[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 16.08.1990

Die Drosten der Burg Stickhausen
"Lange Haye" erwischte die schwerbepackten Oldenburger

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Die Drosten der Burg Stickhausen
"Lange Haye" erwischte die schwerbepackten Oldenburger

Unser ostfriesischer Landstrich ist recht arm an bedeutenden Bauwerken, wie sie in Süddeutschland fast in jedem Ort anzutreffen sind. Neben unseren zum Teil sehr alten Kirchen mit ihren Wehrtürmen haben wir im sogenannten Zweistromland zwischen Jümme und Leda ("over de Leda" kam man ins Overledingerland) nur die Burg Stickhausen als bemerkenswertes Bauwerk aufzuweisen.

Die Jümme hat ihre Quellflüsse im Aper Tief aus der Oldenburger Geest und in der Soeste, während die Leda ihr Wasser aus dem Hümmling über die Sagter Ems und das Langholter Tief (Rote Riede) erhält. Diese natürlichen Entwässerungsläufe waren in früheren Zeiten hervorragende Wasserstraßen, auf denen Boote, Schuten, Kähne, Mutten und Tjalken schippern konnten. Es waren die wichtigsten Verkehrsadern des Handels zwischen Hamburg und Holland, zwischen der Küste und dem Münsterland.

So ist es nicht weiter erstaunlich, daß die erste schriftliche Erwähnung der Burg Stickhausen in Berichten der Hamburger Kaufleute vorkommt. Die Burg diente zur Sicherung und als Stützpunkt der hanseatischen Handelsverbindungen. Die Burg Stickhausen ist also kein Häuptlingssitz gewesen.

In der Abenddämmerung ist der Blick auf den Turm von der Wallanlage besonders reizvoll.

Als Ulrich Cirksena 1464 in den Reichsgrafenstand erhoben wurde, versuchte er, eine Art Verwaltung in seinem Herrschaftsgebiet aufzubauen. Das Land wurde in Ämter eingeteilt. Die Burgen und Häuptlingssitze erhielten einen "Amtmann", der als Regierungsbeamter für das Wohl dieses "Regierungsbezirks" verantwortlich war. Bestimmte Gebiete, in denen der Adel ausgestorben war, oder Regierungsorte, die nie einem adeligen Geschlecht gehört hatten, wurden mit einem Drosten "besetzt" oder "belehnt". Das war häufig ein adeliger Heerführer, der außerhalb von Kriegszeiten keine Einkünfte hatte, sich also als Drost an den Einnahmen aus seinem Regierungsbezirks "bedienen" konnte.

Als 1473 Graf Eberhard von Oldenburg in Ostfriesland einfiel, mußte der Drost Siweke von der Burg Uplengen tatenlos zusehen, wie die Oldenburger an Remels vorbeimarschierten. Er verbündete sich mit dem Drosten von Stickhausen, der im Volksmund "der lange Haye" hieß, und die beiden erwischten die zurückkehrenden schwerbepackten Oldenburger bei Detern, wo es früher schon einmal zu einer mörderischen Schlacht gekommen war, und nahm ihnen die Beute ab.

Die Burganlage Stickhausen von der Jümme aus gesehen, kolorierte Lithographie von G. Kistenmacher aus dem Jahre 1864.

Graf Edzard I., der 1494 die Regierung aus der Hand seiner Mutter, der Gräfin Theda, übernahm, verstärkte die Festung Stickhausen im Jahre 1498 mit einem stattlichen Wehrturm, der bis in unsere Tage erhalten geblieben ist. Diesen Turm ließ der Oberst des Grafen, ein Otto Papen Loringa im Auftrage seines Herrn, erbauen (ließ durch den "drosten Otto Loryngha to Stickhusen leggen den ersten steen"). Dieser Oberst war Drost zu Stickhausen in den Jahren 1495 bis 1511. Ein weiterer Drost von Stickhausen wird im "Rechenbuch" (Rechnungsbuch) der Gräfin Anna genannt, nämlich Bole van Lengen, Drost von 1520 bis 1533 auf der Burg Stickhausen, der bei der Schlacht von Jemgum 1533 in Gefangenschaft geriet. (In diesem Rechnungsbuch wird übrigens ein Albert van Rhaude genannt, der von 1533 bis 1535 Drost im Amt Aurich war.)

Wenn der kriegerische Graf Edzard I. eine Fehde austrug, so benötigte er schlachtenerprobte Anführer, die er bezahlen mußte. Nach einem Sieg oder auch nach einer Niederlage wurden diese Anführer entlassen, erhielten aber ein Amt mit Einkünften, so daß sie jederzeit wieder einsetzbar waren. So war Feldhauptmann Otto Papen Loringa vorher schon einmal Drost zu Friedeburg gewesen, bevor er als Oberst dann Vogt und Drost von Stickhausen wurde.

