Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
Vispelings Boom, Collinghorst. An diesem traditionellen Versammlungsbaum hat sich im Herbst die Schuljugend für ein Foto aufgestellt. Die beiden Jungen mit den Mützen in der Mitte könnten Johann Lühring und Peter Siebrands sein, daneben vielleicht Menno Kramer, Später Ostrhauderfehn. Am 7.Mai 1922 fand dort dann die Einweihung des Kriegerdenkmals statt. Es soll von Wessel Hoek und seinem Vater und Onkel aus Findlingen aufgebaut worden sein. Der heutige Straßenname "Wispelins Kamp" hat nichts mit einer Wespe = Wispel zu tun und leitet sich auch nicht von wispelen = flattern, wedeln ab (vergleiche das holländische Wort kwispel = Quast). Nach Heinrich Roskam kommt "Vispeling" von "vis justa", der lateinischen Bezeichnung für einen symbolischen Ort, an dem weltliche Verordnungen für die Dorfbevölkerung verkündet wurden. |
Zur Verfügung gestellt von Hermann Junker, Königskiel
Seit Ende Oktober sieht man in den Gärtnereien Gestecke und Blumengebinde, die im Hinblick auf die "stille Woche" überall angeboten werden. Für den Volkstrauertag und den Totensonntag werden in ganz Deutschland die Gräber und Denkmale hergerichtet und geschmückt. Überall ist geschäftiges Treiben auf den Friedhöfen. Das Gedenken an die Verstorbenen hat Vorrang vor all den anderen aktuellen Tagesproblemen.
Irgendwie beruhigt es die Menschen, wenn sie die Grabstelle eines nahen Anverwandten pflegen können. Sie halten Zwiesprache mit jemandem, von dem sie wissen, daß er jetzt in einer anderen Welt "lebt". Dadurch wird der Tod nicht zu einem endgültigen Schlußpunkt. Vielmehr wird der Vorgang des Sterbens mehr zu einem Übergang von einer Daseinsebene in eine andere.
Der Friedhof mit seinen Denkmälern hilft uns, an die Verstorbenen zu denken. Zwar bestehen viele unserer derzeitigen Grabstelen oft recht einfältig aus schwarzem Kunstmarmor mit goldenen Buchstaben, aber es gibt auch Friedhöfe mit sehr schönen alten Grabdenkmälern, die das große handwerkliche und künstlerische Können der Steinmetzen beweisen.
Besonders schöne Denkmäler aus froheren Zeiten stehen mittlerweile auch schon unter Denkmalschutz. Wir kennen nicht nur die barocken, oft pittoresken Steinmetzarbeiten in den Kirchen, sondern auch einfach gehauene Steinsargdeckel aus dem Mittelalter, die auf Bischofsgrüften oder Gräbern anderer hochgestellter Persönlichkeiten lagen. Auch die Römer und Griechen kannten die beschrifteten Grabstelen, und von den Ägyptern ist jedem bekannt, daß die berühmten Pyramiden nichts anders als Grabdenkmäler sind.
In Europa kennen wir die riesigen Hünengräber, die im Laufe der Zeit leider oft zerstört wurden. In Ostfriesland gibt es noch solch ein megalithisches Ganggrab bei Tannenhausen im Landkreis Aurich. Immer wieder hat man sich gefragt, wie unsere Vorfahren diese tonnenschweren Findlinge auf die Trägersteine geschoben haben, denn Kräne oder andere Hebehilfsmittel gab es am Ende der Jungsteinzeit noch nicht. Wenn wir uns vorstellen, daß für das Hünengrab bei Kleinenkneten im Oldenburgischen wenigstens 280 Tonnen Granit verbraucht wurden, so entspricht diese Zahl einem Eisenbahnzug mit vollgepackten 19 Waggons! Eine Lokomotive oder ein Lokomobil gab es vor 4000 Jahren aber auch noch nicht. In diesem Jahr 1991 ist man dabei, das Großsteingrab bei Utarp im Landkreis Wittmund näher zu untersuchen und zu berechnen.
Neben den Sippenbestattungen in Hünengräbern in der Zeit etwa um 2000 Jahren vor Christi Geburt gab es aber auch schon Einzelbestattungen in Flachgräbern. Hier wurden die Toten zumeist in seitlicher Hocklage beerdigt, Männer und Frauen verschieden, und es gab auch reichhaltige Grabbeigaben. Es ist die Zeit der Schnurkeramik und der Streitaxtkultur. 1965 fanden die Archäologen bei einer Rettungsgrabung in Logabirum solch eine Grabgrube mit zwei verzierten Tonbechern sowie einem Felsgesteinsbeil, und 1980 fand man in Wiesens bei Aurich eine Grabgrube der Schnurkeramiker mit einer zeittypischen Steinaxt.
