[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 10.08.1989

Heinrich mußte nur dem Schiffer gehorchen
Es gab 125 Mark Monatsheuer

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Heinrich mußte nur dem Schiffer gehorchen
Es gab 125 Mark Monatsheuer

"Hinaus in die Ferne" heißt es jetzt, denn die UrIaubs- und Ferienzeit hat auch in Niedersachsen ihren Höhepunkt erreicht. Der eine schätzt die Ruhe in "Meingarten", während die anderen unbedingt etwas anderes sehen wollen. Die eigenen vier Wände sind zu eng, die Freunde und Nachbarn schreiben Karten aus Jugoslawien und Teneriffa. Es lockt vielleicht auch das Segelboot in einem Hafen an der Küste. Der Freizeitskipper träumt von einem Törn ins Mittelmeer, vorbei an Gibraltar und Sizilien.

Im Duisburger Hafen liegt der olle Nordseewerker, die MS "Osnabrück" von Schiffsführer Haak, daneben der Rheinkahn 138. Wenn nicht viel zu tun war, besuchten sich die Schiffer gegenseitig an Bord. Am Heck steht der Schiffsjunge Heinrich Schmidt (mit seiner ersten Schiffermütze).
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Im Duisburger Hafen liegt der olle Nordseewerker, die MS "Osnabrück" von Schiffsführer Haak, daneben der Rheinkahn 138. Wenn nicht viel zu tun war, besuchten sich die Schiffer gegenseitig an Bord. Am Heck steht der Schiffsjunge Heinrich Schmidt (mit seiner ersten Schiffermütze).

Wenn früher die Kapitäne und Matrosen nach Hause kamen, erzählten sie von fremden Ländern, von Erlebnissen in einem exotischen Hafen und von Menschen anderer Hautfarbe. Die Jugend sehnte sich danach, das Elternhaus zu verlassen. Die Schulzeit war beendet, die Suche nach einer Arbeit oder Lehre zwingt zu Entscheidungen. "Up't Schipp kummst du nich", lautete Mutters Rat, denn sie hatte Angst, ihren Sohn zu verlieren. Wieviele junge Menschen, wie viele Väter waren auf See geblieben, denn "das Wasser hat keine Balken". Es war die Furcht vor dem nassen Element. Auf hoher See halfen auch keine noch so guten Schwimmkünste.

uf dem Schleppkahn "7" der SGDE war Gerhard Follrichs aus der Jürgenaswieke, Rhaudermoor, Schiffsführer. Neben Heinrich Schmidt befand sich noch Richard de Buhr aus Warsingfehn mit an Bord.
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Auf dem Schleppkahn "7" der SGDE war Gerhard Follrichs aus der Jürgenaswieke, Rhaudermoor, Schiffsführer. Neben Heinrich Schmidt befand sich noch Richard de Buhr aus Warsingfehn mit an Bord.

Wie sooft im Leben kam es zu keinem Kompromiß. Der Junge wollte hinaus in die "Ferne". Wenn schon nicht auf einem großen Pott, so doch vielleicht auf einem Binnenschiff? Der Vater machte sich diesen Gedanken zu eigen. Erst wollte er, daß Heinrich eine Tischlerlehre beginnen sollte, denn dann hätte er abends noch auf der kleinen Landwirtschaft mithelfen können. Heinrich wollte nicht für'n Appel und Ei arbeiten. Nun fuhren Vater und Sohn eines Tages mit dem Rad nach Emden. Das war damals so. Wenn bares Geld gespart werden konnte wie in diesem Fall die Fahrkarten mit der Klein- und Bundesbahn nach Emden "zweimal hin- und zurück", dann kam das gute alte Velociped zu Ehren. Der amerikanische Begriff "time is money" hatte im Nachkriegsdeutschland noch keine Bedeutung.

Für die Heimfahrt reichte oft ein Moped aus. Der Kahn 7 der Schleppgesellschaft Dortmund-Ems (SGDE) hat schon manchen Bums ertragen müssen. Aus der SGDE ist die WTAG entstanden. Hier ist der Kahn 7 auf Talfahrt (ohne Kohlen) nach Emden.
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Für die Heimfahrt reichte oft ein Moped aus. Der Kahn 7 der Schleppgesellschaft Dortmund-Ems (SGDE) hat schon manchen Bums ertragen müssen. Aus der SGDE ist die WTAG entstanden. Hier ist der Kahn 7 auf Talfahrt (ohne Kohlen) nach Emden.

Im Heuerbüro des Emder Hafens wurde hin- und herdiskutiert. Nach einer Wartezeit von drei Wochen bekam Heinrich seine Chance. Als Schiffsjunge fuhr er auf der "MS Osnabrück", die in Dortmund beheimatet war. 125 DM gab es Monatsheuer, wovon allerdings die Kost und das Geld für die Heimfahrten abging. Trotzdem, Heinrich fühlte sich unabhängig und reich. Zwar mußte er dem Schiffer gehorchen, und auch sonst war das Bordleben nicht das reinste Zuckerschlecken, aber schon bald durfte er auch einmal das Steuer in die Fäuste nehmen. Welch ein Gefühl, so einen großen Pott ganz allein lenken zu dürfen!

