Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
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Rhaudermoor liegt zwischen Rhaude und Westrhauderfehn sowie zwischen dem Hauptfehnkanal und dem Tayemoor. Es hatte einen eigenen Kanal, die Rhauderwieke, eine Mühle und eine Ziegelei, aber keine Kirche. Für die Schiffer und Handwerker sowie deren Familienangehörige fand das kirchliche Leben in Rhaude statt.
Dies ist die alte, 1909 erbaute Schmiede von Oltmann Strenge, in der sein Sohn Friedrich, der heute 80 Jahre alt wird, noch gelernt hat. Schmidtbaas Oltmann Strenge schultert einen schweren Schmiedehammer. |
Am Sonnabend gingen Friedrich Strenge und seine Frau Dinchen durch den Wehrturm hindurch zur genagelten Tür der Dorfkirche zu Rhaude. Hier fand der Dankgottesdienst durch Pastor Brand statt. Ein 50-jähriges Ehejubiläum gibt Anlaß zu vielerlei Betrachtungen des bisherigen gemeinsamen Lebens.
Was macht ein Schmiedemeister in der Kluttenzeit, wenn es weder Arbeit noch Tauschgeschäfte zu tätigen gibt. Er baut für seinen Sohn Helmut ein supermodernes Blechauto. Mit diesen tollen Lampen und den schnellen Breitwandreifen könnte er bei jedem Seifenkistenrennen starten! |
Der Großvater unseres Jubilars, Reiner Strenge, war mit der Schwester von "Pannenbacker" Heye Kluin verheiratet. Sie hieß Antje. Es gibt noch eine Aufnahme von dem halb mit Reet gedeckten Haus, das Reiner von seinen Eltern geerbt hatte. Er selbst war beim Lohgerber Antoni am Deich in Stellung. Für eine eigene kleine Landwirtschaft mit einer Milchkuh war das geerbte Gelände am heutigen Neuen Weg nicht geeignet: Hier gab es nur Moor und Heide.
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Dem Enkelkind Erhard zeigt Fritz Strenge das frischgeschorene Milchschaf. |
Erst der Sohn Oltmann Strenge, der beim Schmied Brunsema gelernt hatte, konnte sich später einige Kühe halten, da das Land nun besser entwässert war. Als Geselle hatte Oltmann Strenge bei Goldsweer in Rajen gearbeitet und manchen Schiffsbeschlag für die Wiese-Werft hergestellt. 1909 machte er sich dann in Rhaudermoor selbständig, nachdem er seine Johanne Kramer aus Potshausen geheiratet hatte. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite ließ er eine kleine Schmiede erbauen, von der auch noch ein Foto erhalten geblieben ist.
Rhaudermoor, das ist dort, wo die "Zeegenstraat" von der Rhauderwieke abgeht. "Wollt ihr den Bock mal seh'n, so müßt ihr nach Fecht hingeh'n, da ist er ausgestellt für wenig Geld." Dieser Spottvers weist darauf hin, daß am Neuen Weg früher viele Leute, die bei der Kleinbahn oder anderswo beschäftigt waren, sich eine Ziege hielten. Der bei der Post arbeitende Atkamp schnitt das Gras für sein Tier am Gleisdamm der Kleinbahn. Er ließ den Mist im Stall so hochkommen, daß er gemütlich im Stehen melken konnte.
Laß mich mal raten: Schmiedemeister Friedrich Strenge versucht, in einem harten ostfriesischen Schädel Löcher zu bohren, um dort einige Punkerhaare festzulöten? Nicht richtig? Schade. Dann muß es wohl der Nachbar Annäus Brauer mit seinem furchterregenden Schnurrbart sein, dem Fritz hier die Haare im Nacken stutzt. |
Kaum jemand kann sich heute vorstellen, wie viele Pferde es in Rhaudermoor gab. Oltmann Strenge hatte als Hufschmied montags immer alle Hände voll zu tun. Ulpts hatte eins, Onken und Pfeiffer sogar zwei, Strenge, Burlager, Heye Lott, Rudolf Smid und Jürgens, sie alle waren stolze Besitzer von einem PS. Aber nach dem Krieg, als unser heutiger Jubilar die Schmiede übernahm, war es mit den Pferden längst vorbei. Die Gummiwagen hatten die Ackerwagen abgelöst, und so blieb für einen gelernten Schmied nicht mehr viel Arbeit übrig.
