[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 01.11.1990

Dörfer waren auf diese Fähre angewiesen
Vom Übersetzen allein konnte Pächter nicht leben

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Dörfer waren auf diese Fähre angewiesen
Vom Übersetzen allein konnte Pächter nicht leben

Die Püntensaison in Wiltshausen ist zu Ende gegangen. Die Fährleute haben Winterurlaub. Die Fremden, "de Dütschen", sind wieder zurückgefahren in ihre Städte. Dort sitzen sie an den nebeligen Herbsttagen und sortieren ihre Urlaubsfotos. Was war das doch für ein tolles Erlebnis, mit der handgezogenen Fähre über die Jümme zu setzen. "Fährmann, hol över", diesen Ruf kann man sich zur Zeit sparen, denn in Wiltshausen zieht ab Oktober kein Fährmann mehr die Pünte auf die andere Uferseite.

Eine Sonntagsgesellschaft läßt sich über die Ems bringen. Im Hintergrund die "Landsburg", die von der Fa. Klatte übernommen wurde.

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Diese Fähre bei Amdorf erinnerte mich an die "Noortmer Pünte", von der ich am 13. September d. J. einige Fotos zeigen konnte. Die Fähre Leerort war neben der Emsfähre bei Halte und der Emsfähre bei Ditzum die am meisten benutzte Wagenfähre über unseren emsländisch-ostfriesischen Fluß. Wir können es uns heute fast nicht mehr vorstellen, daß alle Papenburger, die ins Rheiderland oder nach Holland wollten, immer zuerst nach Halte mußten, um dort mit der Fähre überzusetzen. Das kostete Zeit und Nerven. Heute benutzen wir die in den siebziger Jahren gebaute Papenburger Emsbrücke und verschwenden keinen Gedanken mehr an die früheren Püntenzeiten.

Der Blick auf die Hilkenborger Seite in früheren Jahren. Immerhin war der Anlegeplatz mittlerweile elektrisch beleuchtet.

Zwischen Leerort und Halte gab es aber neben den Bootsfähren von Mitling-Mark und der von Dorenborg noch eine wichtige Emsfähre, nämlich die zwischen Weener und Hilkenborg. Dazu muß man wissen, daß all die Bauern aus dem heutigen Westoverledingen, also die Landwirte der Emsdörfer von Grotegaste, Dorenborg, Coldemüntje, Hilkenborg, Mark und Mitling sowie von Völlen auf diese Wagenfähre angewiesen waren. Weener hatte in früheren Zeiten einen der wichtigsten Pferdemärkte in ganz Norddeutschland. Die Kleibauern aus dem Rheiderland und diejenigen auf der andern Seite der Ems waren auf das engste miteinander verbunden.

Als ich am Sonntag zuhörte und mir alles das notierte, was der 90jährige Dr. Franz Weers aus vergangenen Zeiten zu erzählen wußte, kam dieser bäuerliche Stolz immer wieder zum Vorschein. Sein Vater, der Landwirt Hinnerk Weers, verpachtete 1901 seinen großen Hof in Bagband für 5000 Mark jährlich (das war zu Kaisers Zeiten immens viel Geld !) und erfüllte sich seinen Wunschtraum: Er heuerte einen Kleihof bei Spriekenbörg von dem legendären Dr. Lang aus Leer. "He harr Klei unner't Föten" bedeutete soviel wie: Das war eine gute Partie, der Junggeselle war reich.

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Kleibauern waren für viele Fehntjer so etwas ähnliches wie "Fürsten". Solch ein Landwirt benötigte keinen Kunstdünger. Er konnte seinen anfallenden Kuhmist oder vornehm gesagt, seinen Rinderdung sogar noch kostengünstig gegen Wintertorf eintauschen. Wer einen Kleihof besaß, der hatte ausgesorgt. Ein Kleibauer war, ähnlich wie die Polderfürsten, ein landwirtschaftlicher Großunternehmer, der mit mehrstelligen Geldbeträgen umgehen konnte.

Fährmann Hanken demonstriert im Jahr 1954, wie die Hilkenborger Pünte früher über die Ems gezogen wurde.

