Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
Fehntjer Kurier vom 06.12.1990
"För’n half Groschen
Zappkoek"
Nicht nur Langholter Herzen
schlagen höher
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Donnerstag, der 6.Dezember. Über Nacht ist der Nikolaus dagewesen und hat den Schuh von Jan und von Wiebke mit Leckereien gefüllt. Wo der Nikolaus herkommt, wo er wohnt? Na, in Nikolausdorf doch. Was, unsere Leser wissen nicht, wo dieses idyllische Dörfchen liegt? Gar nicht so weit entfernt. Bis zur Thülsfelder Talsperre, dann links ab nach Garrel und ein paar Kilometer weiter östlich, und schon sind wir in dem kleinen Ort mit dem seltsamen Namen.
Dort sitzt ein Postbeamter einsam auf seinem Stuhl und hämmert mit bravouröser Ruhe den Sonderstempel mit dem Nikolaus auf hunderte und tausende von Briefen. Sogar ein Büro ist diesem Postbeamten angegliedert, in dem einige freiwillige Dorfbewohner die Kinderbriefe an den Nikolaus beantworten. Neben diesem "Nikolausdorf" gibt es noch die Orte "Himmelpforten" und "Christkindl". Auch hier sind die Postbeamten im Dezember damit beschäftigt, all die vielen Weihnachtskarten und -briefe besonders sauber zu stempeln.
Da hatte es der Posthalter in Potshausen einfacher. Der Name seines Heimatortes hat keinerlei Bezüge zu irgendwelchen Feiertagen. Er konnte geruhsam am Rande des Hammrichs südlich der Leda seine Weihnachtspost abstempeln und dem Postkutscher übergeben. Wenn da nur nicht der Superintendent gewesen wäre. Der hatte ja immer ein schon ein besonderes Postaufkommen. Schließlich war Carl Heinrich Schaaf nicht nur Vorgesetzter von etlichen Dorfpastoren, sondern er war auch noch seit 1873 Herausgeber des "Ostfriesischen Sonntagsboten".
Zurück zu unserem Posthalter Boekhoff in Potshausen. Heinrich Conrad Boekhoff wurde 1878 als Landwirtssohn in Nüttermoor geboren. Als junger Mann verzog er mit seinem Vater Oltmann Engelhard Boekhoff nach Potshausen und machte sich dort selbständig. Er eröffnete eine Gastwirtschaft und einen Hökerladen, für die er eine Konzession beantragen mußte. Sie wurde ihm anscheinend nicht verwehrt, da er seinen Militärdienst bereits abgeleistet hatte. Die Inhaber der Gaststätte mit Kolonialwarenhandlung an der Rabenbrücke und der Pächter des Zollhauses mit angeschlossener Gastwirtschaft an der Leda werden bestimmt Bedenken geäußert haben, aber die Dorfbewohner waren sicherlich erfreut, sich nun manchen weiten und matschigen Weg ersparen zu können.
Das wohl älteste Bild vom Gasthof. Diese Postkarte muß etwa um 1906 gedruckt worden sein. Das junge Ehepaar Boekhoff hat sich vor die Tür gestellt, links davon ein junger Postloper in Uniformjacke und Schirmmütze, ganz rechts die Postkutsche und ganz links die Maid der jungen Familie. |
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Bleiben wir bei der Post. Bislang befand sich das Postbüro in der Pastorei. So schrieb es Apotheker Rudolf Schaaf in den "Erinnerungen an Superintendent D. theol. Carl Heinrich Schaaf, Potshausen" auf. "In seinem Postbüro gingen alle Zeitschriften, die die Leute hielten, durch seine Hände, und er las sie erst alle selbst, bevor sie in die Häuser gebracht wurden." Die abgehende Post allerdings durfte Herr Pastor nicht abstempeln, und auch andere Postgeschäfte fielen nicht in seinen Amtsbereich.
Als der junge dynamische Heinrich Boekhoff seine Hökerei und Gastwirtschaft eröffnete, bewarb er sich bei der Kaiserlichen Oberpostdirektion in Oldenburg als Postagent für Potshausen. Niemand hatte Einwände, auch der nun schon alte "Suppendent" nicht, wie er im Volksmund genannt wurde. Die Kaiserliche Oberpostdirektion in Oldenburg genehmigte das Gesuch, und so konnte der junge Kaufmann und Gastwirt am 18. April 1900 das große Holzschild mit dem kaiserlichen Adler neben die Eingangstür hängen.
Diese blaue Postkarte von 1913 auf gerippten Karton zeigt uns schon eine ziemlich komplette Familie. Am Fenster steht Mutter Betty mit Auguste auf dem Arm. Rechts daneben der Vater, Heinrich Boekhoff mit seiner Tochter Meta an der Hand. Vor dem anderen Fenster steht Georg Hobby, der im Laden bediente, die Maid Wübkea Kleemann und der Briefträger Hesenius mit seinem Fahrrad. Auf der Postkutsche sitzt Jürgen Kleemann. |
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Am 6. April 1906 heiratete Heinrich Boekhoff die Gastwirtstochter Betty Adele Wilhelmine de Buhr von der Rabenbrücke. Gleichzeitig wurde er offizieller "Posthalter" der Gemeinde Potshausen und Umgebung. Das bedeutete, daß er nicht nur Post annehmen und an die Postkutsche weitergeben durfte, sondern er hatte jetzt auch dafür zu sorgen, daß die Post in den weit auseinanderliegenden Gebieten Leyhe, Rinzeldorf, Ubbehausen, Amelsberg und Terheide täglich zugestellt werden mußte. Für diesen erweiterten Postdienst erhielt er am 19. April 1940 das Treudienst-Ehrenzeichen in Silber.
