Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
Fehntjer Kurier vom 06.09.1990
Hauptlehrer Ojemann textete
Osterfehnlied
Er sinnierte, zupfte und fidelte
die neue Melodie
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Es ist in diesen Monaten gerade ein neues Buch herausgekommen, das durch die Wiedervereinigung der beiden Deutschlands einen bedrückend aktuellen Bezug hat: "Die mißbrauchte Hymne" von Klaus Dede, im Eigenverlag, Oldenburg, Postfach 1546. Dort steht auf Seite 46 das "Fehnlied" von Harm Dirks Ojemann, ehemals Lehrer in Ayenwolde und Ostrhauderfehn, "von dem ich mehr nicht habe in Erfahrung bringen können".
Die Postkarte mit dem Fehnlied von Harm Dirk Ojemann und der Zeichnung von Folgert Körte, herausgegeben von Hinrich Reents, Ostrhauderfehn. |
Vielleicht hat der Autor Klaus Dede nicht gewußt, daß wir Overledinger ein Schulmuseum in Folmhusen haben, das demnächst mit dem Archiv in ein neues Gebäude zieht (das ehemalige Sandersche Haus). Hier hätte er vielleicht etwas erfahren können, aber "wir sind noch nicht soweit", sagte mir die Leiterin Wimoed Reuer.
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So bleibt uns nur die nervende Fragerei, die so viel Zeit kostet, daß kaum jemand in der Lage ist, sie zu leisten. Eine der Antworten, die ich erhielt, war, daß Ojemann in Esens gestorben ist. Also machte ich mich auf den Weg und besuchte den Friedhof von Esens, der weithin bekannt ist wegen der vielen Gräber von Kindern, die 1943 bei dem Bombenangriff auf die Schule ums Leben kamen. Und siehe da, ganz links hinten in der Ecke steht der Grabstein mit folgendem Text: "Harm Ojemann, Hauptlehrer, 5.3.1886 - 30.4.1955".
Hauptlehrer Harm Dirk Ojemann, wie ihn viele Schüler und Schülerinnen Ostrhauderfehns in Erinnerung haben. |
Das sind die nackten Daten eines Lehrerlebens, die sicherlich noch ergänzt werden könnten. Mit 43 Jahren wurde Ojemann, der vorher Lehrer in Ayenwolde gewesen war, im Jahre 1929 Hauptlehrer an der Schule I in Ostrhauderfehn. Hier blieb er bis zu seiner Pensionierung 1951. Dann verzog er nach Esens, dem Geburtsort seiner Frau Johanne, geb. Jung.
Uns soll hier und heute interessieren, was diesen Lehrer Ojemann so bekannt gemacht hat, daß es sogar eine Postkarte von dem oben genannten "Fehnlied" gibt, ehemals herausgegeben von Hinrich Reents, Ostrhauderfehn, und daß sogar eines seiner Gedichte ("Unweer") im "Ostfriesischen Lesebuch" abgedruckt ist, aber daß noch keine Straße in Ostrhauderfehn nach ihm benannt wurde.
Ojemann, so erklärt uns einer seiner Schüler, nämlich Andreas Hartmann, gebürtig aus Ostrhauderfehn, (der später selbst Lehrer in Hamburg geworden ist), Lehrer Ojemann war ein sehr musischer Pädagoge, der viele eigene Gedichte und selbstkomponierte Lieder für seinen Unterricht schrieb. Hier der Bericht von Andreas Hartmann:
"Ich war Schüler in Ostrhauderfehn von 1935 bis 1944. Eingeschult wurde ich bei Frl. Tuinmann, der späteren Mittelschullehrerin, mit einer Tüte Backpflaumen, die ins Pult kamen und täglich verteilt wurden. Zum Singen kam Harm Dirks Ojemann in die Klasse, mit Geige. Ich erinnere mich, daß eines Tages an der Wandtafel zufällig die Verse standen "Mein Roller, ja, mein Roller". Ojemann las die Strophen, nahm die Geige, sinnierte, zupfte und fidelte, und bald war eine Melodie erfunden zu diesem Gedicht. Wir sangen sie mit ihm, wir Kinder sangen sie zu Haus der Mutter vor, und ich sang sie dreißig oder vierzig Jahre später mit meinen Kindern im Unterricht.
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Ich habe die beiden letzten Schuljahre (1943/44) mit Ojemann als Klassenlehrer "hautnah" erlebt. Wir nannten ihn liebevoll "Otje". Das sind Erinnerungen, die mehr die Kriegszeit betreffen als den Unterricht. Aber ich erinnere mich auch eines hervorragend guten und gnadenlos strengen Unterrichts in Deutsch. Mein "Schatz" an Gedichten, meine heute noch anhaltende Vorliebe für das Lesen von Lyrik verdanke ich wohl diesen beiden Schuljahren bei Ojemann.
Wir sangen und musizierten sehr viel. Er gründete eine regelrechte Musiziergruppe (mehrere Akkordeon- und Waldzitherspieler, Chor mit Soloeinlagen), wir führten das öffentlich auf und bekamen oft Besuch von anderen Junglehrern, weil der Unterricht einschließlich Sitzordnung usw. (Gruppentische, Gruppenarbeit) für damalige Zeiten sehr fortschrittlich war.
In den letzten Jahren war Ojemann allerdings auch oft ein grantiger, kantiger Mann, manchmal ein beißend boshafter Tyrann, bedingt wohl durch seine schwere Zuckerkrankheit. Von woher er kam (Ayenwolde ?), wohin er in den Ruhestand ging (Esens ?), ich weiß es nicht.
