Liebevoll gesammelt und aufs getreulichste nacherzählt von Michael Till Heinze
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Kirchenvorsteher war auch Geneverbrenner
Ein Termin jagt den anderen. Bei fast allen Vereinen findet in diesen ersten Januarwochen eine Jahreshauptversammlung statt. Manch ein Posten wird neu vergeben. Wer glaubt, in der Provinz sei es langweilig, der wird sich in diesen Tagen wundern, wie viele verschiedene Vereine einen Vorstand bestätigen oder neu wählen müssen.
Gleichzeitig feiern traditionell die Schiffervereine ihre Winterfeste. Ob nun Binnenschiffer oder Kapitäne auf großer Fahrt, alle haben sie einen großen Teil ihres Lebens auf dem Wasser verbracht. Wind und Wetter, fern der Heimat, ob in Basel oder Rio de Janeiro, der Fahrensmann war selten zu Haus. Im Alter dann, im Ruhestand wird alles das nachgeholt, was der Seemann entbehren mußte. Zwar will das Tanzbein nicht mehr so richtig mitschwingen, aber das Erzählen und Klönen dient auch der Gemeinsamkeit und beugt dem Alleinsein vor.
Nun ist es also wieder soweit. Generalversammlung in Plümers-Ecke, Winterfest im "Gasthof Germania". Dort, wo heute die Volksbank steht, gab es früher einen weit über die Grenzen des Overledingerlandes hinaus bekannten Gasthof, genannt "Plümers-Ecke". Ein großes Hinterhaus erstreckte sich entlang der 1. Südwieke. Wir haben es schon in unserer Ausgabe vor zwei Wochen als "Schneebild mit Gittermast" gezeigt. Das Vorderhaus war ein bißchen klein, wenn man bedenkt, daß so ein Gasthof immer viele Gäste hatte.
Eine alte Aufnahme vom "Gasthof Germania" aus der Zeit um die Jahrhundertwende, als die Mutten und Tjalken wichtigstes Verkehrsmittel waren. |
So wurde ein größeres "Dwarshus" direkt davor gebaut. Jetzt wurde es natürlich sehr eng auf den Straßen neben und vor dem Haus, was aber durchaus beabsichtigt war, denn die Fehntjer sollten hier Pause machen und anhalten. An den zukünftigen motorisierten Verkehr mit langen Lkws oder sogar Trucks dachte damals noch niemand. Und Parkplätze? Die brauchten unsere Fehntjer noch nicht. Sie gingen zu Fuß. Wenn wirklich einer einmal nicht mehr laufen konnte, dann wurde er eben mit der Karre nach Hause gebracht ...
Die Gesamtaufnahme des Plümerschen Gebäudekomplexes. Die Brücken, die junge Frau und der Gasthof - waren das schöne Zeiten! |
"Up een Been kannst du net stahn!" heißt es oft und "Janever, Janever, je langer, je lever!". Dies ist ein unendliches Thema. "Dar mark di, Keerl, van Snaps wurst du duun, man van Brannwien besopen!" Ob es nun een Söpke, een Lüttjen oder een Pingelsöpke ist, der Elführtje ist immer dabei! "Janevers Maat maakt de Kehle gladd, de Röse rood und de Morse blood." Nach dem "Vörwarmer" wollen wir uns nun mit einem "Ofsette" von dem "Huustrost, Halsölje, Krakeelwater" und der "Klockensmeer" verabschieden.
Der Schnaps wurde ja nur dazu erfunden, damit man das Bier nicht trocken herunterschlucken mußte ... obgleich die Bayern behaupten, sie hätten das Bier erfunden, so muß das bei dem Alkoholkonsum der Ostfriesen doch bezweifelt werden. Ob auf einer Beerdigung oder bei der Arbeit - Bier gab es immer. Jede gute Hausfrau (und manchmal auch jeder gute Hausmann!) konnte Bier brauen.
So eine schöne Zapfanlage gab es noch
in den fünfziger Jahren. Hanni Apel füllt ein Bierglas. |
Bitte ganz schnell sprechen: "De Beerbrauer broot brunn beer, brunn Beer broot der Beerbrauer." Na, geht es noch? Ob nun Brunnbeer, Dünnbeer, Eierbeer, Hengwerbeer, Warmbeer, Teelbeer, Hagelbeer oder - Peermieg, immer handelt es sich um "Hopfen und Malz, Gott erhalt`s".
Bekanntlich durfte nach der Fehngründungsurkunde Friedrichs des Großen von 1769 bei jedem Verlaat (Schleuse) ein Wirtshaus stehen. Im Paragraphen 4 heißt es "und bei jedem Siel und Verlaat wird ein freier Krug verstattet." Aus einer Eingabe von 1843 des "Ostfriesischen Mäßigkeitsvereins" an das Amt Stickhausen geht hervor, daß es in Rhauder-Wester-Fehn drei Geneverbrenner gab. Einer dieser Geneverbrenner hieß Gerd Meyer. Er war Hausmann, Landgebräucher und Kirchenvorsteher in Breinermoor. Ihm gehörte der Platz gleich hinter Claas Grünefeld, also das zweite Bauernhaus rechter Hand, wenn man von Backemor aus kommt. Einer seiner Nachbarn auf der anderen Wegeseite war Ahlrich Weyers Ibelings, der zu den Mitgründern des Rhauderfehns gehörte. Durch ihn wird Gerd H. Meyer auf das neugegründete Fehn aufmerksam geworden sein. Dort investierte er in eine Geneverbrennerei im Hause des Johann Hinrichs Plümer, der das Eckgrundstück und die beiden ersten Fehnstellen an der 1. Südwieke seit 1763 besaß.
Im Jahr 1901 übernahm Weert J. Plümer den Gasthof. Er war verheiratet mit Ettje Meyerhoff aus Idafehn. Als Weert schon 1903 starb, (siehe Fehntjer Kurier vom 17. November 1988), führte seine Witwe noch jahrelang die "Gastwirtschaft mit Kluntjeladen" weiter, unterstützt von ihren Töchtern Rati und Weerta. |
Gerd Meyer und seine Frau Heilke hatten eine Tochter Wobke. Und in die hatte sich Wille Janssen Plümer "verguckt". Oder sollten die Eltern da etwas nachgeholfen haben. Wir wissen nur, daß die beiden am 4. Dezember 1813 heirateten. Er übernahm die Gastwirtschaft mit Kaufmannsladen und baute beides weiter aus. Als er am 1. Dezember 1876 neunzigjährig starb, hatte er ein Stück Fehngeschichte mitgestaltet. All dies und vieles mehr kann man in der Familiengeschichte "Plümer" von Wilhelm Korte nachlesen. Dieser Mann, der seine ersten heimatgeschichtlichen Artikel in der "Rundschau" veröffentlichte, ist einer der wenigen Heimatforscher in unserem Overledingerland. Er hat so mancher alten Gemeinde eine Ortschronik erstellt. Aber niemand hat bis jetzt eine Zusammenfassung seines Lebenswerks versucht. Auch ist keine Straße nach ihm benannt worden.
Wille Janssen Plümer hat die Namen seines Großvaters mütterlicherseits
erhalten.
Der erbgesessene Hausmann Wille Janssen aus Holte war einer der fünf Gründer
des Rhauderfehns.
Ein Blick übers Untenende. Die Welt hat sich gewandelt. Autos links und rechts des Kanals. Die Böschungen sind zum Teil versackt. Der Dreihpost bei Hündling steht offen, obgleich kein Schiff zu sehen ist. |
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