Dieses Foto ist etwa um 1926 gemacht worden, als die Pferdepostkutsche längst von einem motorisierten Postomnibus abgelöst worden war. Der erste Weltkrieg war zwar schon aus, aber die geringelte Fahnenstange aus Kaisers Zeiten war "auf dem Bült" erhalten geblieben, denn das Ehrenmal gedachte auch der Gefallenen von 1870/71. Rechts vom Denkmal steht der Gastwirt und Posthalter Heinrich Boekhoff und klein im Hintergrund der Ladengehilfe Heinrich Frühling. Am Postwagen steht Ludwig Fuchs, der Sekretär von Superintendent Pastor Dr. theol. Georg Friedrich Schaaf sowie Postchauffeur Fricke. Später fuhr Wilm Stratmann aus Holterfehn jahrelang den Postomnibus. Rechts hinter dem Pferd steht das Kind Albert Post an der Hecke, und auf dem Pferd sitzt Conrad Meyer, der in Boekhoffs Landwirtschaft tätig war. Die Gastwirtschaft sieht man hier von der Giebelseite, rechts das Hinterhaus mit den Stallungen. Das Bauernhaus links im Hintergrund war Johann Hinrichs Plaatze. |
Landwirt, Gastwirt und Posthalter Heinrich Boekhoff gründete mit anderen Bauern am 3. Januar 1908 die Molkereigenossenschaft Holterbarge (s. FK v.14.4.88.), und als Mitbegründer der Spar- und Darlehenskasse Potshausen erhielt er sogar die Mitgliedsnummer "1". Am 25. April 1945 wurde Potshausen bei den letzten Rückzugsgefechten fast gänzlich zerstört, so auch der alte Boekhoffsche Bauernhof mit dem "Gasthof zur Post".
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Es ist recht schwierig, über diese Posthalterei Potshausen zu schreiben. Alle Familienunterlagen verbrannten 1945. Auch die Dokumente der Fachstelle für Postgeschichte in Bremen sind ein Opfer des 2. Weltkrieges geworden. Zwar gibt es immer wieder Sammler, die sich mit großen Engagement mit der Postgeschichte ihres Heimatortes beschäftigten, aber im Overledingerland hatte man früher und auch noch heute andere Sorgen. Das Sammeln war verpönt. So können wir nur andeuten, was sich hier in der Grenzgemeinde Potshausen tat.
Jedem fällt auf, daß er "Potshausen" nicht im Telefonbuch findet. Nach einigem Nachdenken erinnert man sich daran, daß dieses alte und früher sehr reiche Bauerndorf an der Leda jetzt von den Fehntjern der Gemeinde Ostrhauderfehn mitverwaltet wird. Hat man nun endlich den Namen des gesuchten Teilnehmers im Telefonbuch gefunden, so merkt man schnell, daß die Welt hinter Holterfehn aufhört. Potshausen hat eine andere Vorwählnummer. Seit altersher gehört Potshausen zum Fernmeldeamt Stickhausen. Heute muß man sogar die Vorwählnummer von Detern wählen.
Die abgehenden Briefe erhielten während der dreißiger Jahre den Landpoststempel "Potshausen, über Stickhausen", denn dort war die Bahnstation. Von Ostrhauderfehn kommend, fuhr die Postkutsche, beziehungsweise später der Postomnibus, über Westrhauderfehn und Holte nach Potshausen und von dort nach Stickhausen-Velde zum Bahnhof. Als die vierstelligen Postleitzahlen eingeführt wurden, erhielt Potshausen die Nummer 2919. Im Zuge der Gemeindereform in den siebziger Jahren, als das oldenburgische Idafehn der ostfriesischen Nachbargemeinde Ostrhauderfehn zugeschlagen wurde, erhielt Potshausen die Postleitzahl 2958 und die Ortsbezeichnung "Ostrhauderfehn 3".
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All das hat Postagent Heinrich Boekhoff nicht mehr miterlebt. Er verstarb 1967, hatte die Poststelle aber schon lange vorher seiner Tochter Auguste übergeben, die sie noch 25 Jahre lang weiterführte. Am 10. Oktober 1978 drückte sie "ihren" Stempel Potshausen zum letzten Mal auf ein Stück Papier zur Erinnerung. Nach vielem Hin und Her und wechselndem Personal schloß die Post Potshausen am 15. Januar 1987 nachmittags um 17 Uhr für immer. Die Weihnachtspost nimmt nun ein Landbriefträger mit zu seinem Postamt in Ostrhauderfehn.
Im Jahre 1916 brach der schwache Ledadeich bei Übbehausen, und ganz Potshausen stand unter Wasser. Unter dem Postschild steht Betty Boekhoff mit Auguste (auf dem Arm) und Meta, daneben hinten im Eingang Posthalter Heinrich Boekhoff, vor ihm eine Maid, neben ihm Wobke Kleemann und Magret Freese. Ganz rechts steht Friedrich Kleemann, Colinist aus Rinzeldorf. In der Mitte mit der langen Stange könnte Georg Schaaf im Boot stehen. Das Haus links war der Platz von Heinrich Müller, später Brüning. Um den Besitz dieser Boote entwickelte sich in diesen Krisentagen handfester Streit. |
Zur Verfügung gestellt von Georg Zeusel, Klostermoor, und Hinrich Reents, Ostrhauderfehn.
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