[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 02.08.1990

Mit Düwelsklauen gegen Brennesseln
Erste zarte Bande wurden oft im Sandkasten geknüpft

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Mit Düwelsklauen gegen Brennesseln
Erste zarte Bande wurden oft im Sandkasten geknüpft

Sind sie nicht niedlich, die lieben Kleinen ? So mancher mag das gedacht haben, als sie (oder er) die Bilder auf dieser Seite betrachtete. O wie süß, kiek mol, de spölen achtert Huus "Mama un Papa". Elk freei sien Nahbers Kind, denn weet he, wat he findt. Zurück gehen die Gedanken in eine Zeit, als wir selber noch klein waren. Mit den Nachbarskinder saßen wir in irgendeiner kleinen Sandkuhle, bauten uns einen niedlichen Garten aus Zweigen und Blättern, setzten Käfer, Ameisen und Fliegen hinein, und fertig war unser "Paradies".

Natürlich erwischten die Jungen auch mal eine Spinne. Dann liefen die Mädchen kreischend davon. Hinterm Backhaus kamen sie mit einer langen Brennessel zurück. Nun waren es die Jungen, die laut schimpfend das Weite suchten. Sie fanden die "Sitt-in-Hosen", die Kliewen, Kleerkatten oder Düwelsklauen, und schon bald hafteten die Wurfgeschosse fest wie Kletten in den Zöpfen der Mädchen. Da lief später so manche Träne, wenn die Mutter die langen Haare auskämmte...

"Watt sük leev hett, dat brüd't sük", heißt es im Volksmund; "targen, pieren, jüchtern oder tirrnarren" nennt das der Ostfriese. "Mama, Mama, he will mi watt!" Ärgern und necken kam im Sandkasten genauso vor wie das "Hochnehmen" in den späteren Jahren. Aber mit 10 Jahren war man für den Sandkasten zu alt. Nun gab es andere Interessen. Oder man wollte auch nur allein sein. Seinen Gedanken nachhängen. Zum Beispiel beim Angeln oder beim Ball-an-die-Mauer-werfen. Stundenlang konnten die Mädchen dieser "sinnlosen" Tätigkeit nachgehen, genauso wie die Jungen, die immer wieder das Netz oder die Angel zum "Budden" in den Kanal warfen.

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Damals, als sie noch klein waren, da spielten (oder zankten sich) die Mädchen und Jungen einträchtig miteinander. Wenn tatsächlich Streit aufkam, erschien die Mutter, schlichtete oder schimpfte, je nachdem, wie sie gerade gelaunt war. Damals, als sie noch klein waren, da strullerten und pillerten sie gleich neben den Spielplatz. Sie waren ja schon "aus den Windeln", und das mußte doch jeder sehen und anerkennen.

Bei dem Wort "Spielplatz" ist vielleicht mancher Leser zusammengezuckt. Stand doch neulich in der Zeitung, daß ein Gericht in Oldenburg den Kindern eines Heims an der Gebrüder-Grimm-Straße in Leer das Spielen auf ihrem Spielplatz nur noch stundenweise erlaubt. Für den Sonntag wurde sogar ein totales Spielverbot ausgesprochen. In was für einer Welt leben wir eigentlich ?

Früher, als Mutter sieben oder sogar neun und mehr Kinder zu versorgen hatte, kam es schon einmal vor, daß Kindergeschrei den Lärmpegel hochschnellen ließ. Zugegebenermaßen gibt es Kinder, die derart plärren und gieren bei dem kleinsten Wehwehchen, daß man sich die Ohren zuhalten möchte. Da ist manchem schon die Hand ausgerutscht, um endlich Ruhe herzustellen.

Auch spielen strengt an. Eine gemütliche Pause mit ein paar Früchten aus dem Garten, das ist so recht nach dem Geschmack von Karin und Gustel.

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 Garten alsbald ein eingezäuntes "Paradies", daß mit dem Wort "Kindergarten" überhaupt nichts zu tun hat. Hier darf der Sprößling - natürlich geschützt durch eine entsprechende Unterlage - die Natur genießen. Spätestens, wenn das Kind in die Kinderkrippe oder in den Kinderhort kommt, merkt es, daß es die Erwachsenenwelt nur häppchenweise zugeteilt bekommt. Wie in einem Gefängnis wächst es unter strengen Regeln in eine Ordnung hinein, in denen Erwachsene bestimmen, was "kindgemäß" ist. "Unser Kind hat doch alles", ist ein ständig wiederholter Satz, wenn Eltern nicht verstehen, warum gerade ihr Kind sich anders verhält, als sie es erwartet hatten.

