Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
„Dann fuhr ich auf dem Schlepper E 145, der hier vor der Schleuse in Meppen festgemacht hat. |
Mit dem Rettungsboot fuhren die Binnenschiffer zur „Vorwärts“ von Willi Santjer, um einen Klönschnack in der gemütlichen Kombüse zu halten. Die Personen von links: Matrose Hans Fuß aus Neermoor, Georg Kloster aus Westrhauderfehn, Karl Seemann, Idafehn, Theo Santjer mit dem Hund von Priggemeyer, im Steuerhaus Willi Santjer, Rhaudermoor, Frau Priggemeyer, Emden, sowie Anni und Willi Ulpts, Rhaudermoor. |
Zuletzt fuhr ich auf dem Schlepper E 23. Dieser Schlepper von Monopol hatte 500 PS. Wenn wir ablegen wollten, ließ der Schiffsführer Conrad Ursewold aus Papenburg die eine Maschine vorwärts und die andere rückwärts laufen. So kamen wir ganz sachte und sinnig von der Kaijung ab. – In den sechziger Jahren begann der Schrumpfungsprozeß bei Monopol. Schiffsführer konnte ich nicht mehr werden. Die wenigen Aufträge zum Schleppen übernahmen nun Privatschlepper. Die Schlepperflotte des Bundes wurde teilweise verschrottet und verkauft. |
Fortsetzung des Berichtes von Gerd Hemmen (siehe letzte Ausgabe):
Aber es ging dann doch irgendwie weiter. Wir hatten unser Eisen gelöscht. Und ich bekam einen zweiten Matrosen, einen Holländer, so daß die Mannschaft wieder vollzählig war. Ich bekam Order, in Wanne-Eickel Kohlen zu laden für die Norddeutsche Hütte in Farge zusätzlich mußte ich einen 15 Meter langen und 5 Meter hohen U-Boot-Kessel für die A G Weser übernehmen. Er paßte nicht in den Laderaum.
Als wir mit dem Laden fertig waren konnte die Fahrt nach Bremen beginnen. Am zweiten Tag unserer Reise bekamen wir den ersten Bombenangriff. Eine Flugzeugstaffel von acht Flugzeugen flog auf uns zu und griff von vorn mit Bordkanonen an. Das machten sie dreimal hintereinander. Beim dritten Angriff fiel eine kleine Bombe direkt neben den U-Boot-Kessel in den Laderaum, wo die Kohlen drin waren und explodierte. An Deck war alles kaputt, aber unser Schiff war nicht leck geworden. Der U-Boot-Kessel war mennige-rot angestrichen. Die Flieger konnten gut sehen, daß es Kriegsmaterial war. Die Herstellerfirma hatte uns keine Abdeckung mitgegeben. Wegen der Ausmaße paßten die Luken nicht über den Kessel. Und eine Persenning hatten wir auch nicht.
Wir hatten mittlerweile festgemacht und waren an Land geflüchtet. Nach einer Stunde sind wir wieder an Bord gegangen, denn die Flugzeuge hatten abgedreht. Unser Schiff brannte lichterloh. Die Kohlen, wo die Bombe reingefallen war, waren in Brand gekommen. Aber der Kessel war nicht beschädigt worden. Mit alle Mann haben wir mit Eimern so lange Wasser auf die schwelenden Kohlen gegossen, bis der Brand gelöscht war.
Nach dieser Arbeit sind wir weitergefahren nach Münster. Dort bekamen wir wieder einen Angriff. Er galt wieder dem Kessel. Wir sind alle an Land in Deckung gegangen. Am andern Morgen brannten die Kohlen erneut, und wir mußten wieder fleißig löschen. In Bergeshövede ging es von neuem los: Die Flieger beschossen uns, aber wir hatten Glück, und alles ist gutgegangen. Dann ging die Fahrt weiter bis Bremen, wo wir unseren Kessel gleich löschen mußten. Anschließend fuhren wir weiter nach Farge, wo die Kohlen aus den Laderäumen geholt wurden.
Von Farge haben sie uns wieder nach Bremen verholt. Nun sollten wir nach Bodewerder zur Werft, denn an Deck war ja alles kaputt. Aber es kam anders. Es war Donnerstag, 11 Uhr. Bremen bekam wieder einen Großangriff. Wir sind mit unseren Fahrrädern in einen Bunker geflüchtet. Als der Angriff vorbei war, wollten wir wieder an Bord. Aber leider: Unser schönes Schiff, das lange unsere zweite Heimat gewesen war, lag auf dem Grund der Weser. Eine Bombe hatte es Leck geschlagen, und die ganzen Sachen meiner Frau, die 18 Jahre lang mit an Bord gewesen war, lagen nun im Wrack unten im Weserwasser.
Zwei Tage nach dem Untergang des Schiffes bin ich noch in Bremen geblieben, um alles in Ordnung zu bringen. Ich mußte uns beim Hafenamt abmelden, und ich wollte noch Bezugscheine für meine Matrosen und mich haben. Aber es war vergebens. Wir sollten uns an unserer Heimatbehörde wenden, aber da gab es auch nichts.
