Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
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Dies soll der letzte Erntebericht werden, obgleich ich noch gern über die Obsternte oder das Rübenziehen erzählen würde. In den Kirchen wurde das Erntedankfest am vergangenen Sonntag gefeiert Die Altäre waren geschmückt mit allerlei Früchten. Wie alljährlich, so war auch diesmal der "Tisch des Herrn" reichlich gedeckt.
Kartoffelernte in Folmhusen, etwa hinter der ehemaligen Baumschule Steinmeyer. Im Hintergrund schwach erkennbar das Breinermoorer Hochmoor, das sich bis Wilderfang und Idehörn hinzog. |
Das Erntedankfest gibt dem Gärtner und dem Landwirt das Gefühl, Grund und Boden sowie Wasser, Luft und Sonne bestens ausgenutzt zu haben. Sie haben Nutzen gezogen aus dem Vorhandenen, aus dem zur Verfügung gestellten Material. Der Mensch fühlt sich ein ganz klein wenig wie ein Schöpfer. Er ist an diesem Sonntag dankbar gewesen. daß alles so gut gelaufen ist.
Der Weidenkorb wurde schon 1943 abgelöst von dem leichteren Drahtkorb. Dieser Kartoffelacker befand sich an der Langholter Straße. Im Hintergrund die Baumschule von Meyers, die sich etwa da befand, wo Tiedeckens Wohnhaus steht. |
Die Frage nach dem Verkauf der Ernte stellt sich nicht so schnell. Wir haben gelernt, das Korn zu trocknen. die Bohnen und Erbsen einzudosen und die Kartoffeln zu lagern Früher waren es die Kartoffelmieten. Eine flache Kuhle wurde ausgehoben auf einer möglichst hochgelegenen und trockenen Stelle. Nachdem die Kartoffeln sortiert worden waren, kamen die lagerfähigen Knollen in diese Kuhle und wurden pyramidenförmig aufgeschichtet. Vorerst deckte eine Lage Stroh die frostempfindlichen Feldfrüchte ab. Einige Tage später wurde von unten langsam Erde angefüllt. Immer noch sollte die Miete atmen dürfen. Zu leicht konnte entstehende Hitze die braunen Knollen in Fäulnis zergehen lassen. Darüber haben wir ausführlich schon im Oktober vorigen Jahres berichtet. Dieser altehrwürdigen Vorratshaltung trauert mancher Städter nach, der seine Winterkartoffeln in einem viel zu warmen Keller aufbewahren muß.
Mit solch einem Kartoffelroder ging die Arbeit zügig voran. Der Nachteil: Die Pferde waren schneller! Sooft die Frauen am Werscher Berg bei Osnabrück auch hochschauten, immer war die Maschine schon wieder hinter ihnen. Die Kartoffelsuche wurde zu einer Art Fließbandarbeit mit viel Hektik. |
Ganz leicht kommt es vor, daß die Knollen frühlingshafte Gefühle entwickeln und schon bald erste Keime sprießen lassen. Dagegen gibt es verschiedene Pulver, die das verhindern sollen. Angeblich ist dieser Puder ungiftig, aber so ganz wohl fühlt sich der Stadtmensch nicht. Überhaupt, so spricht er vor sich hin, was weiß ich denn davon, was der Bauer da schon alles für Chemie in den Boden gepflügt hat?
Die Antwort ist ziemlich einfach: Die Kartoffelpflanze ist sehr empfindlich und kann kaum Gift vertragen. Wie fast jeder weiß, kommt die Kartoffel aus Südamerika. Sie wächst dort an den Hängen der Anden. Hier in den Bergen von Peru ist das Klima ganz anders als bei uns. Die seewärts gelegenen Abhänge lassen wohlriechende Kartoffelblumen wachsen, während unsere weißen oder lila Kartoffelblüten nicht duften. Die Inkas hatten auch schon früh verschiedene Sorten herausgezüchtet, ja, sie waren sogar in der Lage, "Chips" herzustellen. Dazu legten die überaus intelligenten Ureinwohner die kleinen wäßrigen Knollen abwechselnd in die heiße Sonne und nachts in höhenbedingten starken Frost. Diese Trocken"konserve" wurde "Chuno" genannt.
