[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 21.09.1989

Beim Bohnenpflücken etwas dazuverdient
Im "Schwienpott" wurde vorgekocht

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Beim Bohnenpflücken etwas dazuverdient
Im "Schwienpott" wurde vorgekocht

Es gibt ein hübsches Tanzlied. das fast vergessen ist:

"Wenn hier `n Pott mit Bohnen steiht un dor `n Pott mit Bree, denn laat ik Bree un Bohnen stahn un gah na mien Maree." Wahrscheinlich würde sich unser Hinnerk wundern: Marie erwartet ihn zwar sehnsüchtig, aber sie darf von ihren Bohnen nicht weggehen. "Bohnentied is drocke Tied" haben wir voriges Jahr geschrieben, und das wird wohl immer so bleiben in Ostfriesland.

Durch die Schnippelmaschine ins Bohnenfaß: Hier sind links Gesine Reents, Tini Evers, Gretchen Baumann, Mimi Ulpts, Frau Spieker und Rika Schoon aus Ostrhauderfehn 1938 bei der Arbeit.
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Durch die Schnippelmaschine ins Bohnenfaß: Hier sind links Gesine Reents, Tini Evers, Gretchen Baumann, Mimi Ulpts, Frau Spieker und Rika Schoon aus Ostrhauderfehn 1938 bei der Arbeit.

Im Landwirtschaftsblatt (früher "Land und Garten") stand in der vergangenen Woche, daß viele Menschen gar keine frischen Bohnen mehr kennen. Bohnen seien zu einem Dosengemüse geworden. In unserer Gegend ist das Rheiderland bekannt für seine Bohnenfelder, wo die Frauen wochenlang für die Dosenfabrik in Bunde pflückten. Hier konnte man ein wenig Bargeld verdienen, das in vielen Haushalten knapp war.

Das konservieren von Nahrungsmitteln in Dosen ist eine "Erfindung" von Napoleon. Er war der Ansicht, daß die "Armeen" mit ihrem Magen marschieren. Im Jahre 1795 setzte er einen Preis aus für denjenigen, der ein brauchbares Verfahren der Nahrungsmittelkonservierung entwickeln würde. Gewonnen hatte der französische Erfinder Nicolas Appert. Er erfand die "Konservendose".

Zinkwanne, Einkochtopf und Emailleschüssel sowie ein geflochtener Weidenkorb waren die unentbehrlichen Hilfsmittel für Margarete Poelmann aus Großwolderfeld und ihre Tochter Angela sowie zwei Enkelkinder. Plastik gab es 1935 noch nicht...
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Zinkwanne, Einkochtopf und Emailleschüssel sowie ein geflochtener Weidenkorb waren die unentbehrlichen Hilfsmittel für Margarete Poelmann aus Großwolderfeld und ihre Tochter Angela sowie zwei Enkelkinder. Plastik gab es 1935 noch nicht...

Bei uns auf dem Lande hatte die Frau im vorigen Jahrhundert nichts zu sagen, aber die volle Verantwortung zu tragen. Da konnte es zu schwierigen Situationen kommen, wenn der Ernährer einer Familie starb. Wenn es das Schicksal wollte, konnte sie ins Armenhaus kommen. Die einzige Wohlfahrtsanlaufstelle waren der Pastor und seine Frau. Das änderte sich zuerst in den Städten, wo die gelangweilten Frauen reicher Fabrikbesitzer sich in "Wohltätigkeitsvereinen" zusammenschlossen. Sie halfen den Mädchen und Frauen der ständig wachsenden Zahl der Industriearbeiter.

Während des ersten Weltkrieges bildeten sich zwar auch bei uns freiwillige Hilfevereine, die aber nur für die Soldaten sowie für die Verletzten und Verwundeten tätig wurden. Für die Witwen und Waisen war jetzt nicht mehr die Kirche, sondern der Staat zuständig. Die Entwicklung ging weiter. In den zwanziger Jahren traten die ersten Mädchen und jungen Frauen in den Fehntjer Turnverein ein: Die Emanzipation fand auch bei uns statt. Nach dem großen Börsenkrach 1929 gab es in Stadt und Land große Arbeitslosigkeit. Glücklich war derjenige, der einen Acker hatte, damit die Familie im Winter etwas zu essen hatte.

Rechts im Hintergrund stehen zwei unbekannte Männer an der Dosenverschließmaschine. In der halbdunklen Küche des ehemaligen "Germanie"-Gasthofs Plümer-Ecke in Westrhauderfehn stehen Weerta Nußwaldt, Tini Stapelfeld, Frau Anning, Anni Giebelhausen und Gerda Janssen, jede mit einer großen Dose in der Hand.
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Rechts im Hintergrund stehen zwei unbekannte Männer an der Dosenverschließmaschine. In der halbdunklen Küche des ehemaligen "Germanie"-Gasthofs Plümer-Ecke in Westrhauderfehn stehen Weerta Nußwaldt, Tini Stapelfeld, Frau Anning, Anni Giebelhausen und Gerda Janssen, jede mit einer großen Dose in der Hand.

Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten hatten die Kirche und andere Verbände und Organisationen nur noch wenig zu sagen, falls sie überhaupt noch bestanden. Das Leben des neuen Staatsbürgers wurde gleichgeschaltet und uniformiert. Ob Junge oder Mädchen, Mann oder Frau, jeder bekam seine Aufgaben zugeteilt.

Über die Männer gibt es haufenweise Bücher. Allein die Soldatenbände füllen meterweise die Regale. Bei den Frauen ist das ganz anders. Vergeblich sucht man nach Literatur. "Mädchen im Dritten Reich" wird häufig verwechselt mit den "Blitzmädeln". Und wer glaubt, bei dem Taschenbuch "Frauen unterm Hakenkreuz" endlich das entscheidende Werk gefunden zu haben, der irrt sich gewaltig. Das "Deutsche Frauenwerk" und mit ihm die "Frauenschaft" wird nur mit einem einzigen Satz erwähnt, und aus der Zeitschrift "Frauen-Warte wird lediglich eine Doppelseite abgebildet.

Morgens um drei Uhr hieß es: aufstehen! Um vier Uhr fuhr der Bus ins Rheiderland, wo ab sieben Uhr viele Frauen die Bohnen für die Dosenfabrik in Bunde pflückten. In der Mitte ist Johanne Kramer aus Holterfehn bei der Arbeit zu sehen.
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Morgens um drei Uhr hieß es: aufstehen! Um vier Uhr fuhr der Bus ins Rheiderland, wo ab sieben Uhr viele Frauen die Bohnen für die Dosenfabrik in Bunde pflückten. In der Mitte ist Johanne Kramer aus Holterfehn bei der Arbeit zu sehen.

Was heute immer noch fehlt, ist eine Untersuchung über Tätigkeit der Frauenschaft. Sie gab es in jedem Stadtteil und jedem Dorf, in Steenfelde genauso wie in Backemoor, in Ihrhove ebenso wie in Westrhauderfehn. Die Leiterinnen hatten es schwer, mußten sie doch neben den Zusammenkünften auch monatlich den Mitgliedsbeitrag einholen, was oft zu bösen Worten führte.

Der Frauenschaft angeschlossen war die Kriegsopferversorgung. So waren Frauen und Mütter als "Erhalterinnen des Volkes" auch zuständig für das Winterhilfswerk. Fast, so möchte man formulieren; war die Frauenschaft ein parteiamtlicher Wohltätigkeitsverein. Mir ist jedenfalls wiederholt berichtet worden, daß sich die Frauenschaften der verschiedenen Dörfer des Overledingerlandes um die Sozialfälle in der Gemeinde kümmerten. Zwar lehnten bestimmte Arbeiterfamilien, die fest mit anderen, verbotenen Parteien verbunden gewesen waren, diese Hilfe mit dem deutschen Gruß ärgerlich ab. Doch die Frauenschaft hatte noch genügend andere Aufgaben.

"Hab mein Wagen' vollgeladen..." heißt ein lustiges Lied, daß Klara Rüter auf dem Hof von Utrechts in Collinghorst singen könnte. Bei dieser Menge von Bohnen mag sie eher etwas bedrückt an das bevorstehende Einkochen gedacht haben!
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"Hab mein Wagen' vollgeladen..." heißt ein lustiges Lied, daß Klara Rüter auf dem Hof von Utrechts in Collinghorst singen könnte. Bei dieser Menge von Bohnen mag sie eher etwas bedrückt an das bevorstehende Einkochen gedacht haben!

Zum Beispiel das Herstellen von Bohnenkonserven für das Winterhilfswerk. Die Ostrhauderfehner Frauen setzten sich zusammen und schnippelten die Bohnen. Im "Schwienpott" wurden sie vorgekocht. Mit dem Handwagen ging es zu Hans Kalkhoff in der 1. Südwieke, der eine Dosenverschließmaschine hatte. Anschließend wurden sie beim Schlachter Voßberger "konserviert". Von Leer aus kam später ein Lkw, der überall die fertigen Bohnendosen (Dosenbohnen?) einsammelte und ins Ruhrgebiet brachte. Solch eine Maschine konnte auch von gebrauchten Dosen den gebördelten Rand abschneiden. So konnten diese erneut verdeckelt werden.

Vielleicht ist der eine oder andere nun böse, daß ich nichts über die "Ostfriesischen Girlanden" geschrieben habe oder über die "Ströpselpuppe", welche einer mittelreifen Jungfer ans Fester oder vor die Tür gestellt wurde. "Arvten un Bohnen sünd Lävenskronen", sä Antjemöh, und sie smüstert mir zu. "Mannlü un Kinner mutten't nich all weten."

Bei so vielen fleißigen Händen macht das Bohnen-"ströpen" sogar Spaß. Vor Lambertus Reents aus Ostrhauderfehn sitzen 1938 von links: Käthe Rogge, Elfriede Noormann, Therese Rogge, Therese Beckmann, Rena Ewen mit Sohn Wilfried, Frau Lehrer Ojemann, Gesine Reents, Hedwig Buss, Herta Möhlmann, Anneliese Grüter, Marga Trey und Agnes Pfeiffer.
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Bei so vielen fleißigen Händen macht das Bohnen-"ströpen" sogar Spaß. Vor Lambertus Reents aus Ostrhauderfehn sitzen 1938 von links: Käthe Rogge, Elfriede Noormann, Therese Rogge, Therese Beckmann, Rena Ewen mit Sohn Wilfried, Frau Lehrer Ojemann, Gesine Reents, Hedwig Buss, Herta Möhlmann, Anneliese Grüter, Marga Trey und Agnes Pfeiffer.

Zur Verfügung gestellt von Ingeborg Oltmanns, Johanne Kramer, Hinrich Reents (2), Karl Heinz Rieken und Karl Heinz Nußwaldt (2).

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