Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
,,Nicht freimachen, Porto bezahlt der Empfänger!" steht auf dieser gebührenpflichtigen Dienstsache, die Molkereidirektor Oskar Buchwald an das Statistische Reichs-amt in Berlin schickte. Dieser Brief erhielt einen roten Nachgebührstempel sowie einen Bleistlftvermerk, daß 12 Pfennige Nachporto in Berlin zu kassieren sind. Es Ist der bislang einzige Brief mit dem nachgewiesenen Landpoststempel ,,Heubrücke über Stickhausen-Velde (Ostfriesl.)", den ich 1990 auf einer Auktion ersteigern konnte. |
Einschreibbrief der Flüchtlingsfrau Berta Land, die im Saal der Gastwirtschaft Jan Uden Schmidt provisorisch untergebracht war. Der Brief erhielt in der nach Kriegsende bei Schuhmachermeister Georg Gehring eingerichteten Poststelle den Landpoststempel ,,23 Langholt über Stickhausen-Velde". Erst im Postamt beim Bahnhof Stickhausen-Velde bekam der Brief seinen unbedruckten Noteinschreibzettel, in den der Postbeamte den offiziellen Aufgabeort einstempelte. Sodann wurde die Briefmarke am 9. Dezember 1948 mit einem alten Poststempel entwertet, der noch keine Postleitgebietszahl ,,23" enthielt. |
Am 29. Oktober geht die Posthalterin Etta Buchwald in den verdienten Ruhestand. Die Poststation ,,Langholt“ in der Rhauderfehner Kirchstraße wird aber nicht aufgelöst, wie das häufig bei anderen kleinen Poststellen in der Vergangenheit üblich war. Sie bleibt das Rhauderfehner Unikum mit der Nr.3, einer Poststelle im westlichen Teil des Dorfes Langholt, die schon vor über 160 Jahren an die Rhauderfehngesellschaft abgetreten wurde, damit dort eine katholische Kirche gebaut werden konnte. Nun wird der eine oder andere fragen: Seit wann gibt es denn eine Poststelle in Langholt? Die Antwort ist gar nicht so einfach, weil sich bislang noch niemand mit der Postgeschichte der Dörfer im Overledingerland richtig beschäftigt hat.
Obgleich Langholt mit seiner ehemaligen Klosterkirche zu den ältesten Ortschaften in unserem Gebiet zwischen Jümme, Ems und den angrenzenden Mooren gehört, hat es doch erst recht spät eine Poststelle bekommen. Dabei ist die Formulierung ,,eine Poststelle" falsch, denn so wie auf Langholts Grund und Boden zwei Kirchen stehen, so hat man hier 1933 auch zwei Poststellen eingerichtet.
Die eine Poststelle wurde bei Jan Uden Schmidt eingerichtet. Das ist die spätere Gaststätte ,,Kaiserkrug", über die wir bereits berichtet haben. Jan Uden Schmidt hat einen langes Stammbaum, der sich über Holte wieder zurück nach Langholt nachweisen läßt. Kurz vor der Jahrhundertwende hat er im Jahre 1895 von Johann Griepenburg das Haus mit der Schankerlaubnis in Langholt beim ehemaligen Kloster übernommen.
Aus dieser Gaststätte der ehemalig weit verzweigten Familiendynastie Griepenburg wurde nun ,,Jan Uden Schmidt", ein Begriff, der sich über zwei Weltkriege hindurch hielt. In ihr wurde 1933 im Zuge einer flächendeckenden Postversorgung eine Poststelle eingerichtet, die den länglichen Landpoststempel ,,Langholt" mit dem Zusatz ,,über Stickhausen-Velde"erhielt. Später kam dann noch die Postleitgebietszahl ,,23" hinzu.
Die heute fast 81jährige Gebke Heidergott, Tochter des Jan Uden Schmidt und der Fenna Stumpe, kann sich noch gut entsinnen, wie sie morgens um 10 Uhr die Post sortieren mußte, die von Stickhausen aus mit dem Kraftomnibus in die kleine Postkammer nach Langholt gebracht wurde. Dann hing sie sich die lederne Tasche um und ging zu Fuß ins Utende, ins Moor und bis Berghaus, um die Postkarten, Briefe und Zeitungen ihren Empfängern zuzustellen.
Die meiste Arbeit hatte die Familie Jan Uden Schmidt aber mit dem ,,Öffentlichen Fernsprecher". Zwar war die Einrichtung des Telefons umsonst, und der Gastwirt brauchte auch keine Grundgebühr für den Apparat zu bezahlen, aber diese nervigen Anrufe zu unmöglichen Zeiten waren manchmal doch recht belastend. Wenn die Ferkel- und Schweinepreise gesunken waren, rief der Aufkäufer aus Apen an, und schon mußte ein Kind zum Viehhändler Knipper laufen, damit der über die gesunkenen Schweinepreise Bescheid wußte. Oder wenn im Winter noch spät abends ein Schiffer, Steuermann oder Kapitän anrief, daß er am nächsten Tag in Emden, Bremen oder Cuxhaven ein paar Tage Aufenthalt habe, dann mußte eine der Jan-Uden-Schmidt-Töchter durch den dunklen Buschkamp bis hinauf zum Bargkamp, um der Schifferehefrau diese Mitteilung zu überbringen.