Als Matrose und Koch fuhr Bertus Braak aus der Dosewieke auf dem Schleppkahn "WTAG 38", der hier mit Kohle auf der Talfahrt nach Emden ist. Schiffsführer war Heinrich Brinker, und als weiterer Matrose fuhr Heinrich Junior, beide aus Glansdorf, auf dem Schleppkahn "38" der Westfälischen Transportaktiengesellschaft.
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Als Matrose und Koch fuhr Bertus Braak aus der Dosewieke auf dem Schleppkahn "WTAG 38", der hier mit Kohle auf der Talfahrt nach Emden ist. Schiffsführer war Heinrich Brinker, und als weiterer Matrose fuhr Heinrich Junior, beide aus Glansdorf, auf dem Schleppkahn "38" der Westfälischen Transportaktiengesellschaft.

Schon im zweiten Lehrjahr durfte er 1954 auf der MS "Emden" als Ablöser eine Rheinfahrt machen. Der Wunschtraum jedes USA-Urlaubers ist solch eine Reise auf dem "deutschen" Rhein, vorbei an der Loreley. Das wissen auch die Fotografen, die nur darauf warten, die Amerikaner abzulichten und ihnen das Foto bei der nächsten Anlegestelle teuer zu verkaufen. 

Auch das ist der Schleppkahn "7" der SGDE, aber ohne Steuerhaus. Der Kahn hatte das Erz vom Emder Hafen in Grimberg gelöscht und fuhr nun leer auf dem Rhein-Herne-Kanal zur Zeche, um Kohle zu laden. Da ein unbeladenes Schiff wesentlich höher aus dem Wasser ragt als ein beladenes, mußte das Steuerhaus wegen der vielen Brücken abgebaut werden.
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Auch das ist der Schleppkahn "7" der SGDE, aber ohne Steuerhaus. Der Kahn hatte das Erz vom Emder Hafen in Grimberg gelöscht und fuhr nun leer auf dem Rhein-Herne-Kanal zur Zeche, um Kohle zu laden. Da ein unbeladenes Schiff wesentlich höher aus dem Wasser ragt als ein beladenes, mußte das Steuerhaus wegen der vielen Brücken abgebaut werden.

 

Vielleicht kamen gerade keine USA-Ausflügler und der Fotograf drückte aus Langeweile auf den Auflöser, als die MS "Emden" mit dem Schiffsjungen Heinrich Schmidt vom Osterhörn im Overledingerland und dem Schiffsführer Tobias Schmitz aus Papenburg vorbeifuhr. Heinrich bekam einen Abzug von seinem "Urlaubsfoto", daß er stolz nach Hause schickte.

Zuletzt fuhr Matrose Heinrich Schmidt bis 1963 auf der MS "Frankfurt". Kapitän war Robert Rauert aus Westrhauderfehn, der hier sein Schiff auf dem "großen Wasser" zwischen Hansweert und Antwerpen sicher zum Bestimmungshafen steuert.
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Zuletzt fuhr Matrose Heinrich Schmidt bis 1963 auf der MS "Frankfurt". Kapitän war Robert Rauert aus Westrhauderfehn, der hier sein Schiff auf dem "großen Wasser" zwischen Hansweert und Antwerpen sicher zum Bestimmungshafen steuert.

Als Matrose fuhr Heinrich dann auf der WTAG 38 und anschließend auf der SGDE 7 ("Sei geduldig, alter Esel"). Die letzten Fahrten fanden auf der in Dortmund beheimateten MS "Frankfurt" statt. Der Vater wurde krank. Heinrich kam nach Hause und übernahm die Landwirtschaft. Zwölf Jahre hatte er sich den Wind um die Nase wehen lassen, hatte ein klein bißchen von der großen Welt gesehen. Wenn er heute hier und da auf dem Fehn arbeitet, kann er mit jedem ein Wort schnacken. Fahrensleute, und wenn sie "nur" auf den Kanälen und Flüssen zu Hause waren, sind weltoffen und haben für vielerlei Situationen Verständnis. Auch für den Autor dieser Zeilen, der eigentlich "proten" hätte schreiben müssen . .

 

Als "Ablöser" hatte Heinrich Schmidt das Glück, mit der MS "Emden" seine erste Rheinfahrt machen zu dürfen. Wahrscheinlich war ihm gar nicht bewußt, wieviel Geld mancher Amerikaner für solch eine Fahrt vorbei an dem Loreleyfelsen würde bezahlen müssen. Schiffsführer war 1954 Tobias Schmitz aus Papenburg.
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Als "Ablöser" hatte Heinrich Schmidt das Glück, mit der MS "Emden" seine erste Rheinfahrt machen zu dürfen. Wahrscheinlich war ihm gar nicht bewußt, wieviel Geld mancher Amerikaner für solch eine Fahrt vorbei an dem Loreleyfelsen würde bezahlen müssen. Schiffsführer war 1954 Tobias Schmitz aus Papenburg.

 

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