" stammt unser Hausschwein ab. Wildschweine gab und gibt es nicht nur bei Obelix und Asterix. Sie waren einst in ganz Europa verbreitet. Daneben unterscheidet man noch eine asiatische Art "Sus indicus", von der es eine Menge Unterarten gibt wie das Pinselschwein, das afrikanische Warzenschwein, das japanische Maskenschwein, das indonesische Hängebauchschwein und wie die Rassen und Unterarten noch alle heißen. Nur in Australien soll das Wildschwein nicht vorkommen. Und wie das Dinosaurierschwein ausgesehen haben mag, das bleibt der Phantasie der Wissenschaftler überlassen.
Kommen wir zurück auf unser liebes Nuk-nuk-Hausschwein, das "als ein wohlfeil zu haltendes und einträgliches, besonders aber durch seine große Fruchtbarkeit wichtiges Haustier" geschätzt wurde. Mittlerweile hat man ihm zusätzliche Rippen angezüchtet, um noch ein paar Koteletts mehr zu bekommen. "He mutt noch eerst wat in de Michel hebben, ehr dat he an't Mess kann." Ob Biggen, Bargen, Dörloper oder Hauerbarg, gefräßig schmatzen sie die Abfälle auf, setzen leicht den früher so geschätzten Speck an und sind genügsam mit dem ihnen zugewiesenen Platz im Schweinekoben. Was wunder, daß der Ostfriese sie so liebt: "Een vör uns un een vör de annern", denn das zweite Schwein mußte das notwendige Bargeld ins Haus bringen. "Wenn de Peer riep is, fallt he of, un 't is hum nettgliek, of de Aardmutt (Zuchtsau) hum frett of de Hauer."
Hausschlachten bei Berta Buß im Holter Kolonistenstück. Willi Buß von der 1. Südwieke Westrhauderfehn hat das Tier auseinandergeschnitten, und nun stellt sich alles der Kamera. Eilert und Dini Webermann, die bei Berta wohnten, Heinrich van Koten, Feeke und Johann Buß sowie Fenna Buß geb. Letas und rechts Wilhelm Buß. Vorn links Frieda Buß mit Kinderwagen, mit Pudelmütze Gerhard Webermann und mit der Schleife Frieda van Koten aus Leer. |
Johann Janssen aus Breinermoor und Hemko Bloem aus Nettelburg waren fixe Hausschlachter, die sich während der Wintertage ein gutes Zubrot mit Auseinderschneiden und Wursten verdienten. Hier waren sie bei der Familie de Groot in Nettelburg, und Christel will gerade einen einschenken. |
Früher gab es bei den Krankenhäusern und Altenheimen fast immer eine Landwirtschaft, um die übriggebliebenen Essensreste zu verwerten. Hier füttert Bohle Tinnemeyer die Läufer des Reilstifts. |
Mit großen Augen schaut das Enkelkind an Oma Luzies Hand zu, wie Johann Janssen und Hemko Bloem das Schwein von seinen Borsten befreien. Christel de Groot sorgt für heißes Wasser, und irgend jemand muß ein nettes Döntje erzählt haben, denn alle sind mit Fröhlichkeit bei der Arbeit. |
Mit heißem Wasser werden die Borsten abgebrüht und abgeschrabbt. Links Hero Schöning, unbekannt, Schlachter Peter Platte, Luise Schöning, die Eltern Hinrich und Marie Schöning sowie Frau Bohlmann. |
Zur Verfügung gestellt von Christel de Groot, Wilhelm Lalk, Peter Poelker, Bohle und Frieda Tinnemeyer, Hildegard Weber und Marianne Welp.
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