Mit diesen Drosten beschäftigt sich Klaus Borchert. Genauer gesagt, Borchert ist ein "Preußenfan". Er kennt sich in der preußischen Geschichte sehr gut aus. Er hat nun, nach seinem Wohnortwechsel ins schöne Overledingerland, seinen Forschungsschwerpunkt auf die preußischen Drosten der Burg Stickhausen verlagert.

Klaus Borchert in seinem Arbeitszimmer. Der Diplom-Finanzwirt Klaus Borchert, Jahrgang 1947, interessiert sich seit seiner Schulzeit für Geschichte. Seinen Schwerpunkt hat er später auf die Preußenzeit gelegt. Er arbeitet mit dem Zentralen Staatsarchiv in Merseburg, DDR, sowie mit dem Geheimen Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz in Berlin-Dahlem zusammen. Gebürtig aus Dortmund hat er das Ruhrgebiet seiner drei Kinder wegen 1982 verlassen, die dort, wie viele andere Kinder auch, Probleme mit den Bronchien hatten. In Westrhauderfehn kaufte er für seine Familie ein Haus und arbeitet jetzt beim Finanzamt in Oldenburg. Schon in Dortmund hat er einige kleinere historische Artikel für Tageszeitungen geschrieben. In Westrhauderfehn durfte er als Nichtostfriese und nautischer Laie die Chronik des traditionsreichen Schiffervereins "Germania" zum 100jährigen Jubiläum verfasssen, was für Kenner der Materie eine ungeheure Anerkennung bedeutet.

Dabei hat er sechs Drosten namentlich herausfinden können: Carl de Lamy du Pont (Bestallungsurkunde vom 14.3.1748), Heinrich Bernhard von Apelle (oder auch: Burchard von dem Apelt), Dodo Heinrich von Kniephausen, Generalinspekteur Karl Wilhelm von Tschirsky, Erhard Gustav Graf von Wedel und Generalleutnant Alexander von Jürgaß. Über all diese sechs preußischen Drosten konnte Klaus Borchert interessante Einzelheiten herausfinden, zum Teil in recht mühsamer Archivarbeit. Wir müssen uns aber an dieser Stelle mit dem Hinweis begnügen, daß derjenige, der Interesse hat, alle Unterlagen bei Klaus Borchert einsehen kann.

Während der französischen Herrschaft von 1806 bis 1813 war das Amt Stickhausen in die Mairien Detern, Holte und Remels geteilt. Der Präfekt wohnte damals in Detern. Nach dieser Fremdherrschaft wurde Stickhausen 1819 wieder ein ostfriesisches Amt im Königreich Hannover. Oberamtmann Gerdes und zwei Assessoren leiteten die drei Vogteien Detern, Remels und Rhaude, die wiederum in die Untervogteien Detern, Nortmoor, Hesel, Remels, Rhaude und Backemoor aufgeteilt waren.

In der Nacht vom 26. auf 27. Dezember 1874 entstand im südlichen Teil des Burggebäudes Feuer, wobei zahlreiche Akten vernichtet wurden. Wenig später, am 1. Dezember 1879, wurde das Amtsgericht von Stickhausen nach Leer verlegt. Und weitere fünf Jahre später kam das Amt Stickhausen zum Kreis Leer mit Sitz in der Stadt Leer. Das "alte Amt Stickhausen", das als Verwaltungskörperschaft wichtige Schwerpunkte wirtschaftlicher Art setzte, u.a. mit der Gründung des "Rhauder Vehns", hatte aufgehört zu existieren. Rudolph Heinrich Karl von Glan, von 1760 bis zu seinem Tode 1807 Amtmann zu Stickhausen, ist bis heute unvergessen, erinnern doch Straßen und auch die Ortschaft Glansdorf (bei Collinghorst) an ihn.

Im Erdgeschoß wohnte früher der Gefängniswärter.

Eine Ritterrüstung aus dem Militaria-Stockwerk.

 

Im Burgverlies harren die "Gefangenen" auf ihre Bestrafung.

Die Burg Stickhausen hat ein interessantes Gefängnis. Im Halseisen festgeschlossen wird der Delinquent mit der Neunschwänzigen Peitsche bestraft. Öffnungszeiten: Täglich, auch Montags, von 10 bis 11 Uhr und von 14 bis 16 Uhr, sonntags von 14 bis 18 Uhr oder nach Vereinbarung (Tel. 04957/707).

Fotos: Heinze

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