[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 13.06.1991


 

„Weser-Correction“ bot Arbeit für Ostfriesen

 

Nach getaner Arbeit liest Dirk Rieken die Zeitung, und Johannes Backs schmökert in einem Buch.


 

An Bord gibt es nicht viele Möglichkeiten, seine Freizeit sinnvoll zu verbringen. Gewöhnlich wird gelesen, manchmal auch Skat gespielt oder ein Brief geschrieben.


 

Die Schute HH 28 (für Heinrich Hirdes) wird mit dem hochgesogenen Schlick und Sand aus dem Weserbett gefüllt.


 


 

Vierzig Jahre Naßbaggerei bedeuteten viel Verzicht

 

Während das hochgepumpte Wasser den mitgerissenen Schlick in die Schute fließen läßt, haben die Männer Zeit für eine Zigarette.


 

Vor zwei Jahren hat der Fehntjer Kurier einmal eine Doppelseite mit Fotos veröffentlicht, die anschaulich zeigten, wo und wie die ostfriesischen Männer in der Fremde seit Jahren Arbeit fanden und Geld verdienten (FK v. 8.9.89). Der Anlaß zu der damaligen Veröffentlichung lag begründet in der Diskussion über den "Ossi-Schnellweg" von Nord nach Süd und zurück. Sonntag nacht machten sich die ersten Fahrgemeinschaften auf den Weg nach Stuttgart, und nach 10 Tagen kamen die ostfriesischen Facharbeiter zurück zu ihrem Häuschen im Grünen.

Vor allem die Fernsehdarstellungen waren in jenen Tagen stark emotionsgeladen. Heute scheint das alles kein Thema mehr zu sein, oder doch? Die Firma mit dem Stern ist jetzt zu uns gekommen. Sie hat in Bremen eine Niederlassung und baut zwischen Papenburg und Klostermoor ihre Teststrecke. Die Ostfriesen können jetzt direkt vor ihrer Haustür Arbeit finden.

Als es noch keine Autos gab, war das Schiff das Transportmittel der Wahl auf unseren Fehnen und auch für die umliegenden Dörfer. Wer Steine, Kies und Dachpfannen zum Bauen benötigte, beauftragte einen Schiffer mit dem Transport. Kaum waren die Jungen aus der Schule entlassen worden, da standen sie schon auf den schwankenden Planken an Bord, erst als Schiffsjunge und Koch, dann als Schiffer oder Matrose.

Mehr Geld konnte man auf den seetüchtigen Schiffen verdienen. Aber nicht jeder Schoner kam wieder zurück in den Hafen. Wer dieses Risiko scheute und trotzdem am Wasser arbeiten wollte, der ging zum Beispiel zur "Weser-Correction". Das war ein staatlicher Betrieb (heute: Bundeswasserstraßenverwaltung), der von Bremen aus geleitet wurde. Für alle Instandsetzungsarbeiten an der Weser, den zulaufenden Kanälen, den Häfen und der Küste wurden viele, viele Arbeiter benötigt.

Um einmal ein paar vergleichbare Zahlen zu nennen: 1912 konnten mit der damals noch häufig praktizierten schweren Handarbeit pro Tag und Arbeiter höchstens acht Kubikmeter Erde bewegt werden. Mit den zu jener Zeit erfundenen Dampfmaschinen konnte man immerhin schon 100 Kubikmeter Kies, Sand oder Schlamm täglich fortschaffen. Und heute schafft ein Großgerät mehr als 20.000 Kubikmeter pro Tag.

Noch eine andere Zahl: Jährlich müssen allein im Bremer Hafen 1,4 Millionen Tonnen Schlick ausgebaggert werden, damit die einlaufenden Schiffe ihre Handbreit Wasser unter dem Kiel haben. Über die Bedeutung der Wasserwege braucht einem Ostfriesen kein Aufklärungsunterricht erteilt zu werden. Schon die alten Sumerer, die Inkas, Ägypter, Griechen und Römer haben sich mit wasserbautechnischen Problemen auseinandergesetzt. Selbst in Deutschland wurde schon vor 1400, der sogenannten Ritterzeit, der Stecknitzkanal zwischen Lübeck und der Elbe in den Jahren 1393-98 gebaut. Es war die erste Verbindung zwischen Ost- und Nordsee und gleichzeitig der älteste Kanal mit einer Scheitelhaltung.

