Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
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Kiek, nu hett he de Fraulü bi`t Kopp! Unsere Leserinnen werden sich wundern, daß ein Mann über Damenhüte schreibt. Wie heißt es doch so bissig: Der Mann ist des Weibes Haupt - wenn die Frau es erlaubt! Um Erlaubnis wurde gefragt. Als Ergebnis ist auf dieser Seite eine Anzahl hübscher Kopfbedeckungen zu sehen.
Ausgehfertig zum Garten-Concert bei
Billker, so ließ sich 1935 Gerta Prahm mit ihrem lila Hut fotografieren. |
Die Frau von Welt ging nicht ohne Hut. Auch die Bauersfrauen aus den benachbarten Dörfern setzten ihren Hut auf, wenn sie ausgingen. Die Fehntjerinnen taten es ihnen gleich, soweit der oft schmale Geldbeute! es gestattete. Schwierig wurde es erst für die Frauen, deren Männer es endlich zu etwas gebracht hatten. Sie wollten den Stadtfrauen nacheifern, aber auf dem Lande gab es kaum Geschäfte, die Damenhüte verkauften.
Für eine ausgelernte Putzmacherin war das die Gelegenheit, sich auf dem Lande oder auf den Fehnen selbständig zu machen. Henriette Stubbe aus Brake war so eine junge Frau, die nun ihr Glück in der Fremde suchte. Nach dem 1. Weltkrieg fand sie eine Anstellung im Ostrhauderfehner Textilgeschäft Reiners (Nachfolger von Bunger und Voß, siehe Fehntjer Kurier vom 28. Juli 1988).
In Leer fotografiert: Auguste Meyer,
noch unter ihrem Mädchennamen Marschallek 1917 auf Glasplatte
festgehalten. |
Hier arbeitete sie so lange, bis der Herr Olof Olson um ihre Hand anhielt. Olson kam gebürtig aus Schweden, wollte eigentlich nach Amerika, verpaßte in Emden aber das Anschlußschiff. Er war dann Bäcker bei Harms (gegenüber der Kirche in Ostrhauderfehn) und eröffnete 1921 neben Kapitän Reents' Haus eine Bäckerei. Seine hübsche Frau Henriette bekam die andere Seite des Hauses als Putzmacherei.
Der Beruf als Putzmacherin ist uralt. Es ist ein typisch weibliches Handwerk, denn nirgends taucht ein männlicher Putzmacher auf - höchstens als "Lampenputzer". Schon in den mittelalterlichen Handwerksbüchlein gibt es illustrierte Verse von der Putzmacherin. Heute ist es ein lndustrieberuf mit dreijähriger Lehrzeit.
So stellte sich die Fehntjerin eine Städterin vor: schicker Mantel, toller Hut. Wanda Betanski in Thorn 1942. Zur Verfügung gestellt von Lydia Starniewski |
Mein Hut der hat drei Ecken, drei Ecken hat mein Hut. 0 Hannes wat n Hood de Hood, de steiht di good. De Hood, de hett'n Daler köst, `n Daler köst de Hood. So könnte es jetzt eine ganze Seite weitergehen, doch wir wollten diesmal der holden Weiblichkeit Reverenz erweisen. Da verläßt uns aber das heimische Platt. Es wird scherzhaft die "lmmenkapp" erwähnt, ein Hut mit Schleier, oder auch das "Wagenrad" für einen sehr breitkrempigen Hut, oder der "Sleierhood", den die Frau-en bei der Feldarbeit gegen die Sonnenbestrahlung aufsetzten. Er hat nur ganz entfernt etwas mit dem modischen "Dingsda" zu tun, das die Männer scherzhaft "Kompotthut" nannten.
Ein Schnappschuß in Bremen aus dem
Jahr 1926: Beim Spaziergang im Bremer Stadtgarten durfte der Hut nicht
fehlen. |
In den zwanziger Jahren war er modern, dieser Topfhut. Das Wort "Hut" heißt im Französischen "chapeau". Der eine oder andere erinnert sich vielleicht an den "chapeau claque", den Klappzylinder, der sich so bequem auf Reisen mitnehmen ließ. Die Frauen hatten es da schon schwerer, sie benutzten Hutschachteln für ihre Kreationen. Solche bäuerlichen Hutschachteln stehen im Cloppenburger Bauernmuseum. Sie waren auf dem Fehn nicht gebräuchlich.
Nur eine der Damen ging ohne Hut, das war Hanni Noormann. Beim Spaziergang 1928 im Polder von Ostrhauderfehn stellten sich links Theda Harms und in der Mitte Hanni Prahm der Kamera. Zur Verfügung gestellt von Hanni Poppen |
Henriette Olson verpackte den verkauften Hut in eine große Tüte. Für die saterländischen Frauen, die den weiten Weg nach Ostrhauderfehn nicht scheuten, war das ein gewisses Risiko. Auf dem Fahrrad mit der großen Huttüte bei Wind und schlechtem Wetter, das glaubt heute niemand mehr. Aber so war es. Und wenn der Hut nicht mehr neumodisch genug war, dann wurde er zum Umarbeiten zur Putzmacherin gebracht. Tochter Johanne erinnerte sich, daß ihre Mutter extra für Anna Pooker solch einen "Kompott"-Hut mit Rüschen anfertigen mußte, damit die 100jährige gutbehütet das erste elektrische Licht in Ostrhauderfehn anknipsen konnte.
Dina Gewald war gerade 18 Jahre alt, als sie sich 1922 mit Loodens Hund Leo in ihrem Backfischmantel fotografieren ließ. Den Hut hatte ihre Mutter aus Leer mitgebracht, aber er gefiel ihr nicht, und sie hat ihn nie wieder aufgesetzt. Zur Verfügung gestellt von Dina Taute |
Die Fabrikhüte waren für eine gute Putzmacherin keine ernsthafte Konkurrenz. Auch Fräulein Michaelsen in der Firma Hagius hatte genug mit ihrer Westrhauderfehner Kundschaft zu tun. Nach dem zweiten Weltkrieg machte sich in Rajen Erna Specht als Putzmacherin selbständig. 1956 wurde ihr Schaukasten per Zeitungsanzeige verkauft.
Mit 19 Jahren solch einen Hut zu besitzen, war der Traum vieler Mädchen. Frauke Lühring stellte sich 1910 dem Fotografen. Zur Verfügung gestellt von Hildegard Albert |
Hüte aus Filz und Hüte aus Stroh, Hüte aus Bast und Hüte aus Seide, gelackte Pa-namahüte, "Storkenüsten" oder "Gemüsepool" (se hett'n heel Blomentuun up de Koop) - all das ist Vergangenheit. Zwar greift die Oma auch heute noch als erstes zu ihrem Hut auf der Garderobe, wenn sie ausgeht, aber Paris oder Ascott sind doch weit entfernt von Ostfriesland. So kommt es, daß wir heute keine Putzmacherin mehr auf dem Fehn haben.
Das Putzgeschäft von Henriette Olson
in Ostrhauderfehn wurde beim Einmarsch der Truppen im April 1945 völlig
zerstört. Es war bis weit ins Saterland hinein bekannt. Links steht Netti
Ewen, in der Mitte die Putzmacherin selbst mit ihrer Tochter Henni. Rechts
ist die Putzmacherhilfe Frl. Walker aus Papenburg zu sehen. |
Weitere Informationen zu diesem Thema finden Sie, wenn Sie
diesem Link folgen:
http://www.archiv-heinze.de/colonien/westrhfehn/berufeWF/berufewf.html
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