[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 31.01.1991

 

Von Abelitz als Moorvogt in das Overledingermoor II

 

Hermann Barth und Bertha Müller fahren 1933 mit Moorverwalter (und Vater) Heinrich Müller und Trauzeuge Ewald Winkelmann zum Standesamt Flachsmeer. Bruder Heinz Müller läßt es sich nicht nehmen, das Brautpaar zu kutschieren.

 

 

 

Links Heinrich Müller und rechts Egbert Leerhoff von der Mooradministration Aurich-Eschen. Er wurde der „Architekt der ostfriesischen Moore“ genannt und kam gebürtig aus Großefehn.

 

 

 

Domäneverwalter Müller mußte den Räten weichen

 

Marie Horch (mit Kamera und Bertha Müller zu Besuch auf der Domäne Overledingermoor. Freund Fahrenholtz konnte trotz der Herumalberei noch ein einigermaßen klares Foto knipsen.

 

 

 Die Geschichte der Domänen in Ostfriesland ist noch nicht geschrieben. Wir können an dieser Stelle nur andeuten, was sich seit dem Zeitalter des Absolutismus tat, als Kaiser, Könige und Fürsten die steuerpflichtige Wirtschaft als Einnahmequelle für ihr aufwendiges Leben entdecken. Die staatlichen Moordomänen sind, geschichtlich gesehen, schon in der Neuzeit angesiedelt In unserer Gegend hatten nur die bereits kultivierten Moore bei Wiesmoor mit Moorvogt Saleg, als Collrunger Moor unter Verwalter Piening und das Königsmoor bei Holtland unter Willi Rochler eine Domäne.

Heinrich Müller leistete im Abelitzer Moor wichtige Aufbauarbeit. Allerdings, die Zeitumstände waren gegen ihn. Um 1923, vor und nach der Inflation, konnte er zwar mit vielen billigen Arbeitskräften enorme Ernteerträge erwirtschaften. Aber auch in dieser Region gab es schon aufmüpfige Lehrer, die gerade den klerikalen Zwang abgeworfen hatten. Einige, wie Lehrer Siemens, standen den Arbeiterräten nahe und versuchten trotz der enormen Arbeitslosigkeit in Ostfriesland, die bislang nicht vorhandenen Rechte der Arbeiter zu formulieren und zu fordern.

Heinrich Müller bekam das von Jahr zu Jahr stärker zu spüren. Als die Kämpfe zwischen der Arbeiterfront und den Nationalisten immer stärker wurden, wagten es auch die Anführer der Domänenarbeiter, gegen den staatlichen Moorvogt der Domäne Abelitz aufzubegehren. Max Zielinski aus der Schmiede, der in Westerholt eine Ostfriesin geheiratet hatte, forderte von Verwalter Müller einen Betriebsrat. Schließlich waren auf der Domäne 50 freie Arbeiter und über 120 Strafgefangene aus zwei verschiedenen Lagern beschäftigt.

Ein anderer Streitpunkt war zum Beispiel, daß Müllers Kinder manchmal mit der staatlichen Draisine auf staatlichen Gleisen, also auf Steuerzahlerkosten, den Weg aus dem unwegsamen Moor bis zur Bahnstation Moordorf bewältigten, um die weiterführenden Schulen in Aurich besuchen zu können. Der Herr Moorvogt, so argumentierten die Arbeiteranführer, habe ja auch eine Kutsche und ein paar Pferde kaufen sowie einen Kutscher einstellen können, der die Kinder dann auf diese private Art und Weise zum Bahnhof hätte kutschieren können.

Ein weiterer Streitpunkt war der Bau neuer Baracken. Die Arbeiter wollten angeblich lieber mehr Geld haben als anständige Unterkünfte. Dieser Streit um solche und weitere ähnlich gelagerte Problemfälle eskalierte immer mehr, so daß die Domänekammer beschloß, die beiden sich zankenden Parteien zu trennen. Heinrich Müller wurde auf die wesentlich kleinere, nur 20 Mann starke und ziemlich heruntergewirtschaftete Domäne im Overledinger Moor versetzt, und der dortige bisherige Moorvogt Ritter kam nach Abelitz. Das war 1930 und für den rechtschaffenden und ehrbaren Kulturbautechniker und Domäneverwalter Müller ein tiefsitzender Schock.