Waren bislang die verzierten Tongefäße nur gefüllte Grabbeigaben der mittlerweile seßhaft gewordenen Menschen während der Jungsteinzeit (4.500 bis 1.800 vor Chr. Geb.), so entwickelte sich danach eine andere Art der Bestattungskultur in unserem Raum: Die Toten wurden auf Scheiterhaufen verbrannt. Dabei gab es verschiedene Rituale: Entweder kamen nur die übriggebliebenen Knochen in eine Urne, oder zweitens, es wurde der gesamte Ascherest in die Urne geschüttet, oder drittens der gesamte Aschrest wurde in einer Grube begraben und ein Urnengefäß danebengestellt.
Viele Fragen gilt es noch zu klären über das Leben unserer ostfriesischen Vorfahren während der Bronzezeit. Von der Jungsteinzeit bis zur vorrömischen Eisenzeit gab es so viele umwälzende Erneuerungen im Kulturleben in unserer Region, daß der Platz hier gar nicht ausreicht, auch nur annähernd eine Übersicht zu geben. Ganz in unserer Nähe, nämlich auf dem Friedhof in Collinghorst wurde am 13. Juni 1990 ein 20 cm hoher sogenannter Rauhtopf mit geglättetem Wellenrand ausgegraben. Diese Urne mit ungefähr 500 Gramm Leichenbrand stammt etwa aus dem 6.Jahrhundert vor Christi Geburt. Der gleichzeitige Fund einer Streitaxt weist darauf hin, so erklärte der Leiter des Archäologischen Forschungsinstituts in Aurich, Wolfgang Schwarz, M.A., daß auf dem Collinghorster "neuen" Friedhof schon vor Jahrtausenden eine neolithische und bronzezeitliche Begräbnisstätte bestanden hat.
Die Menschen jener Zeit hatten die trockenen und flachen Geestsandrücken besiedelt. An deren Rändern befanden sich Niederungen mit Bruchwald, in denen sich die jagdbare Tierwelt tummelte. Mittlerweile haben unsere benachbarten niederländischen Archäologen festgestellt, daß sich in jenen Jahrhunderten eine antropogene ökologische Katastrophe angebahnt hat. Ähnlich wie heute beim wilden Abbau der Regenwälder haben unsere Vorfahren auf diesen trockenen, sandigen Siedlungsgebieten extensiven Raubbau getrieben, bis kein Humus mehr da war. Dann wanderten sie zu benachbarten Siedlungsarealen, um anschließend wieder eine Sandwüste zu hinterlassen. Hier hatte der Wind Zugriff auf die Wehsande, so daß immer neue, unfruchtbare Dünen entstanden. Erst im Mittelalter konnten die Geestrücken wieder landwirtschaftlich genutzt werden.
Wenig können uns die Toten aus den Gräbern jener Epochen erzählen. Noch waren die Schriftzeichen nicht bis nach Ostfriesland gekommen. Doch die verschiedenen Verzierungen auf den Tongefäßen unserer Vorfahren berichten dem archäologisch geschulten Fachmann zusammen mit anderen Funden über ein immer verfeinertes Leben auf der Geest und an den Moorrändern.
Ein sehr altes Foto von der Steenfelder Kirche und den liebevoll aufgestellten Staketten. Links ist noch der Später abgerissene Vorbau zu erkennen und rechts "fehlt" die Verlängerung des Kirchenschiffs um ein Fenster (etwa um 1890 ausgebaut). |
Archiv Gem. WOL, Dias Nr.8225
Das Gräberfeld neben der Steenfelder Kirche. Im Vordergrund verläuft eine Grabeinfassung schräg und "schief". Es soll das Grab eines Selbstmörders gewesen sein. Pastor Strackholder wollte nie eine Begradigung zulassen. Erst unter Pastor Vetter wurde diese Grabeinfassung den anderen parallel angeglichen. Früher wurden solche und andere außergewöhnliche Fälle hinter den Kirchhofsmauern beerdigt. |
Zur Verfügung gestellt vom Archiv Gem. WOL,, Dias Nr.8219, Junker/Bleeker.
Die Collinghorster Urne, welche im Sommer vorigen Jahres von Rudolf Voskamp auf dem "neij Kamp", dem neuen Friedhof gefunden wurde, wird im Band XIV der "Archäologischen Mitteilungen aus Nordwestdeutschland", der Ende dieses Jahres in Oldenburg erscheint, ausführlich beschrieben. Bei weiteren Funden ähnlicher Art wende man sich unbedingt an die Ostfriesische Landschaft, Tel. 04941/1799/ 32 oder 29.
Zur Verfügung gestellt von der Ostfr. Landschaft, Abt. Archäologie
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