Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
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Ein altes Volkslied aus Mähren beginnt so: "Im Märzen der Bauer die Rößlein einspannt; er setzt seine Felder und Wiesen instand; er pflüget den Boden, er egget und sät und rührt seine Hände frühmorgens und spät." Es dürfte wohl kaum jemanden geben, der dieses Lied nicht kennt. Nun kommt natürlich gleich der Einwand: Wir haben jetzt April, lieber Schreiberling, hast du das vergessen? Nein, er hat es nicht vergessen. Er weiß sogar, daß in Ostfriesland alles anders ist als zum Beispiel in Nordmähren.
"De Wichter mutten de Peer halen". Etta und Hilda Helmers holen Bub und Fanny von der Weide. |
Böhmen und Mähren gehörten einmal zum Großdeutschen Reich. Der Böhmerwald wird vom Bayrischen Wald zwischen München und Prag nur durch die Grenze zur Tschechoslowakei getrennt. Das sind gut 500 Kilometer, die diese mährische Landschaft von Ostfriesland entfernt ist. Dort kommt der Frühling ein paar Wochen eher als zu uns. Dort können die Bauern schon im März die Rößlein einspannen. Das geht in Ostfriesland nicht.
Das eine Pferd lief in der Furche, das andere auf dem Acker. Pflügen mit einem Gespann war für den 18jährigen Hermann Helmers in Ubbehausen eine gewohnt schwere Arbeit. Zur Verfügung gestellt von Hilde Schmidt |
Unser Grund und Boden liegt bekanntlich sehr tief. Wir haben es schwer, das Regenwasser loszuwerden. Da bedarf es schon starker Pumpen, um die Wassermengen des diesjährigen Karfreitags durch die Deiche in Leda und Ems abfließen zu lassen. Die Wiesen und Felder sind durchgeweicht, da darf kein Trecker drauf fahren. So dauerte es bis zum letzten Märztag. Der trockene Wind über Ostern hatte fleißig geholfen.
Mit "Fritz" fährt Hans Otto Scheer während seines Soldatenurlaubs auf das Land. |
Jetzt sah man die ersten Miststreuer über die Straßen fahren. "Een dröge Märt is Gold wert; een natten Märt de Amt vertehrt", weiß eine alte Bauernregel. " Märtenregen is kein Sömmersegen." Auf der anderen Seite gibt es aber auch Pflichten: "De Märt is uns söven Sömmerdagen schüllig." Am besten ist "een drögen Märt, `n natten April un `n kollen Mai, dat füllt Keller un Schüür un brengt völ Hei." Schließlich wollen Mensch und Vieh etwas zu (f)ressen haben. "De Arven un groot Bohnen will eten, dürt de Märt net vergeten."
"Wen n't man eerst weer Vörjohr weer, war't all greit un bleiht un leevt un lacht." Aber wohin mit der Jauche? Der Naturschutz bedrängt die Bauernhöfe, heißt es überall in den Schlagzeilen. Die Umwelt und das Grundwasser reagieren empfindlich auf die industriell gemanagten landwirtschaftlichen Betriebe. Vor Jahren hieß es noch forsch: Aufstocken und erweitern! Jetzt weiß kaum noch jemand, wohin mit der Gülle.
Da kamen doch neulich diese beiden alten Herren zusammen, der Alt-EG-Kommisar Sicco Mansholt und der Diplomlandwirt Jan Huizinga aus Bunderhee, jetzt in Werlte wohnhaft. Ob ihre Vorschläge, die sie im "Reiherhorst", Halte/Ems, diskutierten, wirklich bis zum Junglandwirt nach Kloster Muhde durchkamen? Es heißt zwar so schön: "Was du ererbt von deinen Vätern...", aber mancher Junglandwirt fühlt dieses Erbe schon als schwere und belastende Bürde. Es ist nicht leicht, mit ländlicher Sturheit optimistisch in die nächsten Jahre zu sehen.
