[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 26.10.1989

In Ihrhove trafen sich die Züge - Teil 2
Beim Bahnhofsbrand löschten auch die Papenburger mit

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In Ihrhove trafen sich die Züge - Teil 2
Beim Bahnhofsbrand löschten auch die Papenburger mit

Das fauchende Ungetüm setzt sich langsam in Bewegung. Auf dem Bahnsteig stehen winkende Menschen. Abfahrt in die große weite Welt.

Erinnerungen an zugige Bahnhöfe, an das einschläfernde "rattadam rattadam" der rollenden Eisenbahnwaggons. Allerdings soll es im Overledingerland auch noch Menschen geben, die noch nie mit einem Zug gefahren sind. Unseren heutigen Schulkindern ist der Eisenbahnverkehr genauso fremd.

Dieser prachtvolle Bahnhof Jhrhove brannte im Juli 1924 ab. Das Foto zeigt uns die Oldenburger Seite. Hinter dem Hollandgleis waren gleich wieder Wiesen und Weiden zu sehen. Die Geburtstagsansichtskarte ist mit einem Bahnpoststempel "Warburg - Emden" vom 5. März 1903 versehen. Sie wurde noch am selben Tag nachmittags einem Fräulein Margarete Binnewies in Osnabrück zugestellt.
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Dieser prachtvolle Bahnhof Jhrhove brannte im Juli 1924 ab. Das Foto zeigt uns die Oldenburger Seite. Hinter dem Hollandgleis waren gleich wieder Wiesen und Weiden zu sehen. Die Geburtstagsansichtskarte ist mit einem Bahnpoststempel "Warburg - Emden" vom 5. März 1903 versehen. Sie wurde noch am selben Tag nachmittags einem Fräulein Margarete Binnewies in Osnabrück zugestellt.

In unserer nordwestlichen Ecke gab es seit 1856 den Anschluß ins wirtschaftlich aufblühende Ruhrgebiet durch die Westbahn. Verständlich, daß das Großherzogtum Oldenburg alsbald auf einen Anschluß spekulierte. Zudem hatten die Niederländer bis Winschoten ebenfalls eine Bahnstrecke gelegt. Die großherzoglichen Eisenbahnbeamten versuchten, mit der hannoverschen Regierung ins Geschäft zu kommen. Aber die Verhandlungen blieben 1862/63 ergebnislos.

Erst nach dem österreichisch-preußischen Krieg von 1866, als Hannover und damit Ostfriesland an Preußen fiel, wurden die alten Pläne wohlwollend begutachtet. Oldenburg baute bereits die Strecke nach Bremen aus (1867), und am 14. Juni 1869 fuhr der erste Zug nach Leer. Nur der Anschluß nach Holland fehlte.

Der "neue" Bahnhof Jhrhove von 1926, auf unserem Foto noch mit dem kleinen Uhrenturm. Hier sind Montag morgens unendlich viel Schiffer und Matrosen um 4 Uhr in die Züge nach Emden oder Rheine gestiegen - fast hätte man von einer "maritimen Karawane" sprechen können.
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Der "neue" Bahnhof Jhrhove von 1926, auf unserem Foto noch mit dem kleinen Uhrenturm. Hier sind Montag morgens unendlich viel Schiffer und Matrosen um 4 Uhr in die Züge nach Emden oder Rheine gestiegen - fast hätte man von einer "maritimen Karawane" sprechen können.

Archiv: Gemeinde Westoverledingen

Mittlerweile machte sich auch Papenburg stark für die "Hollandbahn". Aber die alte Hannoversche Regierung hatte sich noch 1864 vertraglich festgelegt, daß Ihrhove Ausgangspunkt der neuen Linie über Weener nach Nieuweschans sein sollte.

An diese Abmachung hielt sich der preußische Staat in seinen Verhandlungen. So faßt der Oldenburger Landtag am 15. Februar 1870 den Entschluß, den Bau der Eisenbahnstrecke Ihrhove-Nieuweschans als Strecke der oldenburgischen Staatsbahnen (GOE) zu finanzieren. Das preußisch-ostfriesische Ihrhove kam auf billige Art und Weise zu einem Eisenbahnknotenpunkt, denn die 3,8 Millionen Reichsmark wurden von den oldenburgischen Steuerzahlern aufgebracht. Am 26. November 1876 fuhr der erste Zug über die Emsbrücke bei Hilkenborg.

Aus der "Großherzoglich-Oldenburgischen Eisenbahn", abgekürzt GOE, machte der Volksmund alsbald eine Reise "Ganz Ohne Eile". Erst Anfang der achtziger Jahre wurden "Coupeewagen" mit Ofenheizung eingeführt. Nach Einbruch der Dunkelheit wurden Kerzen in kleinen Lampen angezündet, die die Abteile erhellen sollten. Die Strecke zwischen Ihrhove und Weener konnte wegen des metertiefen dargigen Untergrundes nur mit zweiachsigen Lokomotiven befahren werden. Einige unserer Leser werden sich noch an die Namen dieser Loks erinnern, die "Leda", "Rheiderland", "Soeste" "Ledingerland" oder "Groningerland" hießen.