Trotzdem nahm er seine Aufgabe im Overledinger Dominalmoor sehr ernst. Sein langjähri­ger Büroleiter Petrol war vorher schon zur Domäne ins Overledingermoor versetzt worden. Heinrich Müller begann alsbald, die erheblichen Mängel in der Viehhaltung abzustellen. Zum Beispiel weigerte sich die Emder Schlächterei Visser, weiterhin Rinder von der Domäne des Overledinger Moores abzunehmen, da sie nicht Tbc- und bangfrei seien. Auch die Schweinebestände litten unter verschiedenen Krankheiten. Heinrich Müller hatte von Anfang an im Overledinger Moor einen Haufen Arbeit im landwirtschaftlichen Bereich, was er eigentlich gar nicht studiert hatte. Seiner speziellen Ausbildung als Kulturbautechniker konnte er kaum nachgehen, denn die Kultivierungsmaßnahmen waren an der Russenstraße bereits abgeschlossen(s. FK v.7.9.90).

Aber in seinem ureigensten Bereich, der Bodenkultivierung durch Entwässerungsmaßnahmen, war sein voller Einsatz vonnöten. Fast alle Vorfluter sowie die Dränrohre waren dichtgeschwemmt. Unglücklicherweise hatte die Auricher Domänekammer ihren Architekten Leerhoff in Unkenntnis der genauen Erdschichten beauftragt, die neuen Gutsgebäude für das Overledingermoor 1927 zwar auf einen Sandrücken bauen zu lassen, aber dieser längliche Sandhügel lag ausgerechnet in einer riesigen Senke des Overledinger Moores. Bei einem verregneten Sommer war es fast unmöglich, die Domäne auf den grundlosen Morastwegen zu erreichen. Wohl an die siebzehnmal versuchte man, Trinkwasserbrunnen zu bohren, aber immer kam nur brakiges und braunes Wasser nach oben. Das Teewasser mußte aus einem weit entfernten, höher gelegenen Brunnen mit Kannen auf einer Lore über einen Schienenweg zum Domänenhaus herangeschafft werden.

Heinrich Müller vergrub sich in die Arbeit. Hier im Overledinger Moor konnte er all seinen Ärger aus der Abelitzer Zeit wegarbeiten, so daß mit den Jahren eine aufstrebende landwirtschaftliche Domäne mit Schlackenweganschluß zur alten Landstraße nach Völlernerkönigsfehn entstand. Als Heinrich Müller im Jahr 1938 das Overledinger  Moor verließ, konnte er mit Fug und Recht auf ein landwirtschaftlich intaktes Gut verweisen. Er erhielt nun den Auftrag, ein 10-Millionen-Projekt bei Verden zu realisieren. Ende 1950 wurde Heinrich Müller, der einstige Domäneverwalter des Overledinger Moores, pensioniert und verbrachte die Ruhejahre in seinem Geburtsort Uetze. Ein Jahr später wurde die Domäne Overledinger Moor aufgelöst und zerstückelt. Aber das ist wieder eine neue Geschichte.

 

Das Overledinger Moor war schon voll kultiviert, als Heinrich Müller 1930 kam (s. FK v. 7.9.90) Hier zwei der ersten Siedlerhäuser am Russenweg.

 

 

 

Heinz Müller, einer der beiden Söhne des neuen Verwalters, liebte den Fliegersport über alles. Er war Mitbegründer des Papenburger Segelfliegerclubs. Er wurde später Flugzeugführer und verunglückte später tödlich bei einem Absturz. Hier sitzt er auf der Teppichstange. Der Weg führte in den Müllerschen Garten. Rechts Im Gebäude stand der Futterdämpfer, davor der Hühnerauslauf. Im Vordergrund der Aschebehälter, damit kein Funkenflug Im Moor entstehen konnte. Links im Hintergrund der Ort, wo es einen Brunnen mit Trinkwasser gab.

 

 

 

Noch heute stehen diese Futtersilos an der Domänestraße, die Anfang der dreißiger Jahre gebaut wurde.

 

 

 

Die Maid Elli gehörte ,,zum Inventar" der Overledinger Moordomäne. Der neue Verwalter Heinrich Müller sorgte erst einmal dafür, daß sie und der Pferdeknecht aus den Verschlägen über den Stallungen herauskamen und jeder ein wohnliches Zimmer erhielt.

 

 

 

Die Trinkwasserlore wird von Vetter Günther (links) und seinem Freund geschoben. Auf der Lore die beiden Töchter von Bertha Barths, geb. Müller, etwa um 1937.

 

 

 

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