Neben diesen Großbauern mit ihren Knechten und Mägden gab es auch kleinere Siedlerstellen, Heuer- oder "Köterbuurn", und natürlich die Emsfischer. Wer also ein kleines Heuerhaus bewohnte und sich nicht so gern in zeitlich begrenzte Dienste als Knecht begab, der ging auf der Ems fischen und konnte so ein Zubrot verdienen. Diese Fischer kannten "ihre" Ems ganz genau. Sie waren deshalb prädestiniert, Fährdienste zu übernehmen.

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Nun war das aber nicht so einfach, denn es handelte sich immerhin um herrschaftliche Fähren. Das heißt, die Fähren gehörten dem ostfriesischen Grafen oder Fürsten, der sie verpachtete. An solch eine Pacht zu kommen, war ziemlich schwer. Es gibt im Staatsarchiv Aurich eine ganze Reihe Akten, die sich mit solchen Querelen um die Emsfährpachten beschäftigen. In vielen Fällen mußte der geneigte Pachtreflektant nämlich eine ziemlich hohe Kaution hinterlegen. Auch mußte er das Fährhaus mieten. Hier lag natürlich die Einnahmequelle, denn ein Fährhaus war normalerweise mit einer Gaststätte verbunden.

Vom Fährpreis allein konnte kein Fährpächter leben. So waren zum Beispiel alle Hauseigentümer links und rechtsseitig der Ems fährschatzpflichtig, das heißt, sie mußten dem Fährmann einmal jährlich eine bestimmte Summe in Reichsthalern oder in Naturalien abliefern. Dafür aber konnten sie sich, wann immer sie wollten, umsonst übersetzen lassen. Solch ein Fährschatzregister aus dem Jahre 1837 wird im Archiv des Heimatmuseums Weener aufbewahrt. Allerdings, wer mit einem Pferd oder sogar mit einer Chaise im großen Boot, der sogenannten "Bulle", übergesetzt werden wollte, der mußte dann doch bar bezahlen: "Für Vieh und Fuhrwerk muß jedesmal das tarifmäßige Fährgeld bezahlt werden."

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Manche Fährpächter achteten gut auf das ihnen überlassene Fährhaus und auf die Pünte, andere wiederum nahmen es nicht so genau. Es gab also häufig Reibereien mit den zuständigen Behörden. Hinzu kam, daß im Winter wesentlich weniger verdient wurde als im Sommer. Wer also mit Geld nicht gut umgehen konnte, der kam alsbald mit der Pacht in Rückstand und mußte dann aufgeben. In neuerer Zeit war zum Beispiel der Winter 1962 sehr hart, so daß der Fährverkehr bei Hilkenborg drei Monate ruhen mußte und der Pächter keine Einnahme hatte. Der zuständige Kreistag beschloß, - das ostfriesische Fürstenhaus gab es seit 1744 nicht mehr -, das Gehalt des Fährpächters zu erhöhen.

Die Emspünte bringt einen "Käfer" auf die andere Seite nach Hilkenborg. Es ist winterlich kalt und Schnee liegt in der Luft. Die Fährleute verrichten kurz vor der Stillegung wie immer korrekt ihre Arbeit.

Die Hilkenborger Fähre kränkelte seit dem Eisenbahnbrückenbau 1924/26 vor sich hin. Durch den Anbau eines Laufsteg bei dieser neuen Friesenbrücke entfiel der Personenverkehr fast gänzlich. 

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Drei Autos gingen mit Mühe auf die Hilkenborger Pünte, die in den sechziger Jahren von einem kleinen Motorboot angetrieben wurde. Rechts ein Emsfischer.

Nach dem Bau der Emsbrücke bei Papenburg beschloß der Kreistag am 16. April 1971, die Hilkenborger Emsfähre einzustellen. Einsprüche, Widersprüche und Prozesse verzögerten die Stillegung um etwa ein Jahr. Seitdem gibt es bei Hilkenborg keine Pünte mehr.

Die Eisenbahnbrücke konnte die Fähre noch nicht verdrängen, denn nur Fußgängern und Radfahrern war es erlaubt, diese "Friesenbrücke" zu benutzen. Die neumodischen "Käfer" und andere Autos sowie kleine Lkws mußte wie eh und je auf die Pünte warten. Im Hintergrund der Bahnhof Hilkenborg, ein bekannter "Stell-dich-ein"-Platz, über den wir ein andermal mehr erzählen

Zur Verfügung gestellt von Friedel Popkes, Weener, und Heinz Schipper, Völlen.

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