[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 27.04.1989

1875 erster "Schnappschuß" auf dem Fehn
Im "Tuffelkeller" die Glasplatten entwickelt

[ Zurück zur Übersicht aller Artikel des Fehntjer Kuriers 1989 ]


[ Zum Seitenanfang ]

1875 erster "Schnappschuß" auf dem Fehn
Im "Tuffelkeller" die Glasplatten entwickelt

Jeder kennt sie, die Hanni Kramer. Wenn nun jemand den Kopf schüttelt, wollen wir es ihm/ihr erklären. Jeder Ostrhauderfehner kennt sie. Oder zumindest jeder, der seinen Lotto-/Totoschein abgibt. Zumindest meinen diejenigen, die sie kennen, daß sie sie kennen. Aber heute werden die sich wundern. So kennt sie doch wohl kaum jemand.

Hanni Kramer ist eine geborene Johanne Kramer. Das Elternhaus stand neben Lührings in der 2. Südwieke von Holterfehn (heute Nordstraße). Ihr Vater war Binnenschiffer. Unweit des Kramerschen Hauses befand sich der "Gasthof zur Erholung" von Dirk Janssen, über den wir schon zweimal berichteten (18.8. und 8.12.88). In diesem Gasthof hatte Georg Hensmanns eine Kamera aufgestellt, mit der er Leute fotografierte. Später verlegte er sein "Studio Eveline" nach ldafehn, bevor er dann nach Amerika auswanderte.

Dies ist ein spaßiges Bild: Hannis Vetter Jonny Buss war ebenfalls der Leidenschaft des Fotografierens verfallen. Hier setzte er sich mit der langen Urgroßvaterpfeife, die wir schon vom Faschingsbild her kennen, auf einen Stuhl vor seine eigene Kamera. Hanni tut so, als ob sie ihn fotografieren will, hat aber vorher schnell auf den Selbstauslöser ihrer eigenen Kamera gedrückt! Fast ein Doppelselbstportrait. Im Hintergrund Bruder Hermann, vorn die Pussi. Übrigens, ihren neuen Haarschnitt, den modischen Bubikopf, den mochte ihr Lehrer Bertus Pfeiffer nicht leiden, daran kann sich Hanni noch genau erinnern.
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

Dies ist ein spaßiges Bild: Hannis Vetter Jonny Buss war ebenfalls der Leidenschaft des Fotografierens verfallen. Hier setzte er sich mit der langen Urgroßvaterpfeife, die wir schon vom Faschingsbild her kennen, auf einen Stuhl vor seine eigene Kamera. Hanni tut so, als ob sie ihn fotografieren will, hat aber vorher schnell auf den Selbstauslöser ihrer eigenen Kamera gedrückt! Fast ein Doppelselbstportrait. Im Hintergrund Bruder Hermann, vorn die Pussi. Übrigens, ihren neuen Haarschnitt, den modischen Bubikopf, den mochte ihr Lehrer Bertus Pfeiffer nicht leiden, daran kann sich Hanni noch genau erinnern.

Dieser Georg Hensmanns gehört neben Bruno Fischer und Wilhelm Kramer, Ihrhove (auf den wir in einer späteren Folge noch eingehen werden), zu den ersten Berufsfotografen im Overledingerland. Vorher gab es "nur" Privatleute, die fotografierten. Heiko Athen und Lambertus Deepen in Westrhauderfehn, Bernhard Brüning Watzema in Breinermoor und vielleicht der eine oder andere Unbekannte, den ich noch nicht erfaßt habe. Ansonsten gab es nur die Wanderfotografen aus Bremen, Oldenburg oder sogar Hamburg, die über die Dörfer liefen und Aufnahmen machten. Wer seine Hochzeit fotografisch festgehalten wissen wollte, der mußte nach Leer oder Papenburg, was bei den damaligen Wegeverhältnissen oft eine Zumutung war.

Eine weitere Selbstaufnahme: Hanni im BDM-Look am 8.4.1934. Neben dem Haus standen drei große Lindenbäume. Aus dem einen wurde während des Krieges eine Holzkarre gezimmert.
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

Eine weitere Selbstaufnahme: Hanni im BDM-Look am 8.4.1934. Neben dem Haus standen drei große Lindenbäume. Aus dem einen wurde während des Krieges eine Holzkarre gezimmert.

Heute hat fast jede Familie einen kleinen Fotoapparat, ja, es gibt sogar schon Apparate, die man gleich nach Gebrauch (und Entwicklung des Films) wegwerfen kann. Gute Apparate fotografieren fast "allein", der Benutzer braucht nur noch durchzugucken und auf einen Knopf zu drücken - keine Blende mehr, keine Entfernung und keine Sekunden, alles geht automatisch, das Weiterdrehen, das Blitzen und das Zurückspulen.

Da hatten es unsere Großeltern schon schwerer. Wer die Bilder betrachtet, wie ein Fotograf mit seinem sperrigen dreibeinigen Stativ langwierige Vorbereitungen treffen mußte, der weiß die heutigen vollautomatischen Kameras zu schätzen. Auf der andern Seite haftete aber dem damaligen Fotografen etwas Geheimnisvolles an. Es war fast so wie bei den Naturvölkern, die staunten, daß da plötzlich "Abbilder" von ihnen und ihrer Umgebung auf Papier zu sehen waren.

Die junge Fotografin machte auch Aufnahmen für andere Leute. Hier fotografierte sie Tjodine Pfeiffer, geb. Oltmanns. Ob der liebe Willi sich wohl wiedererkennt???
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

Die junge Fotografin machte auch Aufnahmen für andere Leute. Hier fotografierte sie Tjodine Pfeiffer, geb. Oltmanns. Ob der liebe Willi sich wohl wiedererkennt???