Eine typische Frühjahrsarbeit ist das Richeln. Alle
Zäune müssen nachgesehen werden, und unter Umständen der Draht erneuert
werden. Ubbo de Freese, Ostrhauderfehn, guckt zufrieden über sein
Tagewerk.
Zur Verfügung gestellt von Grete Pranger |
;;Wenn't Weer man good blieven will, dat de Buur war in de Grund kriggt, dann kan he ackern, setten und saien." Denn "in't April mutten Ploog un Eide van de Hill, mutten de Peer van de Stall, dat Butenwark geiht overall." Voraussetzung ist: "Dat Sroh is de Moder van de Meschen, und de Meßbült is de Vader van't Burkeree." Denn "wo mehr de Buur an sien Meßbült deiht, wo beter dat Korn up de Acker steiht." Eines ist klar: "Meß up't Land is Geld in de Hand." Denn darum geht es ja auch für den Bauern, um das liebe Geld. Wenn keines da ist, tröstet er sich: "Filet un Schiet helpen de Buur dör de Tied." Man könnte zwar auch beten, aber "de Meß is de halve leve Gott up't Land", denn "Meß is kien Hillgen, man he deit doch wunner!"
Anzeige in der "Rundschau" vom 3. April 1933. |
Was nützen dem heutigen Junglandwirt all diese schönen Sprüche, wenn er allein auf seinem Hof ist? Das liegt natürlich einmal an dem jungen Mann selbst, denn oft genug sagt er: "Ik will leber `n Fohr Meß upladen as mit `n Wicht danzen." Auf der anderen Seite gibt es kaum noch junge Frauen, die auf einen Bauernhof wollen. Aus diesem Grunde sollte sich der Jungbauer genau umschauen: "De frejen will, mutt sien Bruut tweemal sehn: eenmal, wenn se na't Kark hengeiht' um eenmal, wenn se in de Meschen steiht", denn "well dör de Meß geiht, mutt Stefels anhebben."
Eines ist zumindest sicher: Es gibt kaum einen Beruf, wo Mann und Frau so oft beieinander sein können wie in der Landwirtschaft. Oft klagen die Frauen über das Alleinsein, wenn der Mann auswärts arbeitet. Vor Langeweile werden täglich Haus und Auffahrt geschrubbt, jede noch so unsinnige Arbeit zum wiederholten Male getan - aber Bäuerin werden? Nie!!!
Mistfahren 1949: Links Werner Ebelt, dann Meinhard Meyer, unbekannt, Auguste Meyer und Hans Otto Scheer. "De ganze Dag bit Abend heet steiht in`t Busruntje he un sweet." |
Dabei gibt es soviel Auswahl. Es gibt den Grönbuur, den Wuddelbuur, den Ackerbuur, den Kohtittenbuur sowie den Krödde- oder Queekbuur. Nach Herkommen und Besitzstand kann sich ein Mädchen aussuchen: den "eerst Soort Buur" oder den "ingeseten Buur", den Kleibuur oder den Huusmann, den Sand- oder auch Moorbuur, den Köter- oder Kröpelbuur, den Settbuur oder Hürbuur. "Se sünd man lüttjet, man se sünd lecker, sedden de Emder Wuddelburen."
Wir könnten noch viel schreiben über Pferde und Kühe, Hühner und Schweine, über den Pflug und die Egge, über Weiden und Felder. "De Buur de heft een freen Stand, he levt as'n König up sien Land. Wat he na sien Gefallen deit - dar is kien Minsk, de't war angeiht. Mag he wat dohn off laten na, he kriggt keen Nös un Monita." Wie schön waren die Zeiten, als Carl Bittermann diesen Vers 1866 im "Ostfriesischen Hauskalender" schreiben konnte!
Werner Ebelt aus Rajen hebt die kleine Guste Scheer auf
den großen Reifen des Lanz Bulldog von Lohnunternehmer Joke Plümer.
Zur Verfügung gestellt von Hanni Scheer |
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