[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 14.11.1991


 

Dramatische Rettungsaktion im Morgengrauen


 

Blick auf das Heck der "August Nebelthau" mit Motormann Veen am Ruder. Daneben Vormann Lüken.


 

Die Besatzung der "August Nebelthau", von links nach rechts: E. Wybrands, H. Elderts, H. Lüken. K. Eltze, B. Veen, J. Lübben und W. Glochnam. Vormann Hans Lüken und Motormann Veen erhielten für die hier geschilderte Rettung und die im Dezember des gleichen Jahres durchgeführte Rettung von 16 Mann des Loggers "Luise Henriette" (Kapitän Wilhelm Hanneken berichtete ausführlich am 16.11.89 im Fehntjer Kurier) die silberne Medaille der "Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger". Am 28.November 1940, also vor 51 Jahren, blieb Vormann Hans Lüken mit seinen fünf Kameraden bei einem Rettungsversuch mit dem neuen Motorrettungsboot "Hindenburg" auf See und kam nicht mehr zurück.


 


 

Wieder scherte das Rettungsboot unter Leeseite am Wrack vorbei


 

Einer der vielen Rettungsmänner der "Deutschen Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger", die Tag und Nacht bei Sturm und Gewitter bereitstanden, in Seenot geratene Schiffsmannschaften aus ihrer oft lebensgefährlichen Lage zu retten.


 

Am andern Morgen, es war mittlerweile Donnerstag, stellten die Helfer erschreckt fest, daß die "Elise Schulte" sich einmal um sich selbst gedreht hatte und etwa 200 Meter östlich abgedriftet war. Das Schiff bebte in allen Fugen und war von den mitternächtlichen Grundseen immer wieder hart aufgesetzt worden. Die Brecher, die den Dampfer mit einer riesigen Wolke von Gischt umhüllten und die immer wieder über Bord schlugen, rissen alles hinweg, was nicht niet- und nagelfest war.

Was war in der vergangenen Nacht geschehen ? Bei dem letzten Bergungsversuch am späten Abend hatte man unter einem Kessel wieder Feuer gemacht, um die Rettungsversuche der Schlepper mit eigener Kraft unterstützen zu können. Doch bei dem harten Aufschlagen des Schiffsrumpfes gingen plötzlich Maschine und Kessel hoch, die Dampfrohre rissen und das ganze Schiff wurde zusätzlich in eine Dampfwolke eingehüllt. Glücklicherweise hatte sich das Maschinenpersonal bereits in Sicherheit gebracht, so daß bei diesem Unfall in der Dunkelheit niemand zu Schaden kam. Dann aber wurde durch einen riesigen Brecher die Luke 4 eingehauen. Auch diesmal gab es keinen Personenschaden, weil sich die Mannschaft vorne im Salon versammelt hatte, alle mit Schwimmwesten ausgerüstet.

Gegen 22 Uhr 30 gab es plötzlich einen fürchterlichen Knall! Der Dampfer war mittschiffs geborsten! Nun hatten alle Bergungsversuche keinen Sinn mehr. Von Bord aus wurde SOS gefunkt. Die Mannschaft mußte bange Stunden in der stürmischen See mit den haushohen Wellen überstehen. Trotz der Dunkelheit konnten alle erkennen, wie im Dampfer das Wasser unaufhaltsam in die Höhe stieg. Ununterbrochen hauten die Brecher über das wehrlos Wrack hinweg. Krachend kam von oben die Antenne herunter. Das Deck war ein einziger Trümmerhaufen.

Gegen zwei Uhr in der früh des Donnerstags traf das Motorrettungsboot "August Nebelthau" an der Unfallstelle ein. Es war stockfinstere Nacht. Der Nordweststurm hatte eine Stärke von wenigstens 6 - 7.Der Vormann entschloß sich, bei diesem tosenden Wetter während der Dunkelheit auf offene See zu gehen und erst im Morgengrauen bei Niedrigwasser die Rettungsversuche der Dampfermannschaft zu versuchen.

In der Frühe gegen 5 Uhr 30 versuchte die "August Nebelthau", an das Wrack der "Elise Schulte" heranzukommen. Die Besatzung des Dampfers hatte Oel zur Beruhigung der See über Bord gegossen. Immer wieder scherte das Rettungsboot unter Leeseite an dem Wrack vorbei, bis es endlich festmachen konnte. Mann für Mann wurde übernommen. Auch ein Bordhund, an zwei Leinen festgeschnürt, wurde übernommen. Als letzter Mann verließ der Kapitän Lambertus Reents das Wrack. Wer bisher noch nie seekrank geworden war, der konnte es jetzt lernen. Manchmal stand das kleine Rettungsboot fast senkrecht zwischen zwei haushohen Wellentälern.

Gegen neun Uhr brachte das Rettungsboot die 33 Mann starke Besatzung, die nur ihr nacktes Leben retten konnte, auf Borkum-Reede an Land. Dort durfte sie sich für kurze Zeit erholen und stärken. Nach anderthalbstündigem Aufenthalt konnten die Geretteten mit dem hier stationierten Marineboot "U.Z.32", welches zufällig eine Fahrt nach Emden durchführen mußte, zum Festland gebracht werden. "Mit dankerfülltem Seemannsherzen", so ein damaliger Zeitungsbericht, verabschiedeten sich die Seeleute von der tapferen Besatzung des tüchtigen Rettungsbootes.

Der Dampfer versandete eigentlich sofort nach dem Auflaufen am Montag abend. Im Laufe des Donnerstags war das Wrack bereits soweit versunken, daß gegen elf Uhr die See schon über das Hinterdeck hinwegging. Vom Borkumer Strande aus konnte man beobachten, wie die "Elise Schulte" ganz allmählich absackte. Es würde nur noch wenige Tage dauern, bis der Erzfrachter sein Grab in der Nordsee gefunden habe, hieß es damals in einem zeitgenössischen Bericht.

Wohl recht selten, so die einhellige Meinung der damaligen Schiffahrtexperten, ist es in der Geschichte des deutschen Rettungswesens vorgekommen, daß eines ihrer Boote eine solche große Anzahl von Menschen auf einmal (!) aus Seenot gerettet hat. Immerhin mußten alle dreiunddreißig Seeleute der "Elise Schulte" in dem kleinen Rettungs-Motorboot neben der Rettungsmannschaft Platz finden ! Diese großartige Rettungstat wird wohl aus dem Munde der Geretteten und aller andern Beteiligten bestimmt die gebührende Anerkennung erfahren haben


 

Über diesem Foto steht: "Der 11 000 t Dampfer "Elise Schulte" mit Erzladung Anfang Okt. 1934 auf dem Juister Riff gestrandet und zerbrochen." Es gibt auch noch Fotos von der Bruchstelle mittschiffs, die aber wegen des dunkel-herbstlichen und stürmischen Wetters nicht sehr kontrastreich sind. Das Wrack der "Elise Schulte" diente später der Marine als Ziel für die vorgeschriebenen Schießübungen auf See.


 


 

 [ Zum Seitenanfang

[ Zurück zur Übersicht aller Artikel des Fehntjer Kuriers 1991 ] [ Zurück zur Bildübersicht Fehntjer Kurier 1991 ]


[ Home ]
Hilfen ] [ Publikationen ] [ Aktuelles ] [ Overledingerland ] [ Zeitungsartikel ] [ Links ][ Startseite ]