[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 04.01.1990

Die beiden Werften auf der "Witt Hüll"
Sand vom "Weißen Hügel" für den Weg durchs Meer

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Die beiden Werften auf der "Witt Hüll"
Sand vom "Weißen Hügel" für den Weg durchs Meer

 

Großer Andrang herrscht vor der ehemaligen Werft Jansen & Kronenberg.
Großer Andrang herrscht vor der ehemaligen Werft Jansen & Kronenberg

Das Haus auf der "Witt Hüll"
Das Haus auf der "Witt Hüll". Auf der Südseite wohnte damals Frau Kramer, die ein Baby auf dem Arm hält und das Schaf mit der andern Hand bändigt. Links daneben Anneliese und eine weitere Tochter.


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Der Hauptfehnkanal bei Ebbe
Der Hauptfehnkanal bei Ebbe. Im Hintergrund das später von Harm Schaa gekaufte Haus auf der "Witt Hüll", in dem der Nachfolger von Maschinenbaumeister Karl Kronenberg dann wohnte. Der ehemalige Schiffsmast, der zum Heben der zu reparierenden Motoren diente, steht noch vor der schon verlassenen Reparaturwerft.

Die beiden Fehnorte West- und Ostrhauderfehn erhalten von der niedersächsischen Landesregierung 1990 viel Geld, um diese Gemeinden mit "fehntypischen" Anlagen zu versehen. Dazu gehören die verschiedenartigsten Brücken, über die der Fehntjer Kurier im Juli und August 1988 ausführlich berichtet hat.

Dazu gehörten in Westrhauderfehn auch eine Kastenschleuse hinter dem heutigen Schöpfwerk sowie eine Steganlage. Vielleicht fragt sich der eine oder andere, weshalb diese Bauten dort draußen geplant wurden. Die Antwort ist einfach: Mit dem Hauptfehnkanal begann die Entwicklung von Westrhauderfehn.

Früher war das Verlaat mit dem Schleusenhaus und der gegenüberliegenden Mühle der "Mittelpunkt" des Rhauder- Wester-Fehns. Erst nachdem die Kleinbahn mit dem Bahnhof in die Nähe des Postgebäudes (und damit auch in die Nähe des damaligen Kaufhauses Hagius und Sohn - heute Rathaus und Sparkasse) gelegt worden war, entstand ein neuer Mittelpunkt.

Bleiben wir ein wenig in der Vergangenheit, als sich die Schiffer aus der 1., 2., 3., 4. Südwieke oder aus der Rhauderwieke mit ihren vollbeladenen Torfschiffen durchschleusen ließen. Im Verlaatshaus wurde die Gebühr bezahlt und ein letzter Schluck "genehmigt". Dann ging die Fahrt mit Wind und Segel oder auch Menschenkraft in die entfernt liegenden Ortschaften, wo der trockene Brenntorf gut verkauft werden konnte.

Schon bei dem ersten Versuch, die riesige Moorfläche im südlichen Oberledingerland abzutorfen, hatten zwei Emder Kaufleute das Langholter Meer zum Ausgangspunkt ihrer geplanten Unternehmung gemacht. Harm van den Berge und Röttger Franzisi erhielten 1649 eine landesherrliche Konzession, in der Gegend von Langholt bei der Rhauder Schanze Torf graben zu dürfen. Sie gruben einen ersten Kanal zum "Rhauder Moor", der noch beim Haus des Gerbermeisters Antoni (heute Linda Spieker) zu sehen ist (siehe Fehntjer Kurier vom 15.12.1988).

Die Rhauder Schanze war einstmals zur Abwehr der feindlichen Überfälle münsterländischer Feudalherren angelegt worden, die vom Hümmling aus entweder über Völlen oder aber über Esterwegen und Langholt in Ostfriesland einmarschierten. In unserem kleinen geschichtlichen Rückblick können wir nicht alle Einzelheiten aufzählen. Wir wollen uns diesmal mit der Zeit nach dem Schleifen der Sternschanze beschäftigen. Bekanntlich wurde der Sand der Wallanlagen zuerst für den Bau des Weges (später Landstraße) zwischen West- und Ostrhauderfehn durch das sumpfige Langholter Meer benötigt, und die restlichen Sandhügel wurden für den Bau der Brücke bei Tiedecken über den neuen Langholter Seitenkanal 1911/12 abgefahren.

Die Rhauder Schanze. Skizze im Staatsarchiv Aurich aus dem Jahre 1717.
Die Rhauder Schanze. Skizze im Staatsarchiv Aurich aus dem Jahre 1717.

