[ Fehntjer Kurier ]

Geschichten aus dem Overledingerland

Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze


Fehntjer Kurier vom 02.02.1989

"Sowat gaff dat in Ostfreesland nich"
Zum Schluß ein Ei in das warme Bier

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"Sowat gaff dat in Ostfreesland nich"
Zum Schluß ein Ei in das warme Bier

Fastnacht, Karneval, Fasching und der Aschermittwoch, das sind keine Wörter aus dem friesischen Platt. Wer ganz radikal ist, sagt jetzt: "Sowat gaff dat in Ostfreesland nich!" Aber damit hat unser Kritikaster nicht ganz recht. Allein schon die religiösen Festtage des späten Mittelalters haben ihre Spuren auch in unserem Land hinterlassen. Die "Fastenzeit" wurde von der Kanzel herab verkündet. Ab jetzt durften keine Feste mehr gefeiert werden, und eine "Nothochzeit" durfte nur in ganz kleinem Kreise stattfinden. Ausgenommen waren allein die Kindtaufen, denn das hatten unsere Vorfahren (noch) nicht im Griff. Ab jetzt durfte auch kein Fleisch mehr im sonntäglichen Bratentopf schmoren. Dafür gab es Fisch. Und der muß ja schwimmen. Und die Ostfriesen liebten es sehr, den Fisch schwimmen zu lassen. Was da so alles in den Teetassen schwamm ...

So hatte diese kirchliche Verordnung doch auch ihre gute Seite!

Alsdann die Lehren der Reformatoren Zwingli und Luther in Ostfriesland vorherrschend wurden, verlor die "Fastenzeit" ihre weltliche Bedeutung. Zwar wurden in alten Bauerndörfern um Fastnacht noch manche Gemeindeämter neu verteilt, wobei dann die Strafgelder für Übertretungen aus dem letzten Jahr verzehrt wurden ("Pottverteren"). Hi und da war es noch Sitte, am Morgen der Fastnacht ;,heede Wecken" zu backen und die warmen Brötchen genußvoll in den Tee zu stippen. Aber allgemein verlor die "Fastnacht" immer mehr an Bedeutung in unserem Landstrich.

Sind das nicht tolle Jungs? Pech gehabt, lieber Leser, das sind alles Mädchen! Hier haben sich acht "Wichter" zum "Lausbubentanz" verkleidet, den sie auf dem Gebietsturnfest 1934 im "Goldenen Anker" zu Westrhauderfehn aufführten. Lins steht Alwine Severins/Tiefermann, dann folgt Agate Brunsema/Helling, Magdalene Klinkhammer/Zayitz, Agathe Fehn/Prahm, Lorchen Hemken, Wilma Klinkhammer/Maas, Lore Kluin, verheiratet nach Australien, und Therese Schulna/Luikenga.
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Sind das nicht tolle Jungs? Pech gehabt, lieber Leser, das sind alles Mädchen! Hier haben sich acht "Wichter" zum "Lausbubentanz" verkleidet, den sie auf dem Gebietsturnfest 1934 im "Goldenen Anker" zu Westrhauderfehn aufführten. Lins steht Alwine Severins/Tiefermann, dann folgt Agate Brunsema/Helling, Magdalene Klinkhammer/Zayitz, Agathe Fehn/Prahm, Lorchen Hemken, Wilma Klinkhammer/Maas, Lore Kluin, verheiratet nach Australien, und Therese Schulna/Luikenga.
Zur Verfügung gestellt von Johannes Lücht

Etwas anderes wird aus Esens berichtet. Dort wurden am Nachmittag des "Fastelavend" mit Strauchbesen um die Wette geworfen. Dieses Brauchtum findet heute im nostalgischen "Ostfriesenabitur" fröhliche Auferstehung. Die damaligen Handwerkslehrlinge und Gesellen hatten noch eine zweite Art, sich zu vergnügen: Sie nahmen die vom Schlachtfest zurückbehaltenen Schweinsblasen, füllten sie mit Luft und warfen damit um die Wette. Jeder Wurf wurde zu einem echten Gaudi, wie der Bayer sagen würde.

Auch das Klootschießen soll seinen Ursprung nicht weit vom Fastelavend haben. "Klootscheten! Fastelavend! -,t is man eenmal in't Jaor! Fleu herut, fleu herut!" Ob diese Aussage der historischen Überprüfung standhält, mögen unsere Leser selbst in der einschlägigen "Klootscheter" Literatur nachlesen.