Den Schiffer Hermann Kramer hat diese Fotografiererei immer interessiert. Nur war er ständig von zu Hause fort. So war er sehr erfreut, daß seine Tochter Johanne sich - ganz unmädchenhaft - für diese geheimnisvolle Technik begeisterte. In Dortmund kaufte er solch eine dreibeinige Kamera. Und damit wurde Johanne Kramer in Holterfehn zu einer der ersten Fotografinnen im Overledingerland. Nicht nur, daß sie Platten kaufte, nein, sie entwickelte sie sogar selbst! Im "Tuffelkeller" hatte sie eine kleine Ecke, wo sie mit Regenwasser das flüssige Entwicklungswasser verdünnte. Das Fixiersalz wurde aufgelöst und die Glasplatten haltbar gemacht. Trocknen durften sie dann in der Küche. Papa brachte auch das Epag-Papier aus Dortmund mit. Er war sehr stolz auf seine Tochter!

Erst als sie 1939 Oltmann Kramer heiratete (ob der Standesbeamte wohl durcheinanderkam?) gab sie ihr Hobby auf.

- Nun, nach all den vielen Jahrzehnten, hat auch Hanni Kramer eine moderne Kamera in Betrieb. Aber die alten Papierabzüge ihrer ersten Versuche mit dem neuen Medium der Fotografie sind wertvolle Erinnerungen.

Jetzt kennen auch all unsere Leser die Hanni Kramer von Holterfehn, eine der ersten Fotografinnen im Overledingerland, vielleicht sogar die erste, die selbst entwickelte und fixierte.

Die Fotografie feiert dieses Jahr ihren 150. Geburtstag. Wie bei allen Erfindungen gab es verschiedene Entwicklungsstufen, die zum Teil schon Jahre vorher stattgefunden hatten. So erschien bereits 1802 in London ein Aufsatz "über eine Methode, Glasbilder zu kopieren und Silhouetten herzustellen durch Einwirkung von Licht auf Silbernitrat" von Thomas Wedgewood. Zwanzig Jahre später gelang es Nicephore Niepce in Paris, mit Hilfe von Asphalt auf Glas die erste lichtbeständige heliografische Kopie eines Kupferstichs herzustellen. 1827 belichtet der selbe Mann acht Stunden lang den Blick aus seinem Fenster auf einer mit Asphalt empfindlich gemachten Zinnplatte. Es ist die erste, erhalten gebliebene lichtbeständige Fotografie: ein Direktpositiv.

Diesmal sind die Zöpfe umgeknickt. Hanni blickt gekonnt in die Kamera, während der Selbstauslöser läuft. Erna ist das zu langweilig.
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

Diesmal sind die Zöpfe umgeknickt. Hanni blickt gekonnt in die Kamera, während der Selbstauslöser läuft. Erna ist das zu langweilig.

In England werden die ersten Versuche mit lichtempfindlichem Papier gemacht. Das war 1834. Ein Jahr später entdeckte Jacques Daguerre in Paris, daß sich belichtete Silberjodidglasplatten mit Quecksilberdämpfen "entwickeln" lassen. Schon 1839, in dem "Geburtsjahr" der Fotografie, fanden in Paris zwei Ausstellungen statt: Hippolyte Bayard zeigte dreißig Fotografien und der Engländer Talbot 93 fotogenische Zeichnungen. Im Herbst 1839 beginnen die wöchentlichen Vorführungen des Daguerre'schen Verfahrens. In großer Eile findet die Fotografie in aller Welt zahlreiche Interessierte.

So ist es zu erklären, daß unsere älteste Fotografie im Overledingerland schon 1875 von einem unbekannten Fotografen hergestellt wurde. Am 14. Februar 1875 wurde Amalie Mathilde Fanny Sophie Charlotte von Pastor Nellner getauft. Ihre Eltern, Apotheker Edwin Meyer und seine Frau Marie, haben sich vor der alten Apotheke in Westrhauderfehn dem Fotografen gestellt (siehe FK vom 28.1. 88). Die nächstältesten Fotos sind die Aufnahmen vom Bau der Navigationsschule und der Zugbrücke über die 1. Südwieke in Westrhauderfehn im Jahr 1885 (siehe FK vom 26.11. 87 und 7. 1.88).

Hanni mit Zöpfen. Selbstaufnahme zusammen mit ihrer Freundin Hildegard Sanders. Die kleine Erna war 1931 geboren worden.
[Klicken Sie auf das Bild für eine vergrößerte Darstellung]

Hanni mit Zöpfen. Selbstaufnahme zusammen mit ihrer Freundin Hildegard Sanders. Die kleine Erna war 1931 geboren worden.

Die Ostfriesische Landschaft Aurich bemüht sich in ihrer Ausstellung "Lichtbilder -Lichtspiele", Bilder vom Besuch des Königs Georg V. im August 1863 zu finden. Auch die Einweihung des neuen Kriegshafens 1869 durch Wilhelm I. ("Wilhelmshaven") oder der Bau des Ems-Jade-Kanals 1882 bis 1887 oder die Einweihung der "Westbahn" zwischen Emden und Westfalen 1856 müßten fotografisch festgehalten worden sein. Die Eröffnung dieser Ausstellung ist Anfang Mai in Emden, und wir werden ausführlich darüber berichten.

[ Zum Seitenanfang ] [ Zurück zur Übersicht aller Artikel des Fehntjer Kuriers 1989 ]


[ Home ]
Hilfen ] [ Publikationen ] [ Aktuelles ] [ Overledingerland ] [ Zeitungsartikel ] [ Links ][ Startseite ]