[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 24.08.1989

Uralter Weg am Langholter Tief
Bürgermeister Lüken hatte das Büro im Haus

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Uralter Weg am Langholter Tief
Bürgermeister Lüken hatte das Büro im Haus

Jeden Morgen früh um sechs Uhr biegen leidenschaftliche Schwimmer in den Leda-Jümme-Weg ein. An ihnen vorbei rauschen die Autos der arbeitenden Bevölkerung, die auf der Landstraße nach Leer, Emden oder sogar noch weiter zur Arbeitsstelle müssen. Das Häuflein der eingeschworenen Schwimmgesellschaft fährt vorbei an Lükens Haus und der Jägerklause von Ludmilla Pieper, vorbei am ehemaligen Stapelfeldschen Hof, um dann nach rechts zum Schwimmbad abzubiegen.

Das Bauernhaus von Wilhelm Lüken steht als erstes Gebäude links am Leda-Jümme-Weg, wenn man zur Badeanstalt fährt. Es wurde etwa um 1909 vom Ostrhauderfehner Bauunternehmer Reent van Allen solide erbaut. Rechts im Backhaus wohnt heute der langjährige Milchlieferant Folli Smid.
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Das Bauernhaus von Wilhelm Lüken steht als erstes Gebäude links am Leda-Jümme-Weg, wenn man zur Badeanstalt fährt. Es wurde etwa um 1909 vom Ostrhauderfehner Bauunternehmer Reent van Allen solide erbaut. Rechts im Backhaus wohnt heute der langjährige Milchlieferant Folli Smid.

Aufnahme von "Dackelwilli" Plümer

In den vergangenen Monaten dieses Jahres konnten Einheimische und Urlauber Veränderungen an dem ersten Haus im Leda-Jümme-Weg wahrnehmen. Mal fehlte eine Windfehr, mal war im Hinterhaus ein größeres Loch. Ganz offensichtlich verfiel das Haus, obgleich es bewohnt war. Nun steht es leer. Das Hinterhaus fehlt. Täglich fahren alte und junge Menschen an diesem Platz vorbei. Wer hat hier einstmals gewohnt?

Der Leda-Jümme-Weg, so genannt nach dem Sielachtsverband, ist ein uralter Weg am teilweise verlandeten Langholter Tief. Dieses Flüßchen entspringt im Hümmling, schlängelt sich an Esterwegen, Bockhorst und Burlage vorbei durch ganz Langholt, von der Freitagsstraße bis zum Bargbuur. Dieser Siedlungsstreifen am Langholter Tief ist schon auf der ältesten Landkarte von Ubbo Emmius verzeichnet. Ja, selbst in grauer Vorzeit müssen hier unsere Vorfahren gesiedelt haben, denn beim Schwimmbadbau 1958 fand man neben der Buddenburg-Quelle einige Tonscherben.

Mit einem Beil befestigt Lukas Amman die harte Bohle auf dem Steg. Verantwortlich für Konstruktion und Bauausführung dieser ,,Ludmilla-Brücke", so stand es ehemals auf einem Schild, sei Folli Smid mit Johann Junker und ,,Maricron" gewesen. Die Besucher können heute trockenen Fußes durch den Sumpf zum Langholter Meer gelangen, wo die drei eisernen Ruderboote liegen. Die Schlüssel zu den Schlössern an den Ketten gibt es bei Ludmilla Pieper in der Jägerklause.
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Mit einem Beil befestigt Lukas Amman die harte Bohle auf dem Steg. Verantwortlich für Konstruktion und Bauausführung dieser "Ludmilla-Brücke", so stand es ehemals auf einem Schild, sei Folli Smid mit Johann Junker und "Maricron" gewesen. Die Besucher können heute trockenen Fußes durch den Sumpf zum Langholter Meer gelangen, wo die drei eisernen Ruderboote liegen. Die Schlüssel zu den Schlössern an den Ketten gibt es bei Ludmilla Pieper in der Jägerklause.

