Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
"Bi hum hebb ik mien erst Lag Hau hat"
Die Volksschule II in Ostrhauderfehn
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Je weiter sich das Rhauder-Oster-Fehn nach Süden ausdehnte, um so länger wurden die Wege für die schulpflichtigen Kinder. In der oberen Gemeinde gab es 1887 immerhin 79 solcher Kinder, die zwangsläufig die alte Schule neben dem Friedhof im Untenende besuchen mußten. Das waren teilweise Fußmärsche von mehr als drei Kilometer - in Holzschuhen!
Bild von etwa 1921/22, Schule Ostrhauderfehn II oben: 1. Reihe von oben, immer beginnend
von links: Engelke Eenhuis, Focki Berghaus, Evert Tinnemeyer, Annäus Neeland, Jürn Duis,
Lammert Schmidt, Hilda Toben, Hiske Warntjes, Lini Schmidt, Anni Schaa, Anna Berghaus. |
Die Kirchengemeinde, unter deren Oberhoheit die Schulaufsicht lag, hatte ein Einsehen. Schon 1881 hatte man am Ende der 2. Südwieke ein Grundstück auf der Ostseite gekauft. Dort war es aber sehr naß. Auf der gegenüberliegenden Seite, etwas südlicher beim heutigen Standort, gab es wesentlich mehr Sanduntergrund, so daß hier ein größerer Schulneubau sicherere Fundamente erhalten konnte.
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Bis zum Neubau sollten aber noch Jahre vergehen. Der provisorische Schulvorstand, bestehend aus Andreas Duis, Gerhard Niehuis, Peter Janssen und Dirk Veen, konnte das notwendige Geld bei der Regierung nicht loseisen. So wurde in der Wohnküche von Lammert Toben (heute Peter Rotman) in der 2. Südwieke ein "Notschullokal" eingerichtet. Die über 80 Kinder unterrichtete der Osnabrücker Lehramtskandidat Dallmeyer im Jahr 1893.
Endlich war es dann doch soweit. Am 28. Juli 1901 wurde die neue Schule eingeweiht. Lehrer Gehrke zog mit Gesang ins Klassenzimmer, und Pastor Focken hielt die Weiherede. Doch schon bald war diese Schule II total überfüllt. Ostern 1904 war die Schülerzahl auf 117 gestiegen! Erneut mußte gebaut werden. Reent van Allen mit seinen Leuten erstellte im Jahr 1905 einen zweiten Klassenraum. Auch das reicht mit den Jahren nicht aus. Zwei Jahrzehnte später baute Timmerbaas Bothen einen dritten Klassenraum an. Ein letztes Mal wurde die Schule II im Jahr 1961 erweitert. In der ehemaligen Dienstwohnung entstand ein Behelfsklassenraum.
Diesen Holzschnitt fertigte Olga Mettjes im Kunstunterricht. Er schmückte später die Titelseite der ersten Ostrhauderfehner Schulzeitung "Uns Schoelblatt", die 1965 erschien. Die künstlerische Freiheit machte aus den drei Linden (ursprünglich sogar sechs) einen einzigen stilisierten Baum, der nach rechts verlegt wurde. Das an dieser Stelle vorgesehene Schulbild von 1919 mit Mester Krumminga und Lehrer Frieling hatte so wenig Kontrast, daß es trotz aller technischen Fortschritte nicht gedruckt werden konnte. |
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Nachdem im Oktober 1967 die neue Grundschule am Midendorfweg fertiggestellt worden war, wurde es plötzlich leer in der alten Schule II. Zwar wurden hier immer noch einige Klassen unterrichtet, aber das Ende dieser Schule war absehbar. Heute nähen dort fleißige Frauen mit elektrischen Nähmaschinen vorgeschnittene Stoffe aneinander.