Das Kind als Problem in unserer heilen Erwachsenenwelt ? So ganz falsch kann dieser Satz nicht sein, wenn das Urteil von Oldenburg Rechtskraft erlangt. Dabei steht dieses Verwaltungsgericht wahrlich nicht einzig da in der Bundesrepublik. Es gibt noch viel deprimierende Urteile, die nicht nur Kindern sondern auch Sporttreibenden die Freiheit nehmen, sich auszutoben. Wer je in einem Hochhaus gewohnt hat, der kennt die Probleme, die "Eltern mit Kind" heute in einer Stadt haben.

Christa Thoben und Karl Heinz Nußwaldt spielen neben der ehemaligen Plümerschen Gaststätte (heute Volksbank) im Sand mit den Spielsachen ihrer Eltern.

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Das Leben auf dem Land erscheint als Alternative. Hier, wo der Großvater mit der Großmutter in der Sandstelle neben dem Haus einst ihre ersten sozialen Erfahrungen machten (de Kinner mullen in'n Sand), hier möchte auch der junge erfolgreiche und dynamische Ehemann seine Kinder aufwachsen sehen. Allerdings übersieht er, daß es die Sandstelle nicht mehr gibt. Betonsteine rechts und links ums Haus, eine Ehefrau, die genervt zum wiederholten Male Steine, Fenster und Rasen säubert und reinigt und von ihrer ehemaligen Arbeitsstelle träumt, als sie noch frei und unabhängig war.

Stolz betrachten die Mütter das Treiben ihrer Kinder. Links könnte Hanne Grüßing mit Karl Heinz spielen, aber das ist schon sooo lange her, wer weiß da noch die Namen ?

Das Kind als Problem in unserer Welt ? Wie haben das eigentlich unsere Vorfahren gemacht mit fünf oder noch mehr Kindern ? Die Frage muß erlaubt sein, denn soviel kann sich doch eigentlich gar nicht geändert haben. "Een Kind, kien Kind; twee Kinner, Spölkinner; dree Kinner, völ Kinner." Damals spielte Heye den Bräutigam, und Trientje war im weißen Nachthemd mit mottensicherer Tüllgardine eine hübsche Braut. Hilke und Engelina durften die Brautjungfern sein, Weyert trommelte wie wild auf einen alten Eimer, und in den Gläsern (mit einem Sprung) leuchtete das rote Kribbelwasser.

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Aus mancher Sandkastenliebe ist später ein ordentliches Ehepaar geworden. Aber warum haben diese jungen Eltern so schnell vergessen, wie es damals war, in der einfachen Sandstelle "achtert Huus", wo ein paar Grashalme die Wiese darstellten und ein paar "Tacken" den Wald? Wo eine alte Heringsdose genügte, um fantasievoll Kuchen zu backen? Warum ist diese einfache Welt von gestern, in der wir so schön spielten, heute nicht mehr "gut genug"? Ich weiß keine Antwort.

Mit Hingabe vertiefen sich Rita und Hilde in ihr Sandkastenspiel. Die alten Zementziegel verhindern, daß der Sand überallhin verstreut wird.

 

Ein unbekannter Mann hilft Christa, den Pferdewagen zu beladen. Karl Heinz interessiert viel mehr, wer dahinten um die Ecke kommt.

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Ob es regnet oder ob die Sonne scheint, Vater, Mutter und Kind kann man auch fein im Herbst spielen. Hier sind es Magret Gruben und Hermann Drieling, die das immer wieder spannende Spiel probieren.

Eine andere Variation des Vater/Mutter-Spiels ist das Opa-und Oma-Ehepaar. Mit ein bißchen Fantasie ist das sogar auf diesem Foto erkennbar.

 

Zur Verfügung gestellt von Johanne Drieling (2), Karl Heinz Nußwaldt (2), Johanne Scheer und Wilhelm Lalk.

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