Die preußischen Westbahnschienen wurden ab Leer von den Oldenburger Zügen mitbenutzt. Erst etwa in Höhe der Molkerei Ihrhove befand sich die Weiche für die Hollandlinie. Die Oldenburger Lok fuhr an der emsischen Seite in den Bahnhof von Ihrhove, um später, etwa einen Kilometer weiter, in Tjüche nach Westen zur Ems hin abzubiegen.

Das uralte Bahnhofsgebäude, von dem in unserer ersten Folge schon die Rede war, konnte von den Hollandreisenden nur unter großer Gefahr benutzt werden. Der Würde des neuen Eisenbahnknotenpunktes entsprechend, entschloß sich die preußische Regierung, ein neues Bahnhofsgebäude zwischen die Gleise zu bauen. So entstand das imposante Gebäude mit einer münsterschen und einer oldenburger Seite (siehe vorige Ausgabe).

Dieser Bau brannte 1924 ab. Es wurde von Brandstiftung gemunkelt, da von der Familie Denker nur die Ehefrau in einer der Dienstwohnungen gewesen sei. Der Bahnhofsvorsteher Denker wurde später nach Bentheim versetzt. Auch dieser Bahnhof soll abgebrannt sein. Das Leerer Anzeigenblatt berichtete am 11. Juli 1924 wie folgt: "Brand des Bahnhofsgebäudes in Ihrhove. Bis auf die Grundmauern eingeäschert. Ihrhove, 11. Juli. Gegen 3 Uhr entstand im Mittelgebäude des hiesigen Bahnhofs ein Feuer, welches das ganze Bahnhofsgebäude bis auf den Vorderteil niederlegte. Um 3 ein Viertel Uhr wachte die 6jährige Tochter des Bahnhofswirts auf, bei der die Rauchentwicklung einen Hustenreiz verursacht hat. Die schnell geweckten Eltern und die oben schlafenden Bewohner konnten sich in Sicherheit bringen. Auch die Familien Hildebrandt und Denker, von letzterer war nur die Ehefrau anwesend, konnten sich retten.

Der Brand vernichtete fast alles. Die Büroräume im Vorderhause und die darüber befindliche Wohnung konnten erhalten werden, doch ist die Wohnung stark unter Wasser gesetzt. Die Ihrhover Feuerwehr war mit zwei Spritzen zur Stelle.

Ein Foto, wie man es nicht alle Tage sieht. Auf dem Jhrhover Bahnhof wurden die Güterwaggons mit dem Pferd zum Güterschuppen gezogen. Wilhelm ("Wiwi") Graalmann hatte sein privates Pferd an die Eisenbahn "verhüürt". Es hatte seinen Stall im Schuppen gegenüber dem Güterbahnhof. Das Rangieren dieser tonnenschweren Güterwaggons vom Hauptgleis auf das HoIland- oder Kleinbahngleis war für "ein PS" sehr schwer. Wer in Physik eine eins hatte, darf einmal nachrechnen, welche Kräfte notwendig sind, um eine ruhende Last in Bewegung zu setzen.
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Ein Foto, wie man es nicht alle Tage sieht. Auf dem Jhrhover Bahnhof wurden die Güterwaggons mit dem Pferd zum Güterschuppen gezogen. Wilhelm ("Wiwi") Graalmann hatte sein privates Pferd an die Eisenbahn "verhüürt". Es hatte seinen Stall im Schuppen gegenüber dem Güterbahnhof. Das Rangieren dieser tonnenschweren Güterwaggons vom Hauptgleis auf das HoIland- oder Kleinbahngleis war für "ein PS" sehr schwer. Wer in Physik eine eins hatte, darf einmal nachrechnen, welche Kräfte notwendig sind, um eine ruhende Last in Bewegung zu setzen.

Archiv: Gemeinde Westoverledingen

Die Stationsspritze versagte bei den Löscharbeiten, obwohl sie erst kürzlich einer Probe unterzogen worden war. Um 6 Uhr morgens griff die Feuerwehr aus Großwolde-Steenfelde den Brandherd mit an. Aus Papenburg war ein Hilfszug eingetroffen.

Bei den Bergungsversuchen halfen Leute aus Ihren, die mit Wagen ins Heu wollten. 25 Liter Schnaps brachten sie beiseite. Dies wurde jedoch zeitig bemerkt, so daß den Langfingern ihre Beute wieder abgenommen werden konnte. Die 'freundlichen' Hilfsbereiten sind zur Anzeige gebracht.

Über den Brand werden uns noch folgende Ergänzungen mitgeteilt: Die Löscharbeiten wurden dadurch erschwert, daß in die Schläuche viel Schlamm geriet. Der rechte Flügel, der vom Bahnhofswirt und einem Beamten bewohnt wird, ist gänzlich abgebrannt. Die Möbel sind zum großen Teil gerettet. Aus Papenburg brachten gegen 5 Uhr drei Lokomotiven Wasser. Die Einwohnerschaft Ihrhoves hat eifrig bei der Bekämpfung des Feuers geholfen. Langfinger haben einen ganzen Schrank stehlen wollen, was aber noch rechtzeitig vereitelt werden konnte. - Der Betrieb auf der Station wird weitergeführt."