Die heutige B 438, die alte Landstraße zwischen Ost- und Westrhauderfehn, zerschnitt die 20 Hektar Ländereien des Wilhelm Lüken. Er war ein geachteter Langholter Bauer. Obgleich er nicht im Dorf wohnte, war er bis zu seinem frühen Tode Bürgermeister der kleinen langgestreckten Gemeinde am Langholter Tief. Da es damals noch keine Rathäuser in den Dörfern gab, standen Schreibtisch und Aktenschrank im Hause des jeweiligen Bürgermeisters. Geburten, Trauungen und Sterbefälle wurden in die Bücher eingetragen. Der Leser möge sich vor das noch erhaltene Lükensche Vorderhaus stellen und auf das rechte Fenster sehen. Dort kratzte die Stahlfeder über die Folioseite, wenn ein Langholter geboren wurde oder gestorben war.

Wilhelm Lüken hatte aus seiner zweiten Ehe mit Gesina Imken fünf Kinder. Ein Mädchen erhielt den Vornamen Ludmilla. Sie war die letzte der Lükenschen Familie, die das Haus bewohnte. Danach war es noch einige Zeit vermietet. Zwei kleine Brände im Hinterhaus waren der Anlaß für die Räumung. Die Brandschäden ließen sich nicht so leicht beheben. Das Ständerwerk wurde abgerissen.

Rechts sitzt Ludmilla Lüken. Sie ist ledig geblieben, ein Schicksal, das viele Frauen hatten, deren Schulkameraden zu den Jahrgängen gehörten, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Ihre Schwester Regina hatte ,,Piepergerd" geheiratet, dem die Gaststätte Ecke Mühlenstraße/Buchweizenkamp gehörte.
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Rechts sitzt Ludmilla Lüken. Sie ist ledig geblieben, ein Schicksal, das viele Frauen hatten, deren Schulkameraden zu den Jahrgängen gehörten, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind. Ihre Schwester Regina hatte "Piepergerd" geheiratet, dem die Gaststätte Ecke Mühlenstraße/Buchweizenkamp gehörte.

Die mächtige alte Eiche schaut traurig auf ein Haus, dessen Geschichte nicht nur von freudigen Ereignissen zu erzählen weiß. Als lebendes Denkmal ist einzig Folli Smid übriggeblieben. Er sitzt auf seiner Bank und betrachtet das Zeitungsbild, wie er als Milchmann und Eisverkäufer einstmaIs der Fehnbevölkerung diente. Die grauen BartspoppeIn des 82jährigen berichten deutlich von der mühseligen Arbeit vergangener Jahre. Trotzdem lacht er uns an und freut sich auf jeden neuen Tag.

Hier könnten täglich viele Menschen an ihm vorbeikommen. Der kleine Wald, das Sumpfgelände und der Wanderweg am Langholter Meer laden jeden Besucher zum Verweilen ein. Nicht nur für Angler ist dieses Gebiet ein Paradies! Ein hölzerner Steg führt zu drei kleinen Booten. Mit viel Eigeninitiative wurden die Bohlen 1972 verlegt. Ein herrliches Naherholungsgebiet für die beiden Fremdenverkehrsvereine in Ost- und Westrhauderfehn hätte entstehen können. Das Lükensche Bauernhaus als lnformationszentrum, ein Saal im Hinterhaus für Veranstaltungen in einem verregneten Sommer - mit etwas Phantasie ergäbe das ein ostfriesisches "Kurbad" am Langholter Meer.

Idylle am Langholter Meer. Schon Anfang der vierziger Jahre sollte hier eine Badeanstalt entstehen. Der Landkreis Leer stellte 1939 einen Saugbagger zur Verfügung, dessen Aufbauten wegen der festen Landstraßenbrücke abmontiert werden mußten. Nur so konnte der Bagger auf die Südseite gelangen. Er spülte an der Ostseite einen kleinen Damm auf. Mit Faschinen und Sand befestigten die damalige Jugendorganisation sowie einige Freiwillige diesen Fußpfad, so daß er bis auf den heutigen Tag bestehen blieb. Die Arbeiten für das geplante Schwimmbad im abgetrennten Sumpfgebiet konnten wegen des Zweiten Weltkrieges nicht mehr angefangen werden. Das heutige Schwimmbad entstand 1958 weiter südlich.
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Idylle am Langholter Meer. Schon Anfang der vierziger Jahre sollte hier eine Badeanstalt entstehen. Der Landkreis Leer stellte 1939 einen Saugbagger zur Verfügung, dessen Aufbauten wegen der festen Landstraßenbrücke abmontiert werden mußten. Nur so konnte der Bagger auf die Südseite gelangen. Er spülte an der Ostseite einen kleinen Damm auf. Mit Faschinen und Sand befestigten die damalige Jugendorganisation sowie einige Freiwillige diesen Fußpfad, so daß er bis auf den heutigen Tag bestehen blieb. Die Arbeiten für das geplante Schwimmbad im abgetrennten Sumpfgebiet konnten wegen des Zweiten Weltkrieges nicht mehr angefangen werden. Das heutige Schwimmbad entstand 1958 weiter südlich.