Der alte Ofen ist geblieben, als dieses Ostrhauderfehner Klassenzimmer Ostern 1965 neues Gestühl erhielt. Er schluckte viel Schwarztorf, der morgens eine Stunde vor Unterrichtsbeginn angesteckt werden mußte. Früher gab es bei allen Schulen einen Torfschuppen. - Der Klassenraum hoch unterm Dach der Schule II hatte noch feste Zweierbänke, die aus der alten Dorfschule Holte stammten. |
Schon 1897 leitete die Schule II ein Lehrer Horstmann, und mit dem Schulleiter Heinrich Horstmann (von 1949 bis 1965) endete das rege Schulleben hier oben. Dazwischen führten bekannte Lehrer ihr strenges Regiment in den Klassenzimmern: ab 1. Oktober 1912 leitete Krumminga die Schule, ab 1. November 1919 Lehrer Schütte, der 1923 zum Hauptlehrer ernannt worden war und 1927 verstarb. Ihm folgte Mahrenholtz und ab 1937 Gottschalk, der 1945 durch Nußbaum vertreten wurde, bevor dann Horstmann kam.
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Am 1. April begann der erste Schultag
Am 1. April steht im Kalender das Wort "Judika". Das war früher ein wichtiges Schulfest. Die Kinder erhielten neue Sachen zum Anziehen. Es gab Kakao und Stuten (siehe Fentjer Kurier vom 25.2.88).
Nach dem 1. Weltkrieg änderte sich einiges in der deutschen Schule. Die kirchliche Oberaufsicht wurde abgeschafft. Damit gab es kein Judikafest mehr. Auch die Sedansfeier und Kaisers Geburtstag fielen der "neuen Zeit" zum Opfer.
Als Anni van Dieken mir die beiden alten Schulbilder zeigte, hob ich abwehrend beide Hände hoch. Nein, bloß keine Schulbilder ohne Namen! Aber Anni konnte mir die Namen noch alle nennen - bis auf ein paar "Jungse", die ihr nicht mehr im Gedächtnis hafteten.
Da Anni van Dieken auch noch viele andere schöne Fotos hatte, habe ich dann doch "ja" gesagt - mit einem kleinen "aber". "Aber" nur, wenn wir auch einige Fotos von denjenigen bekommen, die heute noch leben.
Damit hatte ich mir selbst eine Falle gestellt. Wie oft ich zu welchem Haus gefahren bin, wie oft ich "bitte, bitte" gesagt habe und doch nur ein "nee" zur Antwort bekam, das allein alles aufzuzählen, würde diese Seite füllen. Aber wir wollen uns ja die Gesichter anschauen und die Namen lesen von den Groß- oder sogar Urgroßeltern. Wir erkennen "Tetje langsam" wie das "rote Fräulein".
Die Lehrerin Gerda Driever hatte feuerrote Haare, und Spitzbart Krumminga, der vorher Lehrer in Großefehn gewesen war, ließ Mädchen zur Strafe so lange Blumentöpfe in den beiden ausgestreckten Händen halten, bis sie hinfielen und zersprangen. "Bi hum hebb ik mien erst Lag Hau hat", wissen die ehemaligen Schüler zu berichten. Das war damals üblich, die Schläge mit der Haselnußgerte. So mancher Stock zerbrach schon in den ersten zehn Minuten des neuen Schultages. Das kann sich die heutige Schülergeneration überhaupt nicht mehr vorstellen.
Schulbilder aus dieser Zeit sind oft die einzige fotografische Quelle für Familiengeschichten. Zu dieser Zeit um 1920 hatte auf dem Fehn kaum jemand soviel Geld, daß er sich und seine Familie von einem Wanderfotografen ablichten ließ. Wer also seine Urgroßmutter als junges Mädchen für die Familienchronik benötigt, der muß sich ein solches Bild beschaffen, es abfotografieren und die betreffende Schülerin dann ausschneiden. Von beiden Schulfotos habe ich kein zweites Exemplar gefunden, sonst hätte ich zumindest den fehlenden Kopf auf dem älteren Foto ersetzt.
Ich hoffe, daß diejenigen, die auswärts wohnen oder die krank sind oder die gerade nicht zu Hause waren, mir nun nicht böse sind, daß sie nicht in der Zeitung stehen. Jedem rechtgetan ist eine Kunst, die niemand kann.
Hilda Toben |
Anni Plaisier | Laurenz Haskamp | Dini Kramer |
Reinhard Meyer | Hilda Schmidt | Ulpt Schaa |
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