Soweit der Zeitungsbericht. Die sechsjährige Tochter des Bahnhofswirts hieß Gerta van Allen. Ihre Schwester Hilde war gerade acht Monate alt. Diedje van Mark kann sich erinnern, daß er als Fünfjähriger im Nachthemd auf der Rampe saß und sah, wie jemand die kleine Hilde durch ein Fenster rettete. Heute sind die beiden seit langem glücklich verheiratet.

Der Bahnhof ist im übertragenen Sinn ein anderes Wort für Ankunft und Abschied. Abschied mit Tränen und Taschentuch. Abschied für wenige Tage, für ein paar Wochen - oder Abschied für immer? Auf dem Ihrhover Bahnhof nimmt Soldat Schneidermeister Hermann Looden aus Rajen (rechts) noch einmal seine beiden Söhne Staas (links) und Johann in den Arm. Auf dem Foto ist auch noch Eit Ostendörp aus Glansdorf zu sehen, und die Frau in der Mitte heißt Sintle Boekhoff.
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Der Bahnhof ist im übertragenen Sinn ein anderes Wort für Ankunft und Abschied. Abschied mit Tränen und Taschentuch. Abschied für wenige Tage, für ein paar Wochen - oder Abschied für immer? Auf dem Ihrhover Bahnhof nimmt Soldat Schneidermeister Hermann Looden aus Rajen (rechts) noch einmal seine beiden Söhne Staas (links) und Johann in den Arm. Auf dem Foto ist auch noch Eit Ostendörp aus Glansdorf zu sehen, und die Frau in der Mitte heißt Sintle Boekhoff.

Zur Verfügung gestellt von Gebhard Junker, Königskiel.

Über die Kleinbahn, die 1912 eingeweiht wurde., hat der Fehntjer Kurier am 5. 3. 1987 ausführlich berichtet. Über die Bahnhofsrestauration und über die Gaststätte am Bahnhof sowie über das Steenfelder Stationsgebäude wird ein andermal erzählt werden müssen. Der neue Bahnhof ist an seiner jetzigen Stelle 1926 erbaut worden. Kleinbahnfahrer, die von Leer aus kamen, wurden zuerst auf das Hollandgleis gefahren. Dann ging es retour bis zur Weiche, und nun konnte das Kleinbahngleis befahren werden.

Als Robert Tangermann Soldat werden mußte, übernahm August Plinke die Vertretung auf dem Güterschuppen. Am 31. März 1960 feierten die Plinkes in Ihrhove ihre goldene Hochzeit. Die ehemaligen Mitarbeiter vom Bahnhof Ihrhove waren eingeladen und stellten sich für ein Erinnerungsfoto bei Diedle van Mark auf die Treppenstufen. Von links: Steffen Bloem, Tammo Mütz, unten Wilhelm Cramer, Gerd Wallenstein dahinter, dann Fahrdienstleiter Hermann Hillebrecht, davor Hinrich van Deest, ganz oben Casper Klüver, dann August Plinke, vorn August Schmidt, Johann Mettles, vorn Martin Rodenbäck, dahinter Johann Grünefeld und Jakob Klüver.
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Als Robert Tangermann Soldat werden mußte, übernahm August Plinke die Vertretung auf dem Güterschuppen. Am 31. März 1960 feierten die Plinkes in Ihrhove ihre goldene Hochzeit. Die ehemaligen Mitarbeiter vom Bahnhof Ihrhove waren eingeladen und stellten sich für ein Erinnerungsfoto bei Diedle van Mark auf die Treppenstufen. Von links: Steffen Bloem, Tammo Mütz, unten Wilhelm Cramer, Gerd Wallenstein dahinter, dann Fahrdienstleiter Hermann Hillebrecht, davor Hinrich van Deest, ganz oben Casper Klüver, dann August Plinke, vorn August Schmidt, Johann Mettles, vorn Martin Rodenbäck, dahinter Johann Grünefeld und Jakob Klüver.

Zur Verfügung gestellt von Christoph Cramer, Steenfelde.

Binnenschiffer, die von Münster/Rheine kamen, stiegen gleich in den ersten Wagen, während Seeleute auf großer Fahrt von Emden kommend den letzten Wagen bevorzugten. Das lag an dem hölzernen Zaun, der den Bahnsteig vor den Gleisen schützte. Ihn mußte man ganz umlaufen, was mit Fahrrad und Gepäck sehr beschwerlich war. Dann stand an der Ecke des Bahnhofsgebäudes die Sperre, aber nur Oll WilIm hatte das Recht, geradeaus durch die Absperrung zu gehen. Alle andern mußten den Riesenumweg durchs Bahnhofsgebäude nehmen, wenn sie mit der Kleinbahn nach Westrhauderfehn wollten.

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