Gebke Schmidt übergab das Amt als Langholter Posthalterin nach ihrer Heirat an ihre Schwägerin Stientje. Diese verwaltete zusammen mit Oma Schmidt die Poststelle während des ganzen Zweiten Weltkrieges bis zum Zusammenbruch 1945.
Wie oben schon erwähnt, ist Langholt nicht nur politisch, sondern auch konfessionell ,,geteilt". Das mag der Grund dafür gewesen sein, daß sich das Reichspostministerium in Berlin dazu entschloß, in dem kleinen ostfriesischen Dorf Langholt zwei Poststellen einzurichten. Jawohl, zwei Poststellen! Es dürfte weit und breit wohl kaum noch ein anderes Dorf geben, das eine ähnliche Kuriosität aufzuweisen hat. Glücklicherweise hatten die hohen Herren in Berlin damals noch keinen Zahlenfimmel wie heute (wer kennt schon ,,Rhauderfehn 9"?). Sie benannten die zweite Langholter Poststelle gegenüber der katholischen Kirche auf dem an die Rhauderfehngesellschaft vertauschten Grund und Boden ,,Heubrücke".
Im Jahre 1933 also wurde bei dem Kaufmann und Gastwirt Bernhard Thoben diese Poststelle mit dem urigen Namen eingerichtet. Auch hier wurde, ähnlich wie bei Jan Uden Schmidt, eine kleine Kammer mit einem Tisch, Stuhl und Kanonenofen versehen. Und natürlich mit einem ähnlichen Stempel, aber diesmal eben mit ,,Heubrücke über Stickhausen-Velde". Und natürlich erhielt auch Berni Thoben einen ,,Öffentlichen Fernsprecher". Wenn die Wege im Winter oder Frühjahr gar zu schlammig waren, wurde die Post von Burlage im Auftrag von Ella Harders mit einem Pferd bis nach Heubrücke gebracht, damit der schwer schlingernde Kraftomnibus nicht zu spät zur Bahnstation Stickhausen-Velde kam.
Nach Kriegsende 1945 wurden beide Langholter Poststellen aufgelöst Die wenigen Unterlagen und die neuen Notbriefmarken kamen zu Schuhmachermeister Georg Gehring an die Ecke Mühlenstraße gegenüber der Gaststätte Pieper. Hier blieb die Langholter Post sieben Jahre lang. Dann kam sie wieder zu Thobens. Nun gab es keinen Unterschied mehr zwischen Heubrücke und Langholt. Die neue Zelt begann. Aiex Thoben bekarn die Auflage, sein ,,Postbüro" in der Gastwirtschaft zu modernisieren. Da meinte der Vater, er könne genausogut gleich im Garten nebenan ein neues Haus mit einliegender Poststelle bauen. Der alte Briefkasten wurde provisorisch am Neubau aufgestellt. Jahrelang fuhr Alex die Post aus, und seine Frau Rosa saß am Schalter. Dann übernahm Etta Buchwald dieses Amt. Nun geht auch sie in den wohlverdienten Ruhestand.
Der Sonderumschlag zeigt eine rückwärtige Ansicht der Hahnentanger Mühle. |
Die Gaststätte Thoben in der Kirchstraße erhielt 1933 die Poststelle „Heubrücke“. |
Zum 10jährigen Bestehen des Langholter Briefmarkenvereins wurde in der Gaststätte „Kaiserkrug“ (ehemals Jan Uden Schmidt) der erste Sonderstempel des kleinen Dorfpostamts Langholt von Poststellenleiter Alex Thoben auf die Sonderbriefumschläge abgeschlagen. |
Langholt dürfte weit und breit das einzige ostfriesische Dorf sein, das zwei Sonderstempel vorweisen kann. Der erste Sonderstempel mit einem phantasievollen Langholter Kloster wurde am 25. August 1968 zum zehnjährigen Bestehen des bei Jan Uden Schmidt gegründeten Langholter Briefmarkenvereins herausgegeben. |
Mit der Schnapszahl „5.5.55“ wurde diese Briefmarke in der Poststelle Thoben entwertet. Der Stempel enthielt die Inschrift mit der Postleitgebietszahl „23 Langholt über Leer (Ostfriesl.)“. |
Der zweite Sonderstempel, diesmal zum 25jährigen Jubiläum des Briefmarkenvereins herausgegeben, zeigt die evangelische Kirche von Langholt. Dieser Stempel weist auf das zwiespältige Verhältnis der Verwaltungsbehörden gegenüber dem alten Johanniterdorf Langholt hin: Die ev. Kirche an der Dorfstraße gehört richtig zu Ostrhauderfehn mit der Postleitzahl 1958. |
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