Aber ich weiß um die unglaublich reiche Palette seiner Lieder, die mir durch den Kopf schwirren. Plattdeutsche über Kipp-Kapp-Kögel, Kinderlieder, Heimatgedichte und -lieder ("Schnell rollt der Sand, fremde Schiffe fahren über unsern Strand" oder: "Liebe Gänseblume" oder: "Ich kenn zwei kleine Fensterlein") und vieles mehr.
Bekannt und verbreitet ist sein Osterfehnlied. Ich erinnere mich noch der Entstehung dieser Strophen, weil er in der Klasse nach verschiedenen Begriffen wie z.B. "Penn van't Roer" fragte. Wir haben es zu Hause viel gesungen später auch im Kirchenchor, bis es dann richtig populär geworden ist." - Soweit der gebürtige Ostrhauderfehner Andreas Hartmann, heute wohnhaft in Hamburg.
Zwei ältere Schülerinnen (rechts Lotti Maas) putzen Lehrer Ojemann die Schuhe, etwa 1935 bei einem Ausflug. |
Im Jahre 1954 wurde der 17. Juni erstmalig als nationaler Feiertag begangen. Es war zudem das Jahr der Fußballweltmeisterschaft. An diesem 17. Juni 1954 machten die Klassen 7 und 8 der Mittelschule Westrhauderfehn ihren Jahresausflug. Eine zweitägige Ostfrieslandbusrundfahrt stand auf dem Programm. Die Klasse 8 mit Frl. Tuinmann übernachtete in der Jugendherberge von Esens. Am nächsten Tag besuchten sie den pensionierten Lehrer Harm Dirks Ojemann und sangen ihm ein Ständchen. Frl. Tuinmann hatte mit ihm zusammen an der Schule I in Ostrhauderfehn unterrichtet und wußte somit, wo er jetzt im Ruhestand lebte. Ein Jahr später verstarb er, wie auf seinem Grabstein nachzulesen ist.
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Radtour des Gesangvereins Eintracht Ostrhauderfehn mit Hauptlehrer Ojemann zum Küstenkanal, etwa 1937. Stehend: Frau Johanne Ojemann, Hauptlehrer Ojemann, Maler Prahm. Von den drei Mädchen links hinter den Lupinen könnte eine Lene Wulf und eine Lisbeth Schmidt sein. Vor Lehrer Ojemann: Dirk Deepens Frau; vor Maler Prahm: Johanne Lüken, und rechts daneben mit Mütze: Dirk Deepen vom Untenende. Vordere Reihe: Hiske Houtjes, Hanni Prahm, ein unbekannter Kopf und Schuster Johann Taute (mit Brille). |
Zurück ging die Radtour über Scharrel, Ramsloh und Strücklingen. Im schattigen Klosterbusch wurde eine Pause gemacht. Links versucht Junglehrer Friedrich Taute mit einem Spirituskocher, heiße Würstchen "herzustellen". Rechts Hauptlehrer Ojemann mit Frau Johanne, dahinter Theda Ukena, Frau Berg und Lisbeth Schmidt von der Seite. Hanni Prahm beugt sich vor, um auch noch aufs Bild zu kommen. Daneben Helene Wulf, Maler Dirk Prahm, dahinter Hiske Houtjes, und als lebendes Radfahrerdenkmal mit Hosenklammer: Dirk Deepen vom Untenende Ostrhauderfehn. |
Leider gibt es bis heute keine Sammlung seiner Werke, und niemand weiß, wo der poetische Nachlaß dieses Pädagogen abgeblieben ist.
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Lebenslauf
Der Bäckermeister Dirk Harms Ojemann aus Nadörst (südlich der Stadt Norden) machte sich im vorigen Jahrhundert selbständig und eröffnete in Berumbur eine Bäckerei mit Krämerladen. Er verstarb früh, so daß eines seiner 11 Kinder, nämlich Johann, die Bäckerei alsbald übernehmen mußte. Ein weiteres Kind, nämlich Harm Dirks Ojemann, ging mit 14 Jahren auf die Präparandenanstalt in Aurich und wurde Lehrer. Seine erste Lehrerstelle trat er in Ayenwolde an (südlich von Emden) und heiratete später Johanne Jung aus Esens. Von 1929 bis 1951 war er Hauptlehrer an der Schule I in Ostrhauderfehn. Nach seiner Pensionierung 1951 verzog er nach Esens, wo er mit Lehrer Grupe, der eine Schwester von Johanne Jung geheiratet hatte, ein Doppelhaus bewohnte. Ojemanns waren kinderlos, so daß der Nachlaß an die Kinder von Lehrer Grupe fiel, die von Esens weggezogen sind.
Auf einer anderen Ausflugsfahrt ein Gruppenbild vor blühendem Rhododendron. Hintere Reihe von links: Olof Olson, H.D. Ojemann, ein unbekannter Mann, Frau Lüken (?), Schmiedemeister Hinnerk Schmidt, Erna und Johann Taute, Wenda geb. Sleur mit ihrem Ehemann Verlaat (gefallen), unbekannte Frau und ein Herr Schmidt. Im Vordergrund: Frau Olson, daneben eine Schmidt-Schwester, im Pullover Alfred Verlaat und Johanne Ojemann. Im Trägerkleid Frau Deepen, davor Hanni Prahm, dahinter kniend Anna Booten. Vorne sitzend Hildegard Tuitjer, dahinter Helene Wulf. Daneben mit weißer Schleife Erna de Vries, mit Knöpfen Frau Steenblock geb. Müller, die Vorletzte ist Johanna Freese geb. Lüken und ganz rechts Johanne Eichhorn, verheiratet mit Rudolf Börg. |
Die Fotos wurden zur Verfügung gestellt von Johanne Poppen, Westrhauderfehn.
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