Auch dieses Foto ist ein Bild aus der Raritätenkiste. Fast die gesamte Belegschaft des Postamts Westrhauderfehn hat sich zu einem Fototermin auf die Kegelbahn begeben. Es soll sich um eine Tura-Maskerade bei Bahns aus dem Jahr 1927 handeln. Links die langjährige Postassistentin Therese Klaver. Neben ihr sitzt der damalige Oberpostmeister Heinrich Bertram mit seiner Frau Alma. Dahinter mit der Flasche auf dem Haupt steht Postinspektor Adolf Kallhoff. Neben ihm ist die hübsche ,,Zigeunerin" Hildegard Opitz zu sehen und dann Marie Kallhoff. Der ,,Napoleon" ist der spätere Sparkassendirektor Adolf Diersmann. Die kleine Dame mit Brille ist Hanne Kerkhoff. Nur den etwas beleibten Herrn rechts haben wir nicht mit einem Namen versehen können, vielleicht weil er die Zipfelmütze vom Rumpelstilzchen trägt.
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Auch dieses Foto ist ein Bild aus der Raritätenkiste. Fast die gesamte Belegschaft des Postamts Westrhauderfehn hat sich zu einem Fototermin auf die Kegelbahn begeben. Es soll sich um eine Tura-Maskerade bei Bahns aus dem Jahr 1927 handeln. Links die langjährige Postassistentin Therese Klaver. Neben ihr sitzt der damalige Oberpostmeister Heinrich Bertram mit seiner Frau Alma. Dahinter mit der Flasche auf dem Haupt steht Postinspektor Adolf Kallhoff. Neben ihm ist die hübsche "Zigeunerin" Hildegard Opitz zu sehen und dann Marie Kallhoff. Der "Napoleon" ist der spätere Sparkassendirektor Adolf Diersmann. Die kleine Dame mit Brille ist Hanne Kerkhoff. Nur den etwas beleibten Herrn rechts haben wir nicht mit einem Namen versehen können, vielleicht weil er die Zipfelmütze vom Rumpelstilzchen trägt.

Etwas anderes ist es mit den Fastnachtssitten unserer saterländischen Nachbarn. Hier gab es einen "Wurstelberend", der die Mettwürste auf einer langen Stange mit Querholz entgegennahm, einen "Eierülk", der das zerbrechliche Gut in einen Bienenkorb legte, und einen "Judas", der das Geld einsackte. Dazu wurde mit einer "Snurrkatt" ständig Lärm gemacht. Von den gesammelten Gaben wurde abends eine gemeinsame Mahlzeit zubereitet, und das Geld diente zur Anschaffung von Bier, welches in großen eisernen Töpfen auf dem Herdfeuer angewärmt wurde. Nach Geschmack wurde es mit Sirup oder Ingwer gewürzt, und zum Entsetzen eines heutigen Biertrinkers sei verraten, daß die saterländischen Burschen auch noch manches Ei in das angewärmte Bier klopften.

Der Oldenburger Heinrich Diers hat ein kleines Stück für die Heimatbühnen geschrieben: "Fastelavend heet ik!" Es wurde in den fünfziger Jahren auch in unserer Region ab und zu gespielt, auch wenn die alten Sitten und Gebräuche schon fast vergessen waren. In diesem Stück kommen all die Personen vor, die wir gerade kennengelernt haben: der Judas, der Eierülk, der Wurstelberend, ein Fent mit Swiensblaas, Jan-Hinnerk Bumm mit seinen Topfdeckeln und der "Schnurrkatze" sowie viele weitere Personen, je nach Bedarf.

Kinder mögen sich gern verkleiden, so auch die beiden Freundinnen Hanni Kramer und Hanni Janssen aus Holterfehn. Sie fanden in den Truhen der Großeltern so manches Stück, das an die Vorväterzeit erinnert. Diese Aufnahme ist 1936 mit einem Selbstauslöser hergestellt worden. Wir kommen in einer unserer nächsten Ausgaben noch auf dieses Bild zurück.
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Kinder mögen sich gern verkleiden, so auch die beiden Freundinnen Hanni Kramer und Hanni Janssen aus Holterfehn. Sie fanden in den Truhen der Großeltern so manches Stück, das an die Vorväterzeit erinnert. Diese Aufnahme ist 1936 mit einem Selbstauslöser hergestellt worden. Wir kommen in einer unserer nächsten Ausgaben noch auf dieses Bild zurück.