Schon sehr früh hat sich das Fach der Hydromechanik an den mittelalterlichen Universitäten etabliert. Die steigende Bevölkerungszahl in den Städten und Dörfern und die wirtschaftliche Entwicklung mit ihren Ansprüchen und Auswirkungen auf unseren Lebensraum führten zur Entwicklung der wissenschaftlich-technischen Grundlagenforschung im Bereich der Fluß- und Kanalschiffahrt. Das erste übergreifende Projekt eines Flußausbaus war die Regelung des Rheins zwischen Basel und der badisch-hessischen Grenze als Kernstück einer Melioration der Oberrheinebene. Dieser Korrektion des Oberrheins folgten der Ausbau der Weser (1819-1890), der Elbe (1821-1905), der Oder (1819-1900), der Weichsel (1835-92) und der Donau (1830-1890).

Aber nicht nur die "Weser-Korrektion" hat vielen Ostfriesen Arbeit und Lohn gegeben, auch der Deichbau war seit Jahrhunderten ein Problem an unserer langen Küste. Hochwasser und Sturmfluten haben sich immer wieder tief ins ostfriesische Landesinnere gefressen. Vom ehemaligen "Well nicht will dieken, de mutt wieken" bis hin zu den modernen Cutterbaggern an der Leybucht ist es ein langer Weg.

Die modernen Maschinen haben geholfen, daß die europäischen Küsten, die Binnengewässer und die Hafenanlagen heute optimal geschützt und nutzbar sind. Diese Naßbagger, Eimerkettenbagger, Splitbagger und Schutenspüler mit ihren dazugehörigen Schwimmgreifern, Hydrostelzenbaggern, Schneidkopfbaggern und Schwimmrammen benötigen qualifiziertes Bedienungspersonal, das von den heimischen Handwerksmeistern ausgebildet wurde. Wer im Overledingerland als Schlosser, Schmied oder Schweißer ausgebildet wurde, fand alsbald Arbeit auf auswärtigen Baustellen.

Vierzig Jahre ist Johannes Backs nun bei der Firma Heinrich Hirdes, die sich seit 1912 mit wassertechnischen Problemen auseinandersetzt. Schon sein Vater, der bekannte Ostrhauderfehner Kommunalpolitiker und SV-Eiche-Vorsitzende, Hermann Backs, war in der Naßbaggerei. Vierzig Jahre auswärts arbeiten, das bedeutet für die Familie, für Frau und Kinder, auf vieles zu verzichten, was andere alltäglich finden. Viel Aufsehen liebt Hans Backs eigentlich nicht. Aber ein Bogen muß her, dafür werden schon die Nachbarn sorgen.


 

Fast möchte man glauben, die vollgefüllte Schute wird gleich im Weserwasser versinken, aber die Männer passen schon auf, daß so etwas nicht vorkommt.


 

Auch an Deck eines solchen Naßbaggers gibt es überall Maschinenteile, die gefettet werden müssen.


 

Diese Schute ist voll und muß nun abgeschleppt werden.


 

Im Maschinenraum eines Naßbaggers muß ständig geölt und geputzt werden. Ohne Ohrenschutz kann man den Lärm kaum aushalten. Diese Aufnahme wurde anscheinend während einer Arbeitspause gemacht, denn die Maschinen sind gestoppt.


 

Der Schlepper Th. Lexau verholt mit seinen 350 PS eine volle Schute zur Entladestelle. Der Hamburger Theodor Lexau war verheiratet mit Mimi Jelden aus der 1. Südwieke Westrhauderfehn. Er hatte noch zwei kleinere Schlepper, die die anfallenden Arbeiten erledigten, die andere nicht machen wollten.

 


 

 

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