[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 07.11.1991

 

 


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Gegen 8.30 Uhr knirschte es plötzlich fürchterlich

 

 Kapitän Lambertus Reents mit einem Teil seiner Mannschaft an Bord der "Elise Schulte". Links sitzend der 1.Steuermann Hermann Weers aus Ostrhauderfehn und rechts Papa Henken aus Papenburg. Natürlich durfte der Bordhund "Harras" mit aufs Bild.

 

Das Einschrauben-Motorrettungsboot "August Nebelthau" war auf Borkum stationiert. Unter Vormann Hans

 Lüken hat es so manche Sturmnacht draußen auf See verbracht, um gefährdete Menschenleben zu retten.

 


 

Bei nächtlichem Hochwasser versuchten Schlepper, den Dampfer freizubekommen

 

 

 

Die "Seemannsmutter" Lydia Norell schrieb 1944 auf die

 Rückseite ihres Fotos: "Ich trage hier das Abzeichen der

deutschen Evangelischen Seemannsmission." Zehn Jahre

 vorher, also im Jahre 1934, besuchte sie von Schweden aus

 Deutschland und fuhr sogar bis nach Ostrhauderfehn, wo

 sie bei der Familie von Kapitän Lambertus Reents herzlich

 aufgenommen wurde. Zusammen unternahm man Ausflugs-

fahrten ins Moor, wo u.a. auch das Reichsarbeitsdienstlager

 "Fokko Ukena" in Klostermoor besuchte wurde.

 

 

Der schöne Dampfer, ein 1911 auf einer italienischen Werft gebautes und "Armando" getauftes Schiff, erhielt 1927 nach Verkauf und Flaggenwechsel den Namen "Elise Schulte". Er fuhr unter dem Ostrhauderfehner Kapitän Lambertus Reents im Auftrage der Emder Reederei Schulte & Bruns Tag für Tag, Woche für Woche und Monat für Monat die Erzfrachten vom schwedischen Hafen Lulea nach Emden. Natürlich gab es die vorgeschriebenen Inspektionen bei einer Werft, so daß Kapitän und Mannschaft sich ein bißchen erholen konnten, aber dann wurden die Kessel wieder angeheizt und erneut ging die Fahrt hinauf in die nördliche Ostsee.

Kapitän Reents schrieb in seinem Brief nach Hause: "Mit diesem Schiff treiben wir nicht so leicht auf den Strand." Er wußte, wie gefährlich die Fahrt längs der Ostfriesischen Inseln war. Steuerbord voraus mußte die Oster-Ems-Tonne liegen, wenn man am Juister Riff, der Oster-Ems und dem Borkumriff vorbei zur Wester-Ems wollte. Trotz Markierungen und Leuchtfeuern konnte ein Schiff bei Dunkelheit leicht aus dem Fahrwasser abgetrieben werden. Bei schlechtem Wetter war es gar nicht so einfach, um die Geldsack-Plate herum "die Kurve zu kriegen", um die Wester-Ems mit dem Lichtstrahl des Großen Borkumer Leuchtfeuers zu finden, damit man über den Randzelgat in die Außenems und den Dollart bis zur Großen Seeschleuse vor Emden kam.

Im Oktober 1934 befand sich die "Elise Schulte" mit einer Ladung von fast 8.000 Tonnen Eisenerz im Bauch auf der Fahrt von Lulea nach Emden. Am Montag morgen, es war der 8.Oktober, herrschte diesiges und regnerisches Wetter. Der Dampfer war auf der Höhe der Insel Juist angekommen. Gegen 8 Uhr 30 knirschte es plötzlich fürchterlich. Die "Elise Schulte" war auf das Juister Riff aufgelaufen.

Kapitän Reents versuchte mehrfach, das Schiff mit eigener Dampfkraft wieder freizukommen. Mittlerweile war die Strandung von Borkum aus bemerkt worden. Man alarmierte den Seenotrettungsdienst. Mit dem Einschrauben-Motorrettungsboot "August Nebelthau" rückten Vormann Lüken, Motormann Veen und die fünf Mann Besatzung aus. In ihrem Bericht heißt es: "Um 12 Uhr 30 erhielt ich telefonisch Nachricht, daß auf dem Juister Riff ein Dampfer gestrandet sei. Um 13 Uhr lief das Rettungsboot aus dem Hafen.