Am Samstag wollten mein Vetter Jan Gerdes, Elisabethfehn, und ich mit unserm Boot, das heilgeblieben war, und unseren Fahrrädern die Weser herunterfahren nach Elsfleth. Es war wieder Alarm. Da kam uns das Reiseboot des Wasser- und Schiffahrtsamtes entgegen und fuhr Iängsseits. ,,Was habt ihr denn?", wurden wir gefragt, ,,Was habt ihr denn gemacht?" Wir waren ungewaschen und unrasiert. Seit Mittwoch hatten wir kein Essen mehr gehabt. Wir haben unser Leid geklagt, daß unser Schiff einen Volltreffer bekommen habe und gesunken sei. Da haben sie uns in Schlepp genommen und bis zur Huntemündung nach Elsfleth gebracht. Der Inspektor rief:
,,Nun macht man los!", und wünschte uns eine gute Weiterreise.
In Elsfleth lagen viele bekannte Schiffe, die am andern Morgen mit der Tide zur Nordsee wollten. Sie haben uns gefragt, was wir erlebt hätten, und wir haben ihnen alles erzählt. Es war gegen 17 Uhr, und die Kollegen haben uns an Bord genommen, haben uns Kartoffeln mit Specksoße gemacht, und wir beide durften uns auch waschen und rasieren. Wir beide sahen wieder wie Menschen aus.
Um 21 Uhr setzte die Flut wieder ein, und wir beide sind in unser Boot gegangen, haben uns mit einem Dankeschön von den Kollegen verabschiedet und sind in Richtung Oldenburg abgefahren. Nachts um halb zwei kamen wir bei der Oldenburger Schleuse an. Dort haben wir unser Boot festgemacht. Auf der Schleuse wurden wir von deutschen Wachsoldaten mit Gewehrschüssen empfangen. Auch denen haben wir unser Leid geklagt. Nun waren sie uns behilflich, haben uns Kaffee gemacht und auch ein Stück Brot abgegeben. Um fünf Uhr früh kamen die Schleusenwärter. Ich habe sie gefragt, ob sie unser Boot mit den Fahrrädern wohl eben durchschleusen wollten, was sie auch gleich getan haben.
Oberhalb der Schleuse lag ein Schlepper, der sollte uns mitnehmen bis nach Kampe. Alles ging klar bis zu Kilometer 13. Es kam Alarm, und der Schleppzug machte an Land fest. Mein Vetter und ich sind dann mit unserem Boot mit eigener Kraft weitergefahren, und kamen um 15 Uhr in Süd-Elisabethfehn an. Wir haben unser Boot an der Schleuse festgemacht. Ein Kollege wollte es am nächsten Tag zu seinem Haus verholen. Mit den Fahrrädern sind wir dann nach Ostrhauderfehn gefahren und glücklich zu hause angekommen.
Meine Frau wußte nicht, was sie sagen sollte. Sie hatte Tränen in den Augen. Ich mußte ihr berichten, daß unser schönes Schiff in Bremen durch eine Bombe versenkt wurde und nun auf dem Grund der Weser liegt.
Das war meine letzte Reise in der Schiffahrt. Ich bin zu Hause geblieben. Wir mußten unsere Wohnung räumen, denn sie wurde für eine Polenfamilie benötigt. Ich habe dann bei der Moorkultur Ramsloh Arbeit genommen bis zu meiner Pensionierung 1967.
Es ist 22 Uhr. Ich bin müde. Ich wünsche allen ,,Gute Nacht" und gute Gesundheit. Ihr Gerd Hemmen, Kirchstr. 102, 2958 Ostrhauderfehn.
Noch im letzten Jahr hat Gerd Hemmen den Graben hinter seinem Haus selbst geschlötet. in diesem Jahr hat er es ruhiger angehen lassen und für den Fehntier Kurier seine Geschichte in klarer Handschrift aufgeschrieben.
Illustriert von Michael T. Heinze.
Die „Passat“ von Priggemeyer, Emden, lag 1947 genauso frachtsuchend vor Zeche Victor am Rhein-Herne-Kanal wie die „Ems“ von Willi Ulpts, Rhauderwieke. Der Mast auf der „Vorwärts“ zeigt an, daß es sich hier um ein seegängiges Schiff handelt. Alle drei privaten Motorschiffe waren von der damaligen Besatzungsbehörde beschlagnahmt worden. Sie trugen deshalb ein X mit einer Nummer am Bug. |
„Nach dem 2. Weltkrieg“, so schreibt Hermann Meyer, Westrhauderfehn, 2. Südwieke, zu diesem Bild, „wurde ich beim Schleppamt Emden eingestellt. In der ersten Zeit mußte ich viel Vertretung machen, wenn Besatzungsmitglieder krank waren oder Urlaub hatten. Ein Bild habe ich verloren, das von Schlepper E 539, wo Gerd Klose Schiffsführer drauf war. – Zuerst fuhr ich als Bootsmann auf dem Schlepper E 560 (M3427).“ |
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