[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 02.05.1991


 

Was frißt viel Korn und wird nie satt?


 

In Ramsloh befestigten 1961 Heinz Goldenstein und Richard Kluin ebenfalls neue Flügel im Mühlenkreuz.


 

Im vergangenen Jahr hat Richard Kluin dem Schwiegersohn vom Müller Lüko Scharf, Heinrich Kruse, geholfen, in einer der beiden Greetsieler Zwillingsmühlen die Flügel einzuziehen.


 

Das erste Flügelpaar ist 1966 im Kreuz befestigt. Stolz steht Müller Grabow auf der Galerie seiner Mühle in Lintig bei Bremen. Rechts Richard Kluin.


 


 

Mühlenbauer Kluin als Experte ständig gefragt

 

In den sechziger Jahren fugte Bernhard Goldenstein den gemauerten Mühlenunterbau seiner Mühle in Völlenerfehn neu ein. Richard Kluin half ihm dabei.


 

Es gibt ein altes ostfriesisches Rätsel, das folgendermaßen lautet: "Veer olle Wieven könen sük neet kriegen. Wo harder se lopen, wo mehr se verkopen, wo feller dat't weiht, wo mojer dat geiht." Gemeint sind die vier Flügel einer Windmühle. "Tüschen Loog und Leer steiht 'n wunnerliek Deer, dat ett un frett un wort nich satt - segg ins, wat is datt?" Solch eine Mühle "frißt" also viel Korn und wird nie satt.

Es ist gerade erste 40 Jahre her, da brachten die Dorfbewohner ihr weniges Korn wieder zu einer Mühle. Andere Nahrungsmittel, falls es sie überhaupt gab, waren knapp. Sie waren sowieso nur auf Lebensmittelkarten zu bekommen. Und selbst die Hausfrau mit viel Ideen und großem Einfallsreichtum mußte oft genug kapitulieren, wenn sie nur ein Mini-Menue auf den Küchentisch bringen wollte.

So kam es, daß in den Nachkriegsjahren die fast vergessenen, aber noch lebenden Mühlenbauer Hochkonjunktur hatten. Elektrischen Strom oder "Gasöl" für die motorbetrieben Mühlen gab es nicht. Die verbliebenen Müller besannen sich auf ihr altes Handwerk mit dem Windantrieb. Zwar war vieles kaputt in den alten Windmühlen. Doch irgendwie schafften es die wenigen Mühlenbauer, die riesigen mechanischen Getriebe wieder in Gang zu setzen, so daß der "Looper" sich über dem "Ligger" drehen konnte.

Was der Müller in den Nachkriegsjahren herstellte, war sicherlich kein Feinmehl. Zwischen den Steinen wurde grobes Schrot gemahlen. Zum Leidwesen der Mediziner hatte sich die europäische Bevölkerung im vorigen Jahrhundert mit zunehmender Industrialisierung vom ballastreichen Schwarzbrot abgewandt und liebte den sonst nur sonntags üblichen "Wittstuut". Mitte 1945 waren die Hausfrauen jedoch froh, wenn sie überhaupt etwas Mehlähnliches zum Backen bekamen.

Vor Einführung der Kartoffel vor gut 200 Jahren gehörten in Ostfriesland neben dem Schwarzbrot vor allem Suppen aus Graupen oder Grütze, in Wasser oder Buttermilch gekocht, zu den wichtigsten Grundnahrungsmitteln. Die "Dicke Grütze", die "Schill-Gört", wird aus Gerste hergestellt, wobei in der Peldemühle das Korn nur von seiner zellulosereichen Umhaut befreit und grob zerkleinert wird. Solch eine Peldemühle hatte nur einen Stein, der das Korn gegen die Holzummantelung drückte.

Diese Peldemühlen waren die ersten Windmühlen in Ostfriesland, die durch holländische Handwerker gebaute wurden. Ob sich der Stammbaum von Richard Kluin, dem Mühlenbauer aus Breinermoor, der jetzt in Jhrhove wohnt, auch bis in die Niederlande zurückverfolgen läßt, ist noch nicht ganz geklärt. Eine frühe Erwähnung des Namens findet sich bei dem Zimmermann Jan Jacobs Kluin, der schon vor 1800 in Folmhusen einer selbstständigen Tätigkeit als Bauunternehmer nachging. Sein Sohn Heye Janssen Kluin wurde Zimmermann in Westrhauderfehn. Er ist der Großvater von "Pannenbakker" Heyo Kluin, der im Untenende von Westrhauderfehn (heute Vogelsang) in den zwanziger Jahren mehr als zehn Mann beschäftigte, um die neuartigen Zementdachpfannen herzustellen.

Auch Mühlenbauer Richard Kluin, heute als Ruheständler überall in Ostfriesland und Niedersachsen als fachkundiger Handwerker ständig gefragt, hat diesen Jan Jacobs Kluin aus Folmhusen zum Vorfahren. Schon sein Vater Heyko Kluin, bei dem er das Handwerk der Mühlenbaukunst erlernte, war ein bekannter Mühlenbaumeister. Das Elternhaus der Kluins steht noch in Breinermoor, gleich das erste Haus linker Hand, wenn man von der B 70 kommt. Der Großvater Johann Jakobs Kluin war dort Zimmermann und Bauunternehmer, ein Veteran von 1870/71.

Dieser Großvater hat nicht nur sein eigenes Handwerkerblut vererbt. Auch seine Frau, also die Großmutter unseres heutigen Mühlenbauers Richard Kluin, stammte aus einer alten, traditionsreichen Mühlenbauerfamilie.

Vor 180 Jahren kam der Müller Ahldert Harberts aus dem Oldenburgischen und übernahm für ein Jahrzehnt die Backemoorer Mühle. Der bisherige Besitzer, ein Poppe Janssen von der Klostermühle in Esens, kam in Backemoor nicht zurecht, weil die umliegenden Müller, vor allem aber der Collinghorster Müller Steenblock, ihm andauernd Schwierigkeiten machten. Poppe Janssen starb 1810, und der aus dem Oldenburgischen gekommene Ahldert Harberts übernahm die Backemoorer Mühle.

Gleichzeitig heiratete er mit Antje Heyen Davids eine Bauerntochter aus dem reichen Zweistromland. Die Vorfahren dieser Antje lassen sich in den Bauerndörfern Amdorf, Neuburg und Wolde bis ins Jahr 1658 zurückverfolgen. Der Müller Ahldert Harberts blieb nur zehn Jahre auf der Backemoorer Mühle. Was er nach 1820 machte, ist nicht bekannt. Auf jeden Fall hatte das Ehepaar einen Sohn. Dieser Heiko Ahlrichs Harberts wird in den Kirchenbüchern als "Mühlenfabrikant" genannt. Auch dessen Sohn Ahlrich Janssen Harberts erlernte wieder das gleiche Handwerk und wurde "Mühlenbaumeister". Wie viele Mühlen mögen von ihnen gebaut worden sein ?

Mit Ahlrich stirbt die männliche Linie "Harberts" aus, denn seine Frau Henriette Grünefeld aus Schatteburg hatte keine Kinder. Seine Schwestern aber, Tete und Anna, heiraten beide in die Zimmermannsfamilie Kluin ein. So ist es nicht verwunderlich, daß im Hause des Enkels Richard Kluin an der Gotenstraße in Jhrhove überall Mühlenbilder hängen. In der Werkstatt duftet es nach Holz und Leim. Ein großes Zahnrad liegt fast fertig auf dem Arbeitstisch. Richard Kluin, ein Mühlenbauer aus einer alten, traditionsreichen Mühlenbauerfamilie, arbeitet auch im Ruhestand noch täglich für "seine" Mühlen.


 

Auf der Kopfstange stehend dirigiert Richard Kluin den Einbau der "Reeimschief" ins Mühlenhaupt. Sie liegt später um die Achse und dient dann als Bremsbacke.


 

Auch bei der Papenburger Bockwindmühle hat Richard Kluin (rechts) 1965 die Flügel repariert.


 

Hier wird an der Kopfstange die eine Hälfte des Holzfundaments vom Mühlenhaupt herabgelassen. Die Mühle in Neermoor wurde 1964 abgebrochen.


 

In Glandorf bei Osnabrück liegen im Sommer 1970 die fertigen Flügelteile bereit, um montiert zu werden. Zweiter von links ist Mühlenbaumeister Heinz Goldenstein aus Augustfehn, und zweiter von rechts ist Richard Kluin aus Jhrhove.


 

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