Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
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Mir wurde ein altes zerfleddertes Lesebuch gezeigt, das Lesebuch für die katholischen Volksschulen aus dem Jahr 1905. Es stammt aus dem Haus des ehemaligen Langholter Bürgermeisters Lüken vom Utende (heute Leda-Jümme-Weg). In gestochener Schrift ist der Name auf der ersten Seite verzeichnet: "Christian Lüken, geb. 13. Oktober 1897".
Damals waren Lesebuchstücke durchnummeriert. Als Nr.180 wird für die Mittelstufe empfohlen: "Die Ernte" von Ernst Moritz Arndt. "Der liebe Gott mit milder Hand bedeckt mit Segen rings das Land; schon steht das Feld in voller Pracht, ein Zeuge seiner Güt und Macht. Nun ernte, Mensch, was du gesät, sei froh und sprich ein fromm Gebet und gib von dem, was dir verliehn, auch deinen armen Brüdern hin. So streust du neue Saaten aus, und ew'ger Segen blüht daraus; dann wird dein Herz voll Sonnenschein, ein Erntefest dein Leben sein."
Pause muß sein, auch wenn das Feld noch so groß ist. Zwischen Angela und Margarete Poelmann sitzt der kleine Hans in lhrenerfeld auf einer Lage Stroh, damit die Stoppeln nicht pieksen. Der Schnitter ist bislang unerkannt geblieben. |
Die Schlußzeile des dritten Verses weist auf das gerade abgelaufene Erntefest in Klostermoor hin. Alle haben sich große Mühe gegeben, die alten Zeiten auf den Bögen und Festwagen bildlich darzustellen. Erinnerungen wurden geweckt an die schwere Handarbeit früherer Tage. "Durch das Kornfeld hin bin ich gegangen", schreibt Georg Britting. "Wenn ich mich bückte, rührten mir den Mund, die Wangen, die langen Halme. Mohn und Kornraden waren in dem Kornfeld drin, hier und dort, und Scharen schwarzer Hummeln brummten wie ein Schlafhorn fort und fort. Beim Pfad im Kornfeld legte ich mich nieder: Müde Glieder, ruht euch aus! Und das Horn der Hummeln tönte schwer wie Traumgebraus, und das Korn war um mich wie ein goldnes Haus."
Am Bargkamp in Langholt sichtet Meinhard Meyer seinen Roggen, während Herbert Boddenberg, das Ferienkind, mit seiner Mutter und Hanni die Garben binden und aufstellen. "Striek-Iser" ist das Bügeleisen, und der "Strikk" oder "Streek" ist das gesandete Stück Holz, mit dem die Sense oder Sichte geschärft wird, und welche dann in den Hosenbund gesteckt wird. |
"Was ist schöner als das Feld", fragt Johannes Trojan, "wenn die Halme all, die Schlanken, leise wanken, und ein HaIm den andern hält? Wenn im Korn die Blumen blühn, leuchtend rot und blau dazwischen und sich mischen lieblich in das sanfte Grün? Wenn es flüsternd wogt und wallt, Lerchen sich daraus erheben, drüber schweben und ihr Lied erschallt? Dann den schmalen Pfad zu gehn durch das Korn - welch eine Wonne! Nur die Sonne, nur die Lerche kann uns sehn!"
Das Pferd "Fritz" mußte nicht nur den schweren Leiterwagen mit den vielen Roggengarben ziehen, sondern auch noch die drei Ferienkinder, die 1936 bei Meyers wohnten. |
Das sommerliche Rauschen im Kornfeld neigt sich dem Ende zu. Hermann Hesse beschreibt es so: "Weites, goldenes Ährenmeer wogt im Wind auf reifen Stengeln. Hufbeschlag und Sensendengeln klingen fern vom Dorfe her.
Der Mann mit Brille hatte einen Fotoapparat. Es ist Folkert Frerichs aus Glansdorf - ein Nachbar der Pruins - der hier mit dem Selbstauslöser diese Aufnahme machte. Links die Töchter Gesine und Anni beim Binden, und rechts der Vater Jürgen Hinrich Pruin sowie am Rand der Bruder Johann beim Sichten des Roggens im Jahr 1941. |
Warme düfteschwere Zeit. Zitternd in der Sonne Gluten wiegen sich die goldnen Fluten reif' und schon zum Schnitt bereit. Fremdling, der ich ohne Pfad suchend pilgere auf Erden, werd ich reif erfunden werden, wenn auch mir der Schnitter naht?"
Hanni und ihre Mutter Auguste "stecken auf", während Vater Meinhard Meyer die Garben so auf den Leiterwagen packt, daß möglichst viele draufgehen. |
Die Ahnung von dem Mann mit der Sense ist ein oft beschriebenes Motiv. "Nun störet die Ähren im Felde ein leiser Hauch", schreibt Martin Greif, "wenn eine sich beugt, so bebet die andre auch. Es ist, als ahnten sie alle der Sichel Schnitt - die Blumen und fremden Halme erzittern mit." Die düstere Stimmung wird durch die jungen Burschen und Mädel wiederaufgehoben: "Morgen wird das Korn geschnitten. Die Schnitter sind bestellt. Durch das Dörflein auf und nieder der Dengelhammer gellt." Und C. F. Meyer schreibt: "Wir schnitten die Saaten, wir Buben und Dirnen, mit nackenden Armen und triefenden Stirnen, von donnernden dunklen Gewittern bedroht."
Noch 1950 schnitt Hermann Krawinkel in der Jürgenaswieke seinen Hafer mit der Sense. Ewald Neumann übernahm das Binden, was eigentlich die Frauen machten. |
Im vorigen Jahr haben wir schon eine Vielzahl von Bildern zum Thema "Roggen mit Bikker und Sichte gemäht" gebracht. Erneut haben unsere Leser Fotos aus ihren Schachteln und Schubladen gesucht und dem Fehntjer Kurier zur Verfügung gestellt. Sie alle erinnern sich: "Sind vom Feld die letzten Garben heimgeborgen, Korn und Stroh, eh die bunten Blumen starben, mal uns du mit deinen Farben, Herbst, die Welt noch einmal froh!"
Wir alle kennen diese Gedichte aus der Schulzeit. Die Jungen mochten sie nicht so gern, für sie war das Auswendig lernen eine Qual. Sie wollten viel lieber aufs Feld und bei der Ernte helfen. Den Mädchen aber fiel das Lernen oft leicht, und sie werden diese Verse von Eduard Mörikes "Septembermorgen" auch heute noch auswendig hersagen können: "Im Nebel ruhet noch die Welt, noch träumen Wald und Wiesen; bald siehst du, wie der Schleier fällt, den blauen Himmel unverstellt, herbstkräftig die gedämpfte Welt in warmem Golde fließen."
In der Rhauderwieke hatte Jan Müller ein Pferd. Er führte Lohnarbeiten aus. Hier ist er bei Krawinkels in der Jürgenaswieke. Opa Claas de Hahn stemmt sichtlich zufrieden die Arme in die Hüften, während Mimi Neumann sich gekonnt im Damensitz aufs Arbeitspferd setzt. |
Zur Verfügung gestellt von Anni Drieling, Hanne Krawinkel, Lümkea Meyer, Hans Rieke und Johanne Scheer.
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