Die Rhauder Sternschanze war auf einem nacheiszeitlichen Sandhügel angelegt worden. Auf dieser Anhöhe ließ sich auch gut die erste Fehntjer Mühle erbauen. Die Gegend hieß seit altersher die "Witt Hüll". Hier stand "immer" ein Haus, das viele, viele Mieter bewohnt haben, bevor es verkauft und abgerissen und durch eine Villa "ersetzt" wurde.

In der Familiengeschichte von Schmiedemeister Johann Dirks Brunsema hat Agate Helling diesem Haus auf der "Witt Hüll" ein interessantes Kapitel gewidmet. Als ihre Eltern im Dezember 1913 heirateten, zogen sie in die Nordseite dieses Hauses. Eine Wasser- bzw. Stromleitung gab es damals noch nicht. Viel Land war auch nicht dabei. Es reichte für einen Garten. Hühner und ein Schaf hatte damals jede Familie.

Besitzer dieses Hauses auf der "Witt Hüll" war der Landwirt Hinnerk Schulte. Ob er selbst darin noch gewohnt hatte oder ob es ein Erbteil seiner Frau gewesen ist, konnten wir bislang nicht herausfinden. Hinnerk Schulte bewirtschaftete damals einen Hof auf der anderen Seite des Hauptfehnkanals (heute Ecke Hebbelstraße), wohin die Miete zu bringen war.

Das so romantisch gelegene Fehnhaus auf der "Witten Hüll" rückte nach dem ersten Weltkrieg und der überstandenen Inflation 1923 in das Blickfeld aller Fehntjer Schiffer, als dort im Jahr 1926 ein Helgen entstand. Von den anderen Fehntjer Werften hatte eigentliche nur noch die Helling der Gebrüder Wiese ausreichend zu tun. Der Kretzmer-Helgen, die Schlömer-Werft und auch die Helling von Harms, wo einstmals die erste Fehntjer Werft entstehen sollte, sie alle waren 1926 schon Geschichte, als Martin "Max" Jansen und Karl Kronenberg die Slipanlage am Hauptfehnkanal erstellen ließen.

Die Reichsregierung in Berlin hatte ein Nothilfegesetz für Kleinschiffer erlassen. Das nutzten der Schiffsbaumeister Jansen und der Maschinenbaumeister Kronenberg aus: Sie konnten den Schiffern billige Kredite anbieten, wenn diese in ihre Segeltjalken und Muttschiffe einen Motor einbauen ließen. Die Werft florierte bis zum großen Börsenkrach 1929. Karl Kronenberg schied 1931 aus dem Unternehmen aus. Da es über die ehemalige Jansen-Werft ein Buch gibt, wollen wir "Max" hier verlassen.

Karl Kronenberg war ein sehr belesener Mann. Während "Max" Jansen häufig sagte: "Dat ward nix warden", überlegte Maschinenbaumeister Kronenberg das Problem theoretisch, um eine Lösung zu finden.
Karl Kronenberg war ein sehr belesener Mann. Während "Max" Jansen häufig sagte: "Dat ward nix warden", überlegte Maschinenbaumeister Kronenberg das Problem theoretisch, um eine Lösung zu finden.

"Nach der Trennung von der Werft (offiziell wegen Krankheit)", so schreibt Marianne Wehrmann, einzige Tochter von Karl Kronenberg und seiner Frau Hinderika, geb. Heyenga, "hat mein Vater zunächst außer Haus mit Handwerkszeug für sich allein gearbeitet. Reparaturen von Landmaschinen, Molkereimaschinen usw., eben alles, was Maschine oder Motor heißt. Dann war er aber von 1938 an bei Harm Schaa nur für dessen eigene sechs Schiffe in eigener von Schaa eingerichteter Werkstatt beschäftigt."

Reparaturwerft am Hauptfehnkanal
Harm Schaa auf seiner Reparaturwerft am Hauptfehnkanal. Rechts die Nordseite des Hauses auf der "Witt Hüll".

Karl Kronenberg ist heute fast vergessen, während über die Jansen-Werft noch immer diskutiert wird. Den Reparaturanlagen von Harm Schaa am Hauptfehnkanal kennt kaum noch jemand. Wir werden demnächst ausführlich darüber berichten.

Wo, so fragt sich der unbedarfte Betrachter, ist denn nun die Jansen-Werft? Damals genügten ein "Pikhuus" und eine Slipanlage. Alle anfallenden Arbeiten wurden unter freiem Himmel bewältigt.
Wo, so fragt sich der unbedarfte Betrachter, ist denn nun die Jansen-Werft? Damals genügten ein "Pikhuus" und eine Slipanlage. Alle anfallenden Arbeiten wurden unter freiem Himmel bewältigt.

Zur Verfügung gestellt von:
Antine Deepen, Alois Dierckes, Heye Behrends Grünefeld, Karl Heinz Stockmar, Anneliese Trey und Marianne Wehrmann.

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