Vor der neuen Schmiede steht der Lehrjunge Johann Möhlmann mit seinem Baas. Friedrich Strenge hatte zehn Lehrjungen: Dietrich Heibült, Joh. Möhlmann, Bernhard Santjer, Manfred Theophil, Bernhard Ulpts, Karl-Heinz Duken, Hanko Weers, Heinz Noormann, Hermann Janssen sowie seinen eigenen Sohn Helmut. |
Früher brachte Beurtschipper Grüssing von Klopp, Leer, die Eisenstangen mit bis zur Anlegestelle bei Antoni. Von dort holten sie die Lehrjungen ab und brachten sie über Onkens Padd bis zur Schmiede. Später konnte man das Eisen bei Hagius kaufen. Mit "Peerd un Wüüpp" kam es mit einer Ladung Schmiedekohlen bis zur Werkstatt. Das ist alles schon sehr lange her. Kaum jemand erinnert sich noch an die Häuser, die einst zwischen dem Batzen und der Zeegenstraat standen.
Schmiedemeister Friedrich Strenge kann sich noch an einen langen Spottvers erinnern, den sein Vater häufig erzählte. "Dat sall avors nich in Zeitung!" meint er. Doch, liebes Geburtstagskind, es muß aufgeschrieben werden, auch wenn uns der eine oder andere böse ist.
Hinter der alten Schmiede ließ Friedrich Strenge einen Neubau errichten, links der Nachbar und Bauunternehmer Annäus Brauer, der hier zum Richtfest erscheint. Hinter Helmut (Hosenträger) der Vater Fritz. In der Mitte seine Frau Dienchen, geb. Schmidt, und rechts neben ihr Tochter Hanne. Rechts im dunklen Jumper der Bauunternehmer Hinrich Hoek von der Rhauderwieke, und ganz rechts ist noch Fritz` Schwester Olga zu erkennen. |
"Trientjemöh wohnt up End, Heer' Neemann schlacht een Henn. Mein Freese is een Köterbuur, Heer' Spieker word dat Arbeit'n stuur. Lott sett Opitz up Pott. Ostendörp is so groot un kleen, kann Pranger övert Schöstein seen. Johan Seemann wohnt in't groote Loog, Evert Börg spannt sien Wief vör't Ploog. Johann Pfeiffer is de Timmermann, dat Hey' Lott good flöken kann. Johann Streng', de schlacht een Koh, schmitt Reinhard Streng de Bunken to. Franz Ulpts kiekt so hoch in de Lucht (hier fehlen zwei Verse über Daenekas und Onken), Peter Heinen fohrt sien Kinne rin `n Spiekerkoar."
Das Elternhaus auf der anderen Straßenseite. Durch den reetgedeckten First konnte das ganze Haus "atmen". Die Dockenpfannen waren noch nicht mit hölzernen Regenrinnen versehen. Rechts stehen Reiner Strenge mit seiner Frau Antje, geb. Kluin. Links steht der junge Oltmann Strenge, der sich als Schmiedemeister auf der anderen Straßenseite 1909 selbständig gemacht hatte. Vor ihm Reinhard und neben ihm Johanne, geb. Kramer, mit Fritz auf dem Arm. Das war vor 79 Jahren ... |
Solche Verse wurden mündlich überliefert. Niemand hat sie aufgeschrieben. Irgendwann geraten sie in Vergessenheit. Schade, denn sie berichten etwas überspitzt aus der Zeit unserer Urgroßeltern. "Nu is he düll un verteilt noit weer wat." Unsere interessierten Leser sollten sich aber nicht abweisen lassen. Da gibt es noch die tolle Geschichte von "Fräulein Schmidt un de Peerklappen vör't Bost." Mit Fistelstimme kichert sie: "Aber Liebling..."
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