Wer kennt das Kloster Langholt?

Wer kennt das Kloster Langholt? Die Antwort ist einfach: Niemand, denn es wurde zerstört und plattgerissen. Die Bauern benutzten die Steine für Flickarbeiten bei ihren Stallungen. Von dem ehemals geweihten Sakralgebäude wurde weder eine Zeichnung angefertigt noch je ein Ölgemälde erstellt. Erhalten geblieben sind: 

  1. Das Sakristeiglöckchen aus Ton. Angeblich soll es aus dem Jahre 1670 stammen. Wie ausgerechnet dieses zerbrechliche Gebilde die Jahrhunderte überstanden hat, ist ungeklärt. Es wird jetzt wie auch die beiden folgenden Gegenstände im Vorraum des Fehn- und Schiffahrtsmuseums aufbewahrt.
  2. Das Meßglöckchen mit der Jahreszahl 1654. Wo es nach der Zerstörung des Klosters aufbewahrt wurde, ist nicht überliefert.
  3. Ein Türstein aus Sandstein mit der Jahreszahl 1533. Er wurde von Enni Junker in seiner Weide am Langholter Torf gefunden. Ob es sich um den Türstein des Klosters oder um den der Begräbniskapelle handelt, ist bislang nicht geklärt. Es kann sich auch um einen fremden Stein handeln, denn die Bauern bezogen "Steinsärge" als Tränkebecken fürs Vieh aus der Bentheimer Gegend.

Es ist die Jahreszahl 1533, die niemand so recht erklären kann, und es ist das ungewöhnliche Steinmetzzeichen, das nirgendwo noch einmal vorkommt.

Ein ganz kurzer geschichtlicher Rückblick sei hier angeführt: Das Langholter Kloster wird in einer Urkunde vom 8. September 1319 zum ersten Mal schriftlich genannt, es hatte damals aber schon Jahrzehnte vorher existiert. Es gehörten etwa 6000 Hektar Ordensbesitz (Einöde) dazu ("Klostermoor"). Während der Reformation verfügte Graf Enno II. 1528/9, daß die ostfriesischen Klöster nicht mehr der katholischen Kirche gehören sollten. Wie so viele andere Klöster in Ostfriesland wurden auch die Gebäude in Langholt zu "Steinlieferanten" für Neusiedler.

Das ehemalige Kloster Langholt, wie es Hermann Freede nach überlieferten Erzählungen gemalt hat. Dort, wo heute ein Supermarkt steht, war früher viel Wald. Hier erbauten die Johanniter ihr Kloster am Langholter Tief.
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Das ehemalige Kloster Langholt, wie es Hermann Freede nach überlieferten Erzählungen gemalt hat. Dort, wo heute ein Supermarkt steht, war früher viel Wald. Hier erbauten die Johanniter ihr Kloster am Langholter Tief.

Zwar konnte der auf Malta residierende Ordensmeister des Johanniterordens erreichen, daß die Ordensrechte wiederhergestellt werden sollten, aber Graf Enno II. starb schon 1540. Seine Witwe und Herrschaftsnachfolgerin, Gräfin Anna, stellte sich unwissend. So wurde lange Jahre prozessiert, bis es 1574 zu einem Vergleich kam. Das ostfriesische Grafenhaus mußte die Ordensgüter Langholt und Hasselt zurückgeben.

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