Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
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Kleider machen Leute, so heißt eine bekannte Novelle von Gottfried Keller. Ein Schneider wird wegen seiner guten Kleidung für einen Grafen gehalten. Ein moderner "Hauptmann von Köpenick", denn auch hier sind es die Kleider beziehungsweise die Uniform, die aus einem einfachen Menschen eine höhergestellte Person macht.
Die Illusion, die solch ein "Habit" auf andere Menschen ausübt, ist bis heute geblieben. Zu allen Zeiten bewunderten die Menschen des "Kaisers neue Kleider", auch wenn sie gar nicht zu sehen waren. In diesem Kunstmärchen von Hans Christian Andersen wird deutlich, wie sehr die Imagination, das Image, wie die Jugend heute sagt, eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft spielt.
Der Ostfriese ist nüchterner. Er weiß, daß er es ist, der des Kaisers neue Kleider bezahlen muß. Er ist zufrieden mit seinem "Packje"' das er täglich trägt. Sonntags ist es ein Anzug, der möglichst auch als "Dodenrock" dienen sollte. Am liebsten aber würde er "mit sien Packje na de Kark un na't Markt" hinlaufen. Für einen Mann, der mehr als einen Anzug im Kleiderschrank hatte, gibt es nur die Bemerkung: "He is dat reinste tweebenige Kleerschapp."
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Der Schneider ist ein Zauberer. Durch seine flinken Finger entsteht aus einem unscheinbaren Stück Stoff ein Rock mit modischen Beinkleidern. Diese Möglichkeiten hat der Beruf erst spät mit sich gebracht. Früher war das Nähen von Kleidung eine simple Notwendigkeit, um sich vor Kälte und Wetterunbilden zu schützen. Erst als die verschiedenen Uniformen der morgenländischen Soldaten nach Europa kamen, entwickelte sich auch bei uns so etwas wie eine Kleidungskultur.
Die Volkskunde versucht immer wieder, die Ursprünge von Volkstrachten zu erforschen. Das ist gar nicht so leicht, da früher kaum Zeichnungen vom "einfachen Mann" angefertigt wurden. Die Kleidung der Minnesänger bei Hofe sagt wenig aus über den Landmann und Bauern. Über die Gotik und die Barockzeit ließen sich verschiedene höfische Stilformen der männlichen Bekleidung von Adelspersonen verfolgen und erklären. Noch interessanter ist die Geschichte der "Hose".
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In seinem Buch "Vom Lendenschurz zur Modetracht" beschreibt Heinrich Mützel die alten Germanen, wie wir sie aus vielen Museen kennen: Die s Männer trugen togaähnliche Kleider wie die Römer. Erst durch die Türken kamen die Europäer zu ihren Pluderhosen. In Spanien entwickelten sich daraus die "Rollhosen" (rundwulstige Oberschenkelhosen) und in Frankreich die mit Schleifen verzierten "Kniehosen". Erst die Revolution kam zurück auf das lange Beinkleid. Daraus wurde die "Röhrenhose" mit Bügelfalte, die Rundbund- und die Spitzbundhose sowie die Sporthosen "Breeches", die "Knickerbockers", Shorts und Skihosen.
Hergestellt wurden all diese Hosen, Westen und Jacken, Überröcke und Mäntel vom Schneider. Im alten Volksmärchen, das die Brüder Grimm aufgeschrieben haben, ist es "das tapfere Schneiderlein", welches sich mühsam mit Nadel und Faden durch die oft schweren Stoffe quälte. Das tapfere Schneiderlein war ein kleines Persönchen, dem der liebe Gott nicht viel Muskeln und keine stattliche Figur verliehen hatte. Und so sitzt es denn mit gebeugtem Rücken auf einem Tisch und läßt die zu bearbeitenden Stoffe durch seine schmächtigen Hände gleiten.
Peter Rosegger beschreibt seinen "Eintritt ins Handwerk" wie folgt: "Für einen Bauer ist er zu schwächlich, wird halt ein Pfarrer oder Schneider werden müssen, so war das Ergebnis einer Beratung, die eines Abends über mich in der Waldbauemstube abgehalten wurde. Meine Mutter ging zum Geistlichen. Der Herr Dechant sagte ihr aber: ,Laß sie das bleiben! Wenn der Bub sonst keine Anzeichen für den Priester hat, als daß er schwach ist, so soll er etwas anderes werden.
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Nun, so ging meine Mutter vom Herrn Dechanten zum Schneidermeister. Sie hätte einen Buben, der möcht Schneider werden. Er fragte, was sie denn auf diesen Gedanken gebracht hätte? Sie antwortete, weil er halt so schwächlich sei. Da stand der Meister auf und sprach:
"Ich will der Waldbäuerin nur sagen, daß der richtige Schneider ein kerngesunder Mensch sein muß. Einmal das viele Sitzen, nachher zur Feierabendzeit das weite Gehen über Berg und Tal und das ganze Zeug mitschleppen wie der Soldat seine Rüstung. Hernach die unterschiedliche Kost: Bei einem Bauer mager, beim andern fest, in einem Hause lauter Mehlspeisen, im andern wieder alles von Fleisch; heut nichts als Erdäpfel und Grünzeug, morgen wieder alles Suppen und Brei.
Und red ich erst von den unterschiedlichen Leuten, mit denen man sich abgeben muß! Da eine brummige Bäuerin, der kein ordentlicher Zwirn feil ist, dort ein Bauer, der mit seinen närrischen Späßen den Handwerker erheitern und sattmachen will. All die Leut soll der Schneider mit einem Maß messen. Und was die Hauptsach ist: Kopf muß er haben! Was an einem krummen, buckligen, einseitigen Menschenkinde verdorben ist, das soll der Schneider wieder gut machen.
Der Schneider muß aber nicht allein den Körper seines Kunden, er muß auch sozusagen sein ganzes Wesen erfassen, um ihm ein Kleid zu geben, das paßt. Und ebenso muß er den Stoff kennen, von dem er den Anzug zu verfertigen hat. Manches Tuch dehnt sich, manches kriecht zusammen. Dieses hält die Farbe, das andere schießt ab. Wer das vorher nicht weiß, der macht ein Unding zusammen. Kurz, der Kleidermacher muß Menschen- und Weltkenner sein. - Na, ich werd mir den Bub mal anschaun."
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Peter Rosegger ist ein berühmter Dichter und Erzähler geworden. Er hat die Nähnadel mit der Schreibfeder getauscht. Seine Erzählungen sind zwar nicht so phantastisch wie die von "Des Kaisers neuen Kleidern", aber auch er wußte, daß es stimmt: "Kleider machen Leute." Als "Schneider Wessel" aus Ostrhauderfehn einmal von der 1. Südwieke aus in seinem neuen Anzug bis nach Ubbehausen fuhr, rief er den Männern bei einem Neubau auf hochdeutsch zu: "Können Sie nicht sehen, daß diese Mauer schief ist?" Die Maurer gehorchten dem angeblichen "Oberbaurat" und rissen die mörtelfrische Mauer wieder ein!
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Zur Verfügung gestellt von Anni van Dieken (2), Hanne Krawinkel (2), Hanni Poppen und Bernhard Struck.
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