[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 14.09.1989

Es gab einen Förster im Overledingerland
Kurz nach der Pensionierung geschah die Brandkatastrophe

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Es gab einen Förster im Overledingerland
Kurz nach der Pensionierung geschah die Brandkatastrophe

CarI Schmidt war oft unbequem

Der Landrat des Kreises Leer, Dr. Graf von Wedel, schreibt im Juli 1895 an die königliche Regierung (kgl. Reg.) Aurich: "Richtig ist jedenfalls, daß der Gemeindevorsteher Cassens im April 1894 die Neuwahlen zum Gemeindeausschuß hat vornehmen lassen, daß er aber dann bis zum October 1894 keine Gemeindeausschußversammlung berufen hat. Im October hat er den alten Gemeindeausschuß wieder berufen; dieser hat die Wahl des Försters Schmidt sowie anderer im Frühjahr neugewählter Mitglieder für ungültig erklärt. (Bürgermeister) Cassens ist nach meiner Ansicht ein herrschsüchtiger Mann, der keinen fremden Einfluß neben sich duldet.

Landrat hatte was gegen diensteifrigen Moorvogt

Moorvogt Carl Schmidt wurde am 5. Mai 1847 in Gruben bei Potsdam geboren. Er leistete seinen Militärdienst ab 16. Januar 1867 ab und war Teilnehmer im Krieg 1870/71 als Gefreiter der Jägerklasse A 2. Nach dem 20. Juni 1871 bekam er die unterbezahlte Stellung als Revierförster beim Rittergutsbesitzer v. Möllendorf in Krampfen bei Perleberg. Er bewarb sich 1879 um die Forstaufseherstelle von Nienover, die er auch bekam, und wurde anschließend Förster in Würringsen im Solling, wo er 66 Mark monatlich erhielt.

Der forstversorgungsberechtigte Civilanwärter auf Probe, Hermann Vollmer, der den Forst in den klösterlichen Mooren bei Langholt und Burlage vermessen sollte, übergab am 5. Oktober 1880 einen Aktenschrank mit Vermessungsgeräten, Dienstvorschriften und unvollendeten Moor- und Forstkarten an den neuernannten kommissarischen Moorvogt Carl Schmidt, der seinen Dienst am 1. November 1880 antrat.

Förster Schmidt mußte sich am Rande der "Moorwüsteneyen" privat eine Wohnung suchen, in denen er seine Dienstgeschäfte abwickeln konnte. Dafür bezahlte er jährlich 165 Mark Miete, wie aus einer Bittschrift hervorgeht, als ihm seine Kuh im Wert von 300 Mark eingegangen war. Förster Schmidt hatte seine Eltern aus Gruben nach Westrhauderfehn geholt, wo sie ihren Lebensabend verbrachten.

Der Förster war ein großer Naturfreund. Er hatte einen Immenstand mit 33 Standkörben!
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Der Förster war ein großer Naturfreund. Er hatte einen Immenstand mit 33 Standkörben!

Aufnahmen (3) um 1933 von Johanne Meyer

Als es um die feste Anstellung des Posteninhabers ging, hatte der damalige Landrat Meyer Bedenken gegen den sehr diensteifrigen Förster. Er befürchtete weitere Unannehmlichkeiten, weil der Moorvogt resolut gegen die überall vorhandene Wilddieberei einschritt. Dienstlich unterstand die Försterei dem Oberförster von Friedeburg.

Wenn er auf Dienstreise war oder Urlaub beantragt hatte, um seinen kranken Bruder Ewald zu besuchen, so waren der Colonist Ontje Kampen in Veenhuser Moor, Jan Junker und Heye Reuter (später Harm Korporal) aus Großwolderfeld für das Overledinger Dominalmoor sowie der Hilfsaufseher Martin Nitz aus Burlage seine Stellvertreter.

Bei der Gemeindewahl 1895 wurden Förster Schmidt, der Verlaatsmeister Voigt und Colonist Johann Meyer aus Burlage sowie Altschiffer Johann G. Janssen in den Gemeindeausschuß gewählt, was dem damaligen Gemeindevorsteher Cassens überhaupt nicht paßte. Ab Mai 1889 war Förster Schmidt für die Hebung der Moorheuer im Gutsbezirk Klostermoor I und II zuständig.