Heinrich Diers schreibt im Anhang zu seinem Stück, daß der Fastelavend das Gegenstück zur Erntedankfeier sei. Bei letzterem feiert die ländliche Bevölkerung das Ende der harten Jahresarbeit, während der Fastelavend das (letzte) große Fest vor Beginn der Frühjahrsbestellung, der Sommerarbeit und der späteren Ernte sei.

Von den alten dörflichen Fastnachtssitten ist in unserer heutigen Bevölkerung wenig übriggeblieben. Die Maskeraden, Maskenbälle und allerlei Mummenschanz oder Narreteien haben sich heute in geschlossene Gesellschaften zurückgezogen. Einige wenige alte Reime erinnern noch an die früheren Fastnachtsumzüge, die schließlich reine Bettelei geworden waren, wie wir das ja auch in unseren Tagen beim Martinisingen und der Neujahrsböllerei ("Glückwünsche zum neuen Jahr"?!) wiederfinden.

Das erste Faschingsfest der Volksschule ,,oben" in Ostrhauderfehn fand im Jahr 1965 statt. Heute ist in dieser Schule eine Kleiderfabrik untergebracht. Damals ,,regierten" dort drei Junglehrer/innen. Hauptlehrer Friedrich Taute vom Untenende, der hier oben vertretungsweise als Schulleiter aushelfen mußte, sah das Experiment ,,Karneval in der Schule" mit gemischten Gefühlen auf sich zukommen. Da die Eltern aber mitmachen wollten, durfte das Fest dann doch stattfinden. Vorn als weißer und schwarzer Pudel verkleidet, Gerd de Buhr und Adolf Krämer, dazwischen die noch nicht schulpflichtige Hiltrud Krämer. Im Hintergrund die Mütter Wilma Braak, Regate Berger, Theda de Buhr und Karla Krämer.
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Das erste Faschingsfest der Volksschule "oben" in Ostrhauderfehn fand im Jahr 1965 statt. Heute ist in dieser Schule eine Kleiderfabrik untergebracht. Damals "regierten" dort drei Junglehrer/innen. Hauptlehrer Friedrich Taute vom Untenende, der hier oben vertretungsweise als Schulleiter aushelfen mußte, sah das Experiment "Karneval in der Schule" mit gemischten Gefühlen auf sich zukommen. Da die Eltern aber mitmachen wollten, durfte das Fest dann doch stattfinden. Vorn als weißer und schwarzer Pudel verkleidet, Gerd de Buhr und Adolf Krämer, dazwischen die noch nicht schulpflichtige Hiltrud Krämer. Im Hintergrund die Mütter Wilma Braak, Regate Berger, Theda de Buhr und Karla Krämer.

Geblieben ist die Freude der Kinder am Verkleiden, auch wenn sie kaum noch wissen, was "Skabellenskoppen" sind. Geblieben ist auch, den einen oder anderen "vör Naar bruken". Das "Niernarren" einer Pietschnöt" wurde zwar ab und zu von den Eltern unterbunden, wenn die Kinder es gar zu arg trieben, aber die Lautmalerei der Wörter wie "dat is een Nirrtjebüks" oder "unser Nirrtjepuup het Not" verleitet doch oft zur Nachahmung. Dieses "Piesacken" gehört aber nur im weitesten Sinne zu den Freiheiten, die sich die Menschen während der drei tollen Tage herausnehmen.

Maskenfest bei Oskar Schön in Ostrhauderfehn oder Bahns in Westrhauderfehn oder (am Rosenmontag) bei Pieper in Langholt - das waren gesellschaftliche Ereignisse in den fünfziger Jahren. Da gab es noch keinen Elferrat und auch keinen rheinischen Humor. Die drei jungen Damen auf unserem Foto waren so um die 24 Jahre jung und noch nicht verheiratet. Sie genossen die Freiheit des Maskenfestes, denn bis zur Demaskierung um 0 Uhr wußte niemand, wer die drei Clowns waren.
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Maskenfest bei Oskar Schön in Ostrhauderfehn oder Bahns in Westrhauderfehn oder (am Rosenmontag) bei Pieper in Langholt - das waren gesellschaftliche Ereignisse in den fünfziger Jahren. Da gab es noch keinen Elferrat und auch keinen rheinischen Humor. Die drei jungen Damen auf unserem Foto waren so um die 24 Jahre jung und noch nicht verheiratet. Sie genossen die Freiheit des Maskenfestes, denn bis zur Demaskierung um 0 Uhr wußte niemand, wer die drei Clowns waren.

 

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