Tief gebückt suchen 1939 diese Frauen in Collinghorst nach den Erdäpfeln. Rechts Sarah Ütrecht, Frau Lange(?) und Wilhelmine Ütrecht sowie eine Maid. |
Zu den Nachtschattengewächsen gehört auch die Tomate. Der Name des "Liebesapfels" kommt aus der mexikanischen Sprache. Das englische "tomatoe" verweist auf diese Sprachwurzel. Wer nun denkt, das englische Wort "potatoes" käme ebenfalls daher, irrt diesmal. Die angelsächsischen Insulaner haben ihre ungeliebten "potatoes", die sie barbarischer Weise mit dem Messer zerschneiden, von "patata" abgeleitet. So heißt in Haiti die Süßkartoffel, die interessanterweise nicht zu den Nachtschattengewächsen gehört. Unser deutsches Wort "Kartoffel" leitet sich aus dem Italienischen ab, wo der Erdapfel "tartofuli" genannt wurde, als er im 16. Jahrhundert über Spanien in die Mittelmeerländer kam.
Gerade weil die Kartoffel so empfindlich ist, wird sie häufig krank. Die Ursachen für die meisten Kartoffelkrankheiten liegen - fast wie beim Menschen - in der falschen Ernährung. Die Kartoffel benötigt nährstoffarme Böden, und sie verträgt keine Staunässe. Wer seinen Acker überdüngt oder den hohen Kalibedarf der Kartoffel nicht berücksichtigt, der darf sich nicht wundern, wenn ein paar mickrige Stengel halbherzig aus der Erde gucken.
Beene, Gerd, Elisabeth und Talkea Beeningt haben sich ihren Tee auf dem "Aaker" redlich verdient. |
Der Kartoffelanbau ist, wie wir sehen, ein kompliziertes Unterfangen. Hinzu kommen verschiedene Arten von Knollenfäule wie Braunfäule, Weißfäule, Hartfäule, Naßfäule und Ringfäule. Genauso schlimm sind die Nematoden, die die Staudenentwicklung entscheidend behindern (Kartoffelmüdigkeit) und der Kartoffelschorf.
Die Pilzinfektionen, das weiß jeder, der sich schon einmal mit Fußpilz herumgequält hat, lassen sich nur schwer bekämpfen, und bei Nematodenbefall hilft eigentlich auch nur der Wechsel des Ackers. Mit Medikamenten und Giften kann der Kartoffelanbauer schwer etwas erreichen. Der bei uns nicht heimische Erdapfel ist also eine empfindliche exotische Pflanze.
Trotz schwerer Arbeit fröhliche Gesichter: Johanne Buß, Johanne Kramer, Käte Taute, Therese Buß und Hans Sanders aus Holterfehn haben in Handarbeit schon manchen Korb und manchen Eimer gefüllt. |
Das beweist auch der Kartoffelkäfer, früher auch Coloradokäfer genannt, weil er aus Amerika zu uns kam. Er ist ein Spezialist für giftige Nachtschattengewächse. Seine roten Larven mit den vielen schwarzen Punkten sind vielen unserer Leser bekannt, die während der dreißiger Jahre und auch noch nach dem Kriege damals schulfrei bekamen, um sich auf Kartoffelkäfersuche zu begeben. Das war eine sehr unerfreuliche Sammelei, denn die Larven und die Käfer hatten einen eigenartigen strengen Geruch. Selbst unsere sonst so gierigen insektenvertilgenden Vögel mögen diese widerlichen Krabbeltierchen nicht.
Vielleicht ist jetzt dem einen oder anderen der Appetit vergangen. Trotzdem wird es morgen wieder Kartoffeln geben. Ob Salzkartoffeln oder Bratkartoffeln, Kartoffelklöße oder Kartoffelpuffer, gekocht, gebraten, zu Mus zerstampft oder gebacken - die Kartoffel ist aus unserem Leben nicht mehr wegzudenken. Aber es müssen die Knollen sein, nicht die Beeren! Die Früchte der Kartoffelpflanze sind äußerst giftig, was uns zeigt, daß wir Deutschen eine exotische Pflanze aus Südamerika umgewandelt haben zu unserem alltäglichen Nahrungsmittel. Daran sollten wir manchmal denken, auch wenn es keine Kartoffelferien und kein "Tuffelbeer" mehr gibt wie früher.
Kartoffelerntemaschine "Neu-Ideal", Reklamekarte aus Bayern. |
Zur Verfügung gestellt von Gretchen Amft, Johanne Kramer, Lümkea Meyer, Ingeborg Oltmanns und Johanne Scheer.
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