Die Försterei Burlage (Klosterforst zwei) war 1901 an die 157 Hektar groß. Als die Klosterkammer 1909 den Gutsbezirk 1 an die Rhauderfehn-Gesellschaft sowie an die Gemeinden Langholt und Burlage verkaufte und den Gutsbezirk II an die Hannoversche Gemeinnützige Ansiedlungsgesellschaft veräußerte, ließ sich der Moorgutsverwalter und Förster Carl Schmidt in den Ruhestand versetzen.

Die Geschichte, die ich diesmal erzählen möchte, klingt unglaubwürdig. Noch hat keiner über den Förster vom Overledingerland berichtet, und selbst Heimatkundler, die sich gut auskennen, werden den Kopf schütteln: Nein, einen Förster hat es im Overledingerland nie gegeben.

Die Fotos beweisen das Gegenteil. Carl Schmidt, so ist sein Name, war Veteran des Krieges 1870/71. Er lebte in Mitteldeutschland und bewarb sich bei der Klosterkammer um den Posten eines Förstern für den Burlager Forst. Er erhielt die Stelle und kaufte sich in Westrhauderfehn ein Haus. Er trat der Kyffhäuserkameradschaft von 1678 bei. Im Jubiläumsjahr 1903 marschierte er im Festumzug gleich hinter der Fahne, unverkennbar in seiner grünen Försteruniform und den vielen Kriegsorden. Die anderen Festteilnehmer waren alle in festliches Schwarz gekleidet.

Gutsförster Ewald Schmidt zog mit seiner Frau Johanna nach Westrhauderfehn zum Bruder Carl. Er hatte einen schweren Unfall durch ein Pferd erlitten. Rechts hinter dem königlichen Förster Carl Schmidt seine Nichte Auguste Marschallek.
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Gutsförster Ewald Schmidt zog mit seiner Frau Johanna nach Westrhauderfehn zum Bruder Carl. Er hatte einen schweren Unfall durch ein Pferd erlitten. Rechts hinter dem königlichen Förster Carl Schmidt seine Nichte Auguste Marschallek.

Aufnahme um 1905

Aus dem Jahr 1895 ist uns ein Kaufvertrag erhalten geblieben: "Zwischen der Ehefrau des Schiffers Hinrich B. Gewald, Frauke, geb. Schoemaker, in Westrhauderfehn als Verkäuferin, und dem Königlichen Förster Carl Schmidt in Westrhauderfehn als Käufer, ist heute nachstehender Kaufvertrag abgeschlossen und vollzogen worden: "Frauke Schoemaker verkauft dem Förster einen halben Fehnplatz mit dem daraufstehenden Wohnhaus Nr.42 A und den anliegenden Pantumpant-Ländereien.

Ein Blick in die Gegenwart ist hier notwendig: Täglich fahren die Schulbusse in Westrhauderfehn zum Schulzentrum. Rechts neben der Buszufahrt steht ein Haus. Dieses Grundstück kaufte der Förster. Die schmale Teerstraße, die nur für den Busverkehr zugelassen ist, war ehemals eine Inwieke. Dieses Gewässer hatte eine direkte Verbindung mit der Dosewieke! Die Fehnstelle selbst ging ungewöhnlicherweise durch bis zur Dosewieke. Deshalb heißt es im Paragraph 7 des Kaufvertrages:

"Die Benutzung der Inwieke sowie des Fahrweges längs der Inwieke vom Hauptweg bis zur Dosewieke steht beiden, Verkäuferin und Käufer, frei."

Der Förster Carl Schmidt war zu diesem Zeitpunkt bereits verlobt, aber diese Verbindung ging in die Brüche. Danach hat er keinen neuen Versuch unternommen, eine Familie zu gründen. Er verstarb 1936 im beinahe vollendeten 89. Lebensjahr. Das Haus und die Ländereien erbte seine einzige Nichte Auguste Marschallek, die mit Meinhard Meyer verheiratet war.