Wir nahmen bei unsichtigem Wetter Kurs Strandgat. Nachdem wir die Bauerplaten passiert hatten, sichteten wir den Dampfer in Höhe 0.2 auf dem Juister Riff. Der Dampfer hatte keine Signale gesetzt. Zwei Stunden vor Hochwasser war er bei unsichtigem Wetter auf dem Juister Riff aufgelaufen. Um 14 Uhr 50 legten wir längsseits des Dampfers. Da keine Gefahr für die Besatzung bestand, traten wir um 18 Uhr die Rückreise an. Kapitän Reents bat mich, zwei Passagiere, einen Herrn und eine Dame, mit an Land zu nehmen. Um 20 Uhr 30 überholten wir vor Borkum einen nach Emden fahrenden Schleppzug, dessen Führer sich bereit erklärte, die Passagiere mit nach Emden zu nehmen. Um 20 Uhr 50 liefen wir wieder in den Borkumer Hafen ein."

Neben dieser Aktion des Seenotrettungsdienstes hatte es auf See vergebliche Versuche gegeben, die "Elise Schulte" freizuschleppen. Von Emden aus waren die Emder Schlepper "Peter Wessels" und "Norderney" ausgelaufen. Sie gelangten gegen 17 Uhr zur Unfallstelle. Da die große Gefahr für den Erzdampfer bei den Verantwortlichen sofort erkannt wurde, hatte man die Hamburger Bugsierreederei gebeten, weitere Schlepper zur Hilfeleistung ausfahren zu lassen. Gegen 18 Uhr trafen vor dem Juister Riff die Schlepper "Seeteufel", "Hermes", "Simson" und "Seebär" ein.

Bei Hochwasser in der Nacht von Montag auf Dienstag versuchten die beiden Emder Schlepper, die "Elise Schulte" freizuschleppen. Die gefährliche Arbeit bei stockdunkler Nacht mißlang. Der Erzdampfer saß wie festgeklebt auf dem Juister Riff fest. In den Morgenstunden des Dienstags wurde das Wetter schlechter. Bei Ebbe war es zwecklos, irgendwelche Rettungsversuche zu unternehmen. In dem aufkommenden Wind ächzte und krachte das Schiff in allen Ecken und Kanten. Es bestand die Gefahr, daß die heißen Dampfrohre platzten. Kapitän Reents ließ die Feuer aus den vier Kesseln herausreißen. Die "Elise Schulte" war jetzt den aufkommenden stürmischen Elementen des Windes und der Grundseen hilflos ausgeliefert.

In der Nacht von Dienstag zum Mittwoch wollte man bei Hochwasser noch einmal alles versuchen. Mittlerweile hatte ein starker Nordweststurm eingesetzt mit Böen um Windstärke 8 bis 10. Fünf Schlepper versuchten, den Erzdampfer vom Riff zu ziehen. Aber nur dem "Hermes" gelang es, am havarierten Schiffe eine Trosse festzulegen. Alle Anstrengungen der anderen Schlepper, weitere Verbindungen herzustellen, waren der hohen See wegen zum Scheitern verurteilt.

Da keine Aussicht bestand, daß die "Hermes" allein die "Elise Schulte" aus ihrer unglücklichen Lage befreien konnte, ließ diese alsbald von ihrem Vorhaben ab und kappte die Trosse, um sich bei der ungünstigen Witterung nicht selbst zu gefährden.

Fortsetzung folgt.

 

Im Ruderboot sitzt Georg Reents (an den Riemen) mit seinem schwedischen Austauschschüler

Nils Wykmann. Es dürfte wohl das einzige Mal gewesen sein, daß solch ein Schüleraustausch

zwischen Schweden und Ostrhauderfehn stattgefunden hat. Nach dem Kriege besuchte Nils noch

manches Mal die Fehntjer Kapitänsfamilie. Heute allerdings könnte er auf der 1.Ostwieke nicht mehr

rudern, weil dort der Grünstreifen neben der Hauptstraße entlangläuft. Links das ehemalige Haus von

Bohle Tinnemeyer.

 

 

Die "Elise Schulte" vor der Abfahrt nach Hamburg abends 9 Uhr" steht auf der Rückseite dieses Fotos, daß Pfingsten 1934 aufgenommen wurde.

 

 

 

Karten-Ausschnitt von der Strandungsstelle der "Elise Schulte"

 

 

 

Dieses Foto von einer Feier wurde am 17.August 1949 in der schwedischen Seemannsmission

von Oxelösund aufgenommen. Tante Lydia (Mitte) schickte es "mit den besten Neujahrsgrüßen"

an die Kapitänsfamilie L. Reents in Ostrhauderfehn, mit der sie freundschaftlich verbunden war.

 

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