[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 22.03.1990

Diakonissen auf dem Fehn I
Oft blieb nur der Weg in das Kloster

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Diakonissen auf dem Fehn I
Oft blieb nur der Weg in das Kloster

Als ich an der Festschrift der Kirchengemeinde Ostrhauderfehn mitarbeitete, fiel mir ein Satz auf, über den ich "stolperte": "Auf Schwester Henny Iken folgte 1934 - 1937 Schwester Wilhelmine Groenhagen, die ihre Arbeit an Schwester Harmine von Aswegen übergab. Sie war zunächst als Diakonisse und später als sogenannte, braune Schwester‘ in der Gemeinde von 1937 - 1946 tätig."

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Die zweite Ostrhauderfehner Diakonisse, Schwester Wilhelmine Groenhagen, mit kleiner Haube und großer Schleife. Jedes Mutterhaus hatte eine eigene Haube.

Was war eine "braune" Schwester? Mir gingen viele Gedanken durch den Kopf. "De in de geele Büxen", das waren welche von den "Braunen" Ob das von Braunau, dem Geburtsort Adolf Hitlers, sich ableitete? Wahrscheinlich nicht, denn die SA, die Sturm-Abteilung die "braunen Horden" unter ihrem Stabschef Ernst Röhm hatten bei der Auswahl ihrer Uniform keine großen Möglichkeiten. Das blau war traditionell preußisch und das Blaugrau trug schon der Stahlhelm, das Rot war seit einigen Jahrzehnten den Linken vorbehalten, und das Grün trugen die Förster und Schützenvereine. Da blieb nur noch das Gelb. Es wurde zum Erdbraun der SA-Uniformen gemacht, während die Parteimitglieder ein sattes Gelb bevorzugten.

Die Farbe "braun" benutzen wir, wenn jemand mit der Zeit des Nationalsozialismus in Verbindung gebracht wird. "De het geele Büxen an", das bedeutete soviel, daß der- oder diejenige in eine NS-Organisation eingetreten war.

Schwester Harmine eine "braune" Schwester? Ich war neugierig, habe gefragt, habe Fotos bekommen und ihre Adresse. Sie wohnt jetzt in Bremen und heißt Frau Wachendorf. Ich tippte einen Brief und sie hat mir ausführlich wiedergeschrieben.

Doch bevor ich zitiere, wollen wir uns kurz mit den Diakonissen allgemein und geschichtlich befassen. Das Wort "Diakon" kommt aus dem Griechischen und heißt "Diener". Die Diakone waren in der alten Kirche sowohl Gehilfen des Bischofs als auch Mitarbeiter in der Gemeinde bei der sogenannten "Liebestätigkeit". Daneben gab es von Anfang an die weibliche Form. Die Diakonisse war innerhalb der Gemeinde für liturgische Dienste und Liebestätigkeit da. So um 1100 begann die Zurückdrängung der manchmal doch beherrschenden Stellung z. B. eines Archidiakons. Die Diakonissen verschwanden sogar ganz aus dem sakralen Geschehnis vor dem Altar. Bis auf den heutigen Tag darf die Frau in der katholischen Kirche kein liturgisches Amt bekleiden, während die evangelische Kirche seit langem die "Diakonin" kennt.

Die Frauen konnten im Mittelalter, wenn sie sich der seelsorgerischen Krankenpflege widmen wollten, nur ins Kloster gehen. Als Ordensschwester kennen wir sie auch heute noch in katholischen Krankenhäusern, Kinder- und Altersheimen. Diese weiblichen Ordenshäuser der katholischen Klöster wurden oftmals geleitet von adeligen Damen.

Nach der Reformation, der Abtrennung von der katholischen Kirche, konvertierten ganze Nonnenklöster. Es entstanden die meist adeligen evangelischen Damenstifte in Norddeutschland. Frauen, die keine Familie gründen wollten, die in Nachkriegszeiten wegen Männermangel ledig bleiben mußten oder die sich zu dem noch nicht existierenden Beruf einer Krankenschwester hingezogen fühlten, fanden hier eine Bleibe.

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Gefreiter Willy Buchholz schickte 1915 an seine Lieben in Bremen dieses Foto aus dem Reservelazarett Freiburg. Links eine Nonnenschwester und rechts eine weltliche Schwester.

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Ursprünglich gab es bei den Griechen und Römern eine Art Privatklinik für verwundete und kranke Soldaten, die solche Behandlungen auch bezahlen konnten. Während der Kreuzzüge gab es sogenannte Pilgerheime, und in Byzanz wurde 1135 in Verbindung mit einem Männerkloster das erste hygienisch, organisatorisch und in der ärztlichen Betreuung ganz modern anmutende Krankenhaus gegründet.

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Ein Kinderkrankenhaus, ein Hospital, ein Sanatorium, ein Hospiz. Links die Jungen, rechts die Mädchen. Im ganzen Saal eine einzige Karbidlampe!

Im Mittelalter entwickelten sich dann die Findlings-, Krüppel- und Siechenheime, und es entstanden Spezialspitäler für Aussätzige. Wer heute über Aids und Krebs stöhnt, weiß nichts von den mittelalterlichen Pesthäusern! Es entstanden spezielle Krankenpflegeorden wie die Antonsbrüder, die Lazaristen, die Schwarzen Schwestern, die Johanniter, Hospitaliter und Benediktiner.

Das vorige Jahrhundert brachte bekanntlich den Durchbruch in der wissenschaftlichen Medizin. Es sei hier nur erinnert an den "Retter der Mütter", Ignaz Philipp Semmelweis, der das Kindbettfieber erfolgreich bekämpfte, oder an Rudolf Virchow der ebenfalls weitreichende Maßnahmen im Bereich der Volkshygiene durchsetzte oder an Robert Koch, den Entdecker des Tuberkulosebakteriums.

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Krankenschwesterlehrgang in München. Disziplin, Ordnung und Sauberkeit standen im Lehrplan obenan. Immerhin gab es schon ein hängendes Skelett.

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Wenn in Oldenburg endlich das "Museum für Krankenhausgeschichte" fertiggestellt ist, kann sich dort jeder umfassend informieren.

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Als Gebke Schoemaker, geb. Plümer, am 6. März 1956 ihren Geburtstag feierte, gratulierte auch Schwester Hanna (Gewald), "die Sanftmütige." Ganz links Annette Diekmann und in der Mitte Weerta Nußwald.

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Die erste Diakonisse von Ostrhauderfehn, Schwester Henny Iken, die später noch in Collinghorst segensreich wirkte. Rechts Gesine Reents, geb. Gewald, mit dem Familienhund.

 

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Bei einer Weihnachtsfeier in Völlen wurde Schwester Anni mit Pastor Aden fotografiert.

Zur Verfügung gestellt von Gerd Böttcher, Karl Heinz Nußwaldt, Hinrich Reents, Heinz Schipper, Grete Schulz, Erna Taute und Rita Ulferts.

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