Zwei Ereignisse haben das Leben des Försters Carl Schmidt in Ostfriesland geprägt. Am 5. März 1885 berichtete das Leerer Anzeigenblatt folgendes: "Pastor Lamberti zu Collinghorst und Förster Schmidt zu Rhauderfehn haben den 50 Jahre, wenn nicht 100 Jahre, alten Plan einer Kanalverbindung von der Leda bis zum Papenburger Kanal wieder aufgegriffen." Empfohlen wurde das Projekt vom Kreishauptmann Meyer, und die entsprechende Bittschrift an den zuständigen Minister haben Pastor Lamberti und Förster Schmidt unterschrieben. Der Kanal sollte zwischen der Ledabrücke und Tjackleger beginnen, an Folmhusen im Osten vorbei über Klinge und Glansdorf und dann durch das "fiskalische Moor" bis nach Papenburg verlaufen. Die Begründung für diesen Kanal war diesmal jedoch eine andere: Der Leitgedanke war jetzt die SchIickgewinnung aus der Leda zur Bodenverbesserung der ärmlichen Ländereien am Overledinger Moorrand.

In der alten Akte von 1848/49 war ein ähnlicher Kanal geplant, aber zur Entwässerung. Er sollte von Völlenerfehn in Nordwestrichtung auf Großwolde zu gegraben werden und dann an Ihrhove vorbei bis an die Leda verlaufen. Der damals in Leer stationierte Bauinspektor Durlach wollte diesen Kanal aus Kostengründen gleichzeitig mit der neuen Chaussee zwischen Papenburg und Leer erstellen lassen. Das "so herrliche Folgen verheißende Projekt" scheiterte an der "Teilnahmslosigkeit" einzelner Grundeigentümer.

Es wurde nichts aus diesem Kanalprojekt, weder 1850 noch 1895. Förster Schmidt machte sich nicht viel aus der Ablehnung. Er hatte andere private Pläne, aus denen aber auch nichts wurde, wie oben schon erwähnt. So lebte er tagein, tagaus in und mit "seinem" Wald. Seltsam, daß "befi" in seinen beiden Büchern über Burlage und deren Einwohner mit keinem Wort auf diesen imposanten Mann eingeht. Denn Förster Schmidt hatte ein genaues Auge für die vielen Wilddiebe, die nicht nur mit der Flinte, sondern auch mit Schlingen dem Wildbret nachstellten. Zudem gab es ein trauriges Ereignis, das dem Förster Schmidt fast den Lebensnerv zerschnitten hätte.

Das Jahr 1911 gilt neben 1947 als das heißeste Jahr, welches es in diesem Jahrhundert gegeben hat. Wenn das Wort "Dürre" für Europa normalerweise ein Fremdwort ist, für 1911 gilt das nicht. Am 17. Juli wurden 37,5 Grad gemessen, am 28. Juli war es morgens um halb acht schon 28 Grad heiß, und am 1. August wurden die Ferien wegen der anhaltenden Hitze auf unbestimmte Zeit verlängert. Die Bauern begannen, das Vieh aufzustallen, die Binnenschiffer hatten kein Wasser mehr, und am 12. August klagten die Städte über fehlende Milch für die Kinder.

echts sitzt der Förster Carl Schmidt mit seinem Jagdhund "Waldmann". Hinter ihm stehen Auguste und Meinhard Meyer mit ihrer Tochter Johanne, und links sitzt die Tante Johanna Schmidt, Frau des Gutsförsters Ewald Schmidt, der später nach Westrhauderfehn verzog.
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echts sitzt der Förster Carl Schmidt mit seinem Jagdhund "Waldmann". Hinter ihm stehen Auguste und Meinhard Meyer mit ihrer Tochter Johanne, und links sitzt die Tante Johanna Schmidt, Frau des Gutsförsters Ewald Schmidt, der später nach Westrhauderfehn verzog.

Aufnahme um 1924 von Thole Wiese

Am 25.8. mußte ein Ostrhauderfehner vier Meter tief graben, um etwas Wasser zu finden, und Ende August wurden die ersten Brände in Börgermoor und Lingen gemeldet. Am 3. September brach ein Feuer auf den Bauländereien von Neeland und Schöne in Holterfehn aus, und die Behörden warnten vor dem Abbrennen von Fackeln aus Anlaß der Sedansfeiern. Am 5. 9. brennen die Hochwälder bei Frankfurt und Kassel. Am 12. September 1911 heißt es dann: "Neueste Nachrichten: (Privattelegramm) Ein großer Heidebrand ist heute mittag zwischen der 2. und 3. Südwieke zum Ausbruch gekommen. Der Brand hat große Flächen Land ergriffen. Verschiedene Spritzen der Umgebung sind an die Brandstelle abgerückt, doch ist es fraglich, ob das Feuer bei der allgemeinen Trockenheit und dem Wassermangel gelöscht werden kann. (Der Brand wurde auch von Leer aus deutlich beobachtet, d. Red.)

Am 14. September 1911 heißt es dann im Leerer Anzeigenblatt vom Berichterstatter "U" aus Westrhauderfehn: "Schwarz aufsteigende Rauchwolken deuteten zur Mittagszeit an, daß im Süden unseres Ortes ein größerer Brand ausgebrochen sei. Die hiesige freiwillige Feuerwehr rückte sofort mit der großen Spritze an die Brandstätte, um helfend und rettend einzugreifen. Beim Näherkommen stellte sich heraus, daß kein Haus in Flammen stand, sondern die beiden Gehölze "großer und kleiner Forst", zu Klostermoor gehörend. Wie man hört, soll das Feuer in der Südwestecke entstanden sein. Da ein Südwind weht, und Wasser zum Löschen nicht vorhanden ist, so werden wahrscheinlich die beiden Gehölze, der Schmuck und die Zierde unserer Gegend, dem verheerenden Element zum Opfer fallen. (Wir brachten in einem Teil unserer gestrigen Nummer bereits eine kurze telegrafische Meldung über den Ausbruch des Feuers, das man auch von Leer aus deutlich beobachten konnten, d. Red.)".

Am 15. September, das war ein Freitag, heißt es dann schon auf Seite eins dieser Zeitung: "Das im Burlager Forst ausgebrochene Feuer, das sich auf das angrenzende Klostermoor ausdehnte, hat mehrere Hektar Wald und große Flächen Moor vernichtet. Das Holz des abgebrannten Forstes gehörte der Klosterkammer in Hannover, der Boden gehört der neuen ostfriesischen Moorgesellschaft."

Am Sonnabend muß die Zeitung von so vielen Wald- und Moorbränden berichten, daß die Burlager- und Klostermoorer Katastrophe nur noch kurz erwähnt wird: "Im Klostermoor II wütet der Brand noch immer fort. Zwei Kolonistenhäuser sind eingeäschert worden. Die sonst noch bedrohten Kolonate konnten geschützt werden. Das Abflauen des Windes und die Niederschläge haben die Bewohner des Moores von einer großen Sorge befreit." Angeblich, so wurde mir berichtet, sollen auch Soldaten aus Aurich in Klostermoor eingesetzt worden sein, aber davon steht hier und auch im Innenteil nichts.

"Dem hier wütenden Wald- und Moorbrand sind bislang fünf Wohngebäude zum Opfer gefallen. An verschiedenen Orten mußte wegen des dichten Rauches das Vieh von den Weiden geholt werden. Viele Häuser sind geräumt, da anzunehmen ist, daß das Feuer - das nur von einem heftigen Regen gelöscht werden kann - sich noch weiter verbreitet und die Kolonate gefährdet." Und etwas später heißt es in der gleichen Ausgabe: "Der Waldbrand in Burlage hat 130 Hektar zerstört. Eine 50jährige Arbeit ist in wenigen Stunden vernichtet worden. Die Abteilungen eins und zwei, die eine Größe von 27 Hektar haben, sind noch unberührt und bleiben hoffentlich erhalten. Das Feuer glimmt noch."

Danach schweigt das Leerer Anzeigenblatt über "unsere" Brandkatastrophe. Erst am 26. meldete es sich wieder mit einem Bericht von der Rhaudermoorer Feuerwehr, die gerade ein Jahr alt geworden war. Zum Schluß heißt es: "Auch die Hilfeleistung bei dem großen Moor- und Forstbrand sowie bei dem Schutz der gefährdeten Häuser wurde besprochen und die besondere Betätigung einzelner Wehrleute, die mehrere Tage und Nächte Hilfe leisteten, lobend hervorgehoben."

Das Lebenswerk von Förster Carl Schmidt war vernichtet. Fast hatte er die Pensionsgrenze erreicht, da geschah dieses Unglück. Es war schwer zu ertragen für einen Mann, der so mit "seinem" Wald verwachsen war. Erst die Grausamkeiten des Ersten Weltkrieges ließen das eigene Schicksal etwas in den Hintergrund treten. Ein neuer Förster ist von der Klosterkammer für unser Gebiet nicht eingestellt worden.

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