Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
Ein Kunstfoto mit dem Selbstauslöser, das starke Ausdruckskraft hat: Tammo verabschiedet sich von Werner Davids. |
In Druckschrift steht hinten auf diesem Foto: "Aufgenommen im Jahre 1939 von Th. Hessenius (auf dem Bild rechts) in Rhaudermoor (Vereinswieke) bei Heyen." Hinten auf dem Schild steht: "Übergang verboten", da es sich um eine Privatbrücke ohne Geländer handelt. Rechts Tammo, dann Hermann und Werner Davids, im Hintergrund Mutter Heyen, ihre Tochter und der Verlobte. |
Eine besonders hübsche Aufnahme: "Auf dem Fehntjer Meer". |
Zwischen Weihnachten und Neujahr 1950 muß diese Aufnahme in der Vereinswieke entstanden sein. Links Wilhelmine und Hermann Freede mit Tochter Edith, daneben Siegfried Plümer und Tammo. |
Heute ist Rhaudermoor ein fest integrierter Ortsteil der Großgemeinde Rhauderfehn. Früher reichte diese kleine, aber selbstständige Gemeinde um den Batzenweg und "de Zeegenstraat" vom Tayemoor bis zur Straße "Am Deich". Die Jürgenaswieke gehörte genauso dazu wie die Vereinswieke, und einst war "de Rhauderwiekster Möhlen" weithin zu sehen.
Jedesmal, wenn ich wieder etwas aus der Geschichte von Rhaudermoor aufgeschrieben hatte, bekam ich zu hören: "Du mußt över Tammo schrieven!" Tammo - wer war das ? Wodurch war er so bekannt ? Gehörte er zu einer der wichtigen Familien Rhauderfehns ? Ich begann zu fragen. Ich besuchte sein Grab in Rhaudermoor, wo auf dem Denkmal in großen Buchstaben "Tammo" steht und klein darunter "Hessenius. 1905 - 1985."
Demnach muß Tammo ein Begriff in Rhaudermoor gewesen sein. Er war, so wurde mir erzählt, bei Kindern sehr beliebt. Er schenkte ihnen Karten für die Kindervorstellungen im Kino. Und wenn Jahrmarkt war, kaufte er den Kleinen einige Freikarten für das Karussell. Tammo war ein Weltmeister im Verschenken, wie Oma Minchen meinte.
Tammo hat während seiner Kindheit sehr darunter gelitten, daß die Ehe seiner Eltern auseinanderging. Sie wohnten damals auf der Nordseite im Rajen in Höhe der Kreuzung zur 2. Wieke, gegenüber von Plümerecke. Aus der Jugendzeit seines Bruders Onno und auch der eigenen gibt es nicht viel Erfreuliches zu berichten. Nach der Schulzeit fand Tammo bei Siebe Ostendorp Arbeit in der Druckerei. Die Technik hat ihn zeitlebens interessiert. Er hatte einen umfangreichen Elektrobaukasten, er hatte einen ausgezeichneten Fotoapparat, mit dem er klassisch-schöne Selbstaufnahmen machte, und er besaß auch eine zeitlang ein Motorrad.
Es war ganz egal, ob Tammo gerade Papier in die Druckmaschine einlegen mußte oder mit der Schmierkanne die Nippel ölte - immer hatte er ein Lied auf den Lippen. "He kunn leip fein singen", Wanderlieder, Heimatlieder, auch Schlager, egal, ob bei der Arbeit oder abends auf dem Torfkasten in der Küche. Und einer, der das beurteilen kann, nämlich unser Geigenliebhaber Fritz Eden, sagt: Tammo war außergewöhnlich musikalisch.
Bei Friseur Hinrich Groeneveld in der Rhauderwieke lernte Tammo das Geige- und Lautespielen. Er lernte schnell und gut und erweiterte ständig seine instrumentralen Fähigkeiten. Später spielte er sogar zugleich Gitarre und Mundharmonika, wie es manche Straßenmusikanten in den Städten heute noch tun. "Das Leben lebenswerter machen durch Musik", das war Tammos Devise, und dieses Motto versuchte er auf seine zahlreichen Schüler zu übertragen. Für den Instrumentalunterricht verlangte er kein Geld, und aus diesem Grunde vertrauten ihm viele Eltern ihr Kind zur musikalischen Grundausbildung an.
Den Alltag bewältigte unser beliebter Musikus auf ähnliche Weise. Überall war er ein gerngesehener Gast. "He harr immer 'n Steh, wor he eeten kunn un wor he sien Waschke drögen kunn." Früher wohnte er eine zeitlang bei Frl. Schumann in der Dosewieke, die dort eine Plätterei hatte. Er brachte den Pimpfen das Trommeln bei. Dann kam der Krieg. "He kunn't nich ofwachten, he wull futt mit dorbi wesen," und er war maßlos enttäuscht, daß er nicht gleich eingezogen wurde.
Dann aber mußte er doch die Uniform anziehen. Er verschenkte all seine Instrumente an seine Musikschüler. Die Begeisterung für das Militär verflog schon bald. Auch seine Vorahnung, daß er aus diesem 2. Weltkrieg nicht lebend wieder nach Hause kommen würde, erfüllte sich nicht.
In der Nachkriegszeit wohnte Tammo bei Willi Plümer in der Rhauderwieke. Hier fühlte er sich wohl. Mit dem "Flüchtling" Kurt Schikanowski am Klavier und dem Collinghorster Johann Pruin an der Trommel spielte unser Violinist Tammo bei Freese in Marienheil, bei Röben in Holte und auch bei Freese an der 4. Südwieke zum Tanz auf.
Später erwarb er das kleine Häuschen von Wobke und Harm Natelberg in der Vereinswieke dicht am Verbindungsweg, welches ziemlich versteckt weit hinten im Land steht. "Heirate oder heirate nicht, du wirst beides bereuen" hat schon Sokrates gesagt. Tammo hat nicht geheiratet. Er wollte von vornherein sich und einer Frau und den möglichen Kindern die alltäglichen Zwistigkeiten und Streitereien ersparen.
Tammo wollte nur er selbst sein; ein Mensch, der Freude bereitet. Und so haben ihn viele in Erinnerung behalten.
Tammo betrachtet sein Fotoalbum. |
Ob Fehntjer Markt oder Markt in Rhaudermoor, ein Karussell gehörte dazu. Ein hübscher Schnappschuß, den Hermann Freede bei strahlender Sonne im Jahr 1951 von seiner Tochter Edith auf dem Karussellpferd machte. |
"Aufnahme vom Jahre 1940 als Arkordeonsolist" steht in feiner Sütterlinschrift hinten auf diesem Foto. |
Am Sonntag, dem 12. März 1933, machte Tammo diese Aufnahme mit einem Selbstauslöser von sich selbst. Sein Gesicht strahlt Ruhe und Zufriedenheit aus. |
Fotos: Hermann Freede und Tammo Hessenius. Zur Verfügung gestellt von Werner Davids